AUSGEFRAGT | MARTIN INNERBICHLER, VERWALTER STIFTUNG KIRCHENGUT
07.06.2024 Baselbiet, Kirche, Finanzen, Tenniken, Gemeinden, Bauprojekte, Baselbiet«Wir haben vorsorglich Einsprache eingelegt»
Die Stiftung Kirchengut darf den Tenniker «Chilchacher» nicht überbauen. Der Regierungsrat stützt den Beschluss der Gemeindeversammlung. Mit diesem Grundsatzentscheid bekommt die Stiftung ein ...
«Wir haben vorsorglich Einsprache eingelegt»
Die Stiftung Kirchengut darf den Tenniker «Chilchacher» nicht überbauen. Der Regierungsrat stützt den Beschluss der Gemeindeversammlung. Mit diesem Grundsatzentscheid bekommt die Stiftung ein Problem: Wie soll sie nun den Unterhalt von Kirchen und Pfarrhäusern finanzieren?
Christian Horisberger
Herr Innerbichler, der Regierungsrat hat die Einsprache der Stiftung Kirchengut abgelehnt, der revidierte Zonenplan wurde gutgeheissen, der «Chilchacher» bleibt eine Wiese. Akzeptiert die Stiftung den Entscheid?
Martin Innerbichler: Das ist offen. Wir haben vorsorglich Einsprache eingelegt, damit der Stiftungsrat ausreichend Zeit hat, um die Begründung der Regierung im Detail zu analysieren und zu entscheiden, ob er den Fall vom Kantonsgericht prüfen lassen will. Bis Ende dieses Monats legt sich der Stiftungsrat fest.
Für die Stiftung steht viel auf dem Spiel …
Das ist so. Denn es geht um einen Grundsatzentscheid. Die Stiftung hat in mehreren Gemeinden zum Teil viel Bauland in der Zone für Öffentliche Werke und Anlagen (OeWA), mit dessen Bewirtschaftung sie bei einer Umzonung Einkünfte für den Stiftungszweck, den Erhalt ihrer Baukulturgüter, also Kirchen und Pfarrhäuser, generieren kann. Es wird eine intensive Diskussion geben.
Die Selbstbestimmung der hat für den Regierungsrat offenbar höheres Gewicht als die Kasse der Stiftung Kirchengut.
Es ist ja nicht so, dass ich kein Verständnis für die Gemeinden hätte: Wer will schon Beton auf einer grünen Wiese? Es ist aber auch eine Tatsache, dass wir einen Wohnungsnotstand und steigende Bodenpreise haben und OeWA-Zonen zur Bebauung vorgesehen sind. Mit Entscheiden wie in Tenniken wird die Bauzone künstlich verknappt.
Kämpft Ihre Stiftung auch in anderen Gemeinden darum, dass ihre Grundstücke bebaut werden können?
Ja, genau. In Biel-Benken zum Beispiel besitzt die Stiftung sogar 7200 Quadratmeter Land in der OeWA-Zone, das sie gerne im Baurecht abgeben würde. Gäbe Biel-Benken es mit einer Umzonung für eine Bebauung frei, hätte das Dorf zu grosse Baulandreserven, weshalb Privatland ausgezont werden müsste. Als öffentlich-rechtliche Stiftung – haben wir auch noch so hehre Ziele – stünden wir in Konkurrenz mit privaten Grundeigentümern. Ein Dilemma.
Also auch eine Sackgasse?
Nicht unbedingt: Wenn die Bevölkerung – anders als in Tenniken – ihr grundsätzliches Einverständnis für eine Bebauung gäbe, könnte das Gebiet mit einer Zweckbestimmung belegt werden, die nicht in Konkurrenz zu privatem Bauland steht – zum Beispiel fürs Alter oder für genossenschaftlichen Wohnungsbau. Wir bringen unsere Anliegen in Biel-Benken ein, wie wir das überall, wo wir OeWA-Land besitzen, tun, wenn Zonenpläne revidiert werden, gegenwärtig auch in Rümlingen. Könnten wir all unsere Ländereien im Baurecht vergeben, bräuchten wir uns um den Erhalt unserer Baukulturgüter weniger Sorgen zu machen.
Stattdessen weist die Stiftung Kirchengut ein strukturelles Defizit von rund 2 Millionen Franken auf, wenn man von einem jährlichen Unterhaltsbedarf von 3 Prozent des Gebäudeversicherungswerts und den aktuellen Einkünften ausgeht, wie Ihren Finanzdaten zu entnehmen ist. Bis vor wenigen Jahren schrieb die Stiftung noch schwarze Zahlen. Wie konnte es zu diesem Absturz kommen?
Die Kirchgemeinden müssen bei Sanierungen die Hälfe der Kosten aufbringen, sind aber oft nicht auf Rosen gebettet. Deshalb wurden Renovationen aufgeschoben und es lief Unterhalt auf. Hinzu kommt, dass die Kirchgemeinden mit der Rückgabe von Pfarrhäusern an die Stiftung von ihrer Beitragspflicht an den Unterhalt entbunden wurden und noch werden – aktuell zur Diskussion stehen die Pfarrhäuser von Wintersingen, Bretzwil, Reigoldswil, Ormalingen und Biel-Benken. Damit verdoppeln sich die Kosten für uns. Auch die Kirchgemeindefusionen bringen uns um Einkünfte. Für die Zurverfügungstellung bezahlt jede Kirchgemeinde einen jährlichen Sockel-Beitrag von 21 000 Franken. Kommt es zur Fusion von drei Kirchgemeinden wie kürzlich im oberen Ergolztal, «verliert» die Stiftung zweimal den Sockelbeitrag: total 42 000 Franken.
Die Stiftung Kirchengut besitzt Tausende Quadratmeter Baugrund, 33 Kirchen, 28 Pfarrhäuser, 2 Sigristenhäuser und 34 Nebengebäude, deren Unterhalt sie sich auf die Dauer nicht leisten kann. Sind Verkäufe keine Option?
Die Baulandgrundstücke könnten wir verkaufen, was aber nicht nachhaltig wäre. Lieber vergeben wir sie im Baurecht, was bereits geschieht und uns zurzeit 800 000 Franken jährlich einbringt. Der Verkauf von Kirchen ist uns untersagt. Pfarrhäuser dürften wir grundsätzlich veräussern, was flüssige Mittel bringen und Unterhaltskosten sparen würde. Doch damit würden wir unseren Auftrag gegenüber der Allgemeinheit hintergehen: Baukulturgüter zu erhalten.
Wenn Sie nicht mehr aus dem Land herausholen und auch die Kosten nicht senken können – wie wollen Sie Ihren Auftrag weiterführen?
Dank unserer Reserven im Renovationsfonds und der grosszügigen Unterstützung der Kirchgemeinden durch die reformierte Landeskirche können die notwendigen Sanierungen in den nächsten vier bis fünf Jahren finanziert werden. Es ist unsere Pflicht, jetzt auf die unbefriedigende Situation aufmerksam zu machen, damit das System rechtzeitig den jetzigen Begebenheiten angepasst wird. In seiner Antwort auf ein Postulat von alt Landrätin Laura Grazioli hat der Regierungsrat den Handlungsbedarf anerkannt: Er schreibt, dass eine Grundsatzdiskussion zu führen sei, ob die geltenden Bestimmungen geeignet sind, der finanziellen Situation der Kirchgemeinden und auch der Stiftung zu begegnen und Lösungen zu finden. Auch einer allfälligen Anpassung des Dekrets zur Stiftung Kirchengut stünde er offen gegenüber.
Welcher Natur könnten diese Anpassungen sein?
Ich bin klar der Meinung, dass wir mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen würden, wenn wir Land im Baurecht abgeben könnten. Damit liesse sich Wohnungsnot mildern, Bauland der Spekulation entziehen und bezahlbarer Wohnraum könnte geschaffen werden. In Frenkendorf haben wir dies bei einem Genossenschaftswohnungsbau bewiesen. In zweiter Priorität soll bezahlen, wer einen Nutzen hat: So stellen wir zum Beispiel 30 000 Quadratmeter Land fürs Bestattungswesen zur Verfügung. Es sei die Frage erlaubt, weshalb wir dafür keinen finanziellen Beitrag erhalten und auch, weshalb unsere denkmalpflegerische Leistung im Dekret explizit von Beiträgen der Denkmalpflege ausgenommen ist. Was ich mir nicht vorstellen kann, sind steuerfinanzierte Beiträge ohne eine Gegenleistung.