So erforscht die Wissenschaft das Klima von morgen
07.11.2025 Bezirk Sissach, Natur, Baselbiet, GelterkindenSeit vier Jahren lädt die Sekundarschule Gelterkinden zu Klimadiskussionen ein. Häufig dabei ist der Klimaforscher Dr. Gian-Kasper Plattner. Er erklärt, wie Forscher aus Daten und mithilfe von Klimamodellen Zukunftsszenarien entwickeln.
Carolina ...
Seit vier Jahren lädt die Sekundarschule Gelterkinden zu Klimadiskussionen ein. Häufig dabei ist der Klimaforscher Dr. Gian-Kasper Plattner. Er erklärt, wie Forscher aus Daten und mithilfe von Klimamodellen Zukunftsszenarien entwickeln.
Carolina Mazacek
Herr Plattner, was ist das Klima?
Gian-Kasper Plattner: Klima ist das langfristige Wetter. Es beschreibt den über viele Jahre gemittelten Zustand – in der Regel über 30 Jahre. Wenn wir von Klimaänderungen sprechen, meinen wir Veränderungen dieses Durchschnittszustands über die Zeit. Klima ist also etwas Langfristiges, im Gegensatz zum Wetter, das den aktuellen Zustand beschreibt. Heute etwa ist es tendenziell wärmer als vor 30 Jahren – solche Veränderungen im Klima verlaufen also über längere Zeiträume. Aus historischer Perspektive sind die heute beobachteten Veränderungen extrem schnell.
Wie wird das Klima gemessen?
Dazu werden weltweit physikalische, chemische und auch biologische Daten gesammelt, zum Beispiel Temperatur, Niederschlag, CO2- und Methankonzentrationen, zwei wichtige Treibhausgase, sowie Sonneneinstrahlung. Satelliten messen die Helligkeit der Erdoberfläche, die beeinflusst, wie viel Wärme gespeichert oder reflektiert wird. Für frühere Zeiten dienen Klimaarchive wie polare Eiskappen und Gletscher, in denen die im Eis eingeschlossenen Blasen die Luft von damals enthalten, oder Baumringe, deren Dicke das Baumwachstum zeigt und damit Rückschlüsse auf die damals herrschenden Klimabedingungen zulässt. Historische Aufzeichnungen, beispielsweise von Mönchen in Klöstern, liefern zusätzliche Hinweise auf Wetter und Ernteerträge. So lässt sich das Klima der Vergangenheit rekonstruieren.
Wie lassen sich aus diesen Daten Aussagen über die Zukunft ableiten?
Für die Zukunft benötigen wir Klimamodelle. Diese mathematischen Modelle berücksichtigen physikalische, chemische und biologische Prozesse der Erde und zeigen, wie sich beispielsweise die Temperatur entwickeln könnte. Zuerst prüfen wir, ob das Modell das vergangene Klima korrekt abbilden kann. Nur dann ist es für Zukunftsszenarien verlässlich verwendbar. Zusätzlich werden die Entwicklungen der Bevölkerungszahlen, der Technologie und anderer ökonomischer und sozialwissenschaftlicher Bereiche einbezogen, da sie die Emissionen von Treibhausgasen und somit das Klima beeinflussen.
Können wir damit die Zukunft vorhersagen?
Nein, die Modelle sagen nicht, wie die Zukunft genau sein wird. Die Modelle liefern Projektionen für verschiedene Szenarien: Was wäre, wenn … Wir überlegen uns mögliche Entwicklungen und sagen, was das bezüglich des Klimas bedeuten würde. Wir beschreiben verschiedene Wege, beispielsweise Pfad A, B oder C, und schauen, wie sich das Klima unter diesen verschiedenen Szenarien jeweils entwickeln würde. Welcher Weg tatsächlich eintritt, hängt von unseren heutigen Entscheidungen ab. Anders als beispielsweise bei Erdbeben oder Vulkanausbrüchen, die wir nicht beeinflussen können, gestalten wir das Klima und seine Zukunft mit unserem Verhalten mit.
Sind diese Modelle genau?
Die Modelle sind sehr gut, ja. Die Genauigkeit von Klimamodellen hängt aber unter anderem davon ab, wie verlässlich die historischen Daten sind und wie gut das Modell das Klimasystem und dessen Prozesse abbildet. Wir können damit das Klima in die Zukunft projizieren. Aber niemand kann das Wetter an einem bestimmten Tag in der ferneren Zukunft exakt vorhersagen. Das versuchen wir auch nicht.
Wie können Sie diese Modelle der Bevölkerung näherbringen?
Durch aktive Kommunikation und Erklärungen. Früher berichteten zum Beispiel Meteorologen im Fernsehen nur über das morgige Wetter. Heute erklären sie auch den Unterschied zwischen Wetter und Klima und zeigen, was Klimaveränderungen für die Menschen bedeuten. Klimamodelle helfen, mögliche Entwicklungen zu verstehen. Da Klimamodelle komplex sind, gelingt die Vermittlung am besten im direkten Kontakt. Mehr Wissen allein führt nicht automatisch zu besseren Entscheidungen; es braucht auch persönliche Bezüge.
Sie sind bereits seit Langem an den Diskussionsrunden der Sekundarschule Gelterkinden dabei. Was erwartet die Besucherinnen und Besucher bei der diesjährigen Veranstaltung?
In den vergangenen vier Jahren haben wir jeweils ein wichtiges Klimathema behandelt. Dieses Mal liegt der Fokus auf dem Thema Hoffnung – welche Hoffnungen haben die Jugendlichen für ihre Zukunft. Mit den vielfältigen Aktionen der Klimaschule Gelterkinden über die vergangenen Jahre konnten die Jugendlichen, selbst wenn sie sich sonst vielleicht nicht besonders für wissenschaftliche Themen interessieren, erleben, was es bedeutet, selbst ins Handeln zu kommen und etwas für ein besseres Klima zu tun. Das sind vielfach kleine Handlungen mit grosser Wirkung. Vor allem, wenn man es gemeinsam macht.
Welche Zukunft wollen wir?
cam. Am Montag, 17. November, findet eine Veranstaltung an der Sekundarschule Gelterkinden zum Thema «Klimaerwärmung: Welche Zukunft wollen wir?» statt.
Zukunftsforscher Andreas Walker und Klimaforscher Gian-Kasper Plattner beleuchten Chancen und Szenarien. Eine Live-Schaltung zur 30. Klimakonferenz nach Belém mit Marie-Claire Graf rundet den Abend ab.
Beginn 19.00 Uhr, Posterausstellung ab 18.30 Uhr, Eintritt frei und mit anschliessendem Apéro.
Zur Person
Dr. Gian-Kasper Plattner (1970) ist leitender Wissenschaftler an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und lehrt an der ETH Zürich sowie an den Universitäten Basel und Bern im Bereich Klimaforschung. Er ist Experte für den Kohlenstoffkreislauf und dessen Zusammenhänge mit dem Klima und dem Klimawandel.

