Wohnung als Arbeitsplatz für Prostituierte
25.03.2025 Bezirk Sissach, Finanzen, Gesellschaft, Baselbiet, GelterkindenIn Grellingen, Münchenstein und neu in Gelterkinden bietet «Divine Apartments» eigens ausgestattete Wohnungen für Sexarbeiterinnen an. Die Gelterkinder Dreizimmer-Wohnung mit Balkon habe keine Nachbarn. Sie steht seit einem Monat zur Verfügung; ein Zimmer kostet 750 ...
In Grellingen, Münchenstein und neu in Gelterkinden bietet «Divine Apartments» eigens ausgestattete Wohnungen für Sexarbeiterinnen an. Die Gelterkinder Dreizimmer-Wohnung mit Balkon habe keine Nachbarn. Sie steht seit einem Monat zur Verfügung; ein Zimmer kostet 750 Franken pro Woche.
Peter Sennhauser
Die Website ist professionell gestaltet und in zwei Sprachversionen verfügbar – Deutsch und Rumänisch: Offensichtlich hat sich «Divine Apartments» auf Sexarbeiterinnen aus dem osteuropäischen Land spezialisiert. Diese sollen neu auch in Gelterkinden bequem und, wie der Vermieter auf Anfrage der «Volksstimme» beteuert, legal und sicher ihrem Gewerbe nachgehen können. In einem «grossen Apartment ohne Nachbarn», mit Balkon und Gratisparkplätzen, 100 Meter von «Bahnhof, Coop, Migros, Apotheke, Kiosk» entfernt. «Der Zugang ist separat, in der Nähe des Gebäudes leben keine Kinder. Ich bin selber Familienvater, mir sind solche Dinge wichtig.»
Genauere Angaben zur Lage macht die Website nicht. Weder eine Inhaberschaft noch eine Adresse hat das Unternehmen, lediglich eine Mobiltelefonnummer ist auf der Website zu finden. Per Anruf oder Whatsapp können Zimmer in der Wohnung reserviert und gebucht werden – für 750 Franken pro Person und Woche. Bei Vollbelegung wirft die Wohnung in Gelterkinden demnach 9000 Franken im Monat ab.
Daran ist rechtlich nichts auszusetzen, sofern der Vermieter ein Baugesuch für die Nutzungsanpassung eingereicht und bewilligt erhalten hat: Dieses wird zwingend nötig, wenn in einer Wohnung ein Gewerbe ausgerichtet wird.
Baugesuch zwingend nötig
Dabei geht es um den Schutz der Nachbarschaft vor Immissionen; die Zweckänderung müssen auch Einrichtungen wie Zahnarztpraxen, Physiotherapiestudios oder Treuhandbüros beantragen, wenn sie in einer Wohnung eingerichtet werden.
Je nach Grösse und Publikumsaufkommen müssten dann Parkierungsmöglichkeiten, Zugangsverhältnisse oder auch Sanitäre Anlagen nachgewiesen werden, sagt der kantonale Bauinspektor Andreas Weis auf Anfrage der «Volksstimme». Räume für das Angebot sexueller Dienstleistungen dürften indes wegen des nächtlichen Zugangs der Freierschaft schlechtere Chancen auf eine Bewilligung in reinen Wohnoder auch in Wohn-/Geschäftszonen haben, so Weis. Ihm ist keine Bewilligung für ein Etablissement im Baselbiet oberhalb Liestal bekannt. Seine Behörde prüfe grundsätzlich die pflichtgemäss eingereichten Gesuche; wenn ein Gewerbebetrieb keines einreiche, bleibe das in der Regel so lange unbemerkt, als niemand in der Nachbarschaft sich gestört fühlt und aktiv wird.
Auch bei der Gemeinde weiss man nichts von dem Mietangebot, erklärt die stellvertretende Gemeindeverwalterin Theres Fuchs. Ihr lägen weder Meldungen noch Reklamationen oder Beschwerden aus den Quartieren vor.
Bei der Basler Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen «Aliena» haben die Privatwohnungs-Vermieter keinen schlechten Ruf: «Die Privatwohnungen bieten Sexarbeitenden einerseits eine hohe Anonymität, anderseits kann dies unserer Erfahrung nach in Kombination mit der häufig vorliegenden Orts- und Systemunkenntnis auch zu extremer Isolation sowie Abhängigkeit von anderen/der vermietenden Person führen», sagt Fachstellenleiterin Hanna Lindenfelser.
«Sauber, legal und sicher»
Für «Divine Apartments» beantwortet ein Mann den Anruf, der hiesigen Dialekt spricht. Aufgrund «schlechter Erfahrungen mit der Presse» gibt er zurückhaltend und anonym Auskunft: Die Wohnung sei neu im Angebot und bereits teilweise vermietet. Ihm sei wichtig, dass alles legal zugehe und saubere und sichere Verhältnisse herrschten. Die Website besagt, «Die einzigen Voraussetzungen für eine Reservation sind gültige Papiere, Zuverlässigkeit, Sauberkeit und Kollegialität. Wir dulden keine Zwangsprostitution oder Zuhälterei. Wir dulden keine MieterInnen, welche Geschlechtsverkehr ohne Schutz anbieten. Männer und sonstige Begleitpersonen werden nicht geduldet.»
Anlass für ein Missverständnis gibt indes der Punkt: «Arbeitsbewilligung beantragen wir für dich» – denn eine solche ist für Frauen aus der EU gar nicht nötig, und für Frauen aus Drittstaaten ist sie unerreichbar, wie der stellvertretende Leiter des Kiga, Roman Zaugg, erklärt.
Dass er von «Arbeitsbewilligung» schreibe, sei dem Umstand geschuldet, dass seine Klientel nicht verstehen würde, wenn er den 100-prozentig korrekten Begriff «Meldeverfahren für kurzfristige Erwerbstätigkeit» verwenden würde, sagt der Mann hinter «Divine Apartments». Er spreche von Hilfe bei der obligatorischen Anmeldung auf der Website des Staatssekretariats für Migration SEM.
Tatsächlich müssen die von der Website explizit angesprochenen Rumäninnen lediglich zwei Bedingungen erfüllen. Sie müssen sich nach der Einreise via Webformular beim Seco anmelden. Und sie dürfen sich pro Kalenderjahr nicht mehr als 90 Tage in der Schweiz aufhalten und ihrem Gewerbe nachgehen.
Prostitution im Baselbiet
sep. Gemäss der Website des Vermieters «Divine Apartments» stehen die Preise im Sexgewerbe in der Stadt unter Druck, weshalb immer mehr Frauen ihrer Arbeit auf dem Land nachgehen würden. Das lässt sich schwer überprüfen. Im Kanton Baselland sind gemäss Angaben des Staatssekretariats für Migration SEM von 2022 offiziell etwas mehr als 110 Personen im Sexgewerbe tätig, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen sei: Das war die Antwort der Regierung auf eine Interpellation, die Auskunft über den Schutz von Sexarbeiterinnen im Landkanton und den Aufbau einer nachgehenden Betreuungsarbeit verlangte.
Die Regierung stimmte dem Anliegen, sich mehr um betroffene Personen zu kümmern, grundsätzlich zu. 2022 waren demnach 17 Standorte für die Verrichtung von Sexarbeit bekannt. Auf einschlägigen Websites hatten gleichzeitig rund 120 Personen ihre Dienstleistungen auf Kantonsgebiet angepriesen. In der Interpellationsantwort versprach die Regierung auch, die Zahlen über Sexarbeit und potenziellen Menschenhandel künftig regelmässig zu erheben, ferner den Austausch mit sozialen Institutionen zu stärken und allenfalls eine Leistungsvereinbarung mit der Basler Beratungsstelle Aliena für Sexarbeiterinnen zu prüfen. Auf Anfrage der «Volksstimme» heisst es derzeit dazu nur lakonisch: «Die Sicherheitsdirektion des Kantons Basel-Landschaft weist darauf hin, dass aufgrund der Sparmassnahmen aktuell keine neuen Leistungsvereinbarungen mit Partnern abgeschlossen werden konnten.»