«Müssen zu uns schauen, so leid es uns tut»
12.11.2024 Bezirk Sissach, Gastronomie, Tenniken, Kultur, Gesellschaft, BaselbietMit dem «Schlössli» verliert das Dorf seine letzte Beiz – auch das Wirtepaar bedauert dies
Er liebte es, zu kochen, sie war gerne bei den Gästen: Peter und Beatrix Aebi waren über ein Vierteljahrhundert mit Leidenschaft Gastgeber im Restaurant ...
Mit dem «Schlössli» verliert das Dorf seine letzte Beiz – auch das Wirtepaar bedauert dies
Er liebte es, zu kochen, sie war gerne bei den Gästen: Peter und Beatrix Aebi waren über ein Vierteljahrhundert mit Leidenschaft Gastgeber im Restaurant Schlössli in Tenniken. Sie haben sämtliche Wandel im Gastrogewerbe er- und überlebt.
Peter Sennhauser
«Die Gäste mögen uns so sehr, sie kommen jetzt sogar mitten in der Nacht», witzelt Peter Aebi, und seine Frau Beatrix erzählt, dass die Einbrecher fein säuberlich die Kabel durchtrennt und die Registrierkasse gestohlen hätten – in welcher keine Schublade und somit auch keinerlei Geld gewesen sei.
Das ist ein bisschen typisch für das Paar, das seit sage und schreibe 27 Jahren das Restaurant Schlössli in Tenniken geführt und dabei eine beispiellose Veränderung im Gastrogewerbe erlebt hat: Beide haben eine pragmatische Sicht auf die Dinge und nehmen manches, was unangenehm ist, mit einer Prise Humor. Das muss ihnen geholfen haben in den 27 Jahren des konstanten Wandels. Die Gäste seien schrittweise weniger geworden, mit dem Rauchverbot, der Promillegrenze 0.5, mit Covid und mit Catering in den Firmen. Aebis analysieren die Fakten ohne Bitterkeit und mit Verständnis für die Menschen, die sich anders verhalten.
Aber auch mit dem Anspruch, für sich selber schauen zu dürfen: «Als Gastgeber muss man Freude daran haben, den Gästen mehr zu bieten, als was grade so drinliegt», sagt er, und sie ergänzt: «Und in einer Beiz ist man auch ein bisschen Sorgentelefon. Man muss den Gästen zuhören können und wollen.» Allerdings müsse man trotzdem aufpassen, dass man nicht alles an sich heranlasse, sagt Beatrix – das habe sie zuerst lernen müssen.
Jetzt ist wieder so ein Punkt, an dem das Paar auf sich aufpassen möchte: Mit der letzten Stromrechnung der EBL sei die Entscheidung gefallen, nicht erst im März 2025, sondern früher aufzuhören. «Die Energiekosten steigen dermassen, dass wir einfach nicht mehr wollen», sagt Peter Aebi.
Restaurant wird zur Wohnung
Ja, ihnen sei mehr als bewusst, dass Tenniken mit dem «Schlössli» sein letztes Restaurant verliere, und das tue ihnen sehr leid – «nicht zuletzt wegen der treuen Gäste, wie den Vereinen oder dem Mittagstisch», aber sie seien nicht verantwortlich für das Dorfleben, sagt Peter.
Eine öffentliche «Uustrinkete» ist nicht geplant, es würde lieber individuell den treusten Gästen etwas zukommen lassen, sagt das Wirtepaar. Und bittet darum, einen Aufruf platzieren zu dürfen: Wer noch einen Gutschein habe, soll ihn doch bitte vor dem 21. Dezember einlösen. Das Restaurant im alten Tenniker Haus wird in eine Wohnung umgebaut, das Paar zieht ins Erdgeschoss und die Tochter ins Obergeschoss. «Verpachten war keine Option», sagt Peter Aebi, «dann wären wir immer wieder gefordert, wenn es einen Wechsel gäbe.» Und Verkaufen kam nicht in Frage, sagt Beatrix, «weil wir hier zu Hause sind: Wir haben alles vor der Türe, den Auslauf für die Hunde, die Bushaltestelle …»
Beide haben die Leidenschaft für den Beruf noch nicht an den Haken gehängt. Wenn Beatrix Anekdoten erzählt wie die von dem kleinen Jungen, der mitten am Tag ins Restaurant gekommen sei und «etwas trinken» wollte – sie habe ihm ein Cola gebracht – weil er «die Zeitung lesen» wollte wie sein Papi, spürt man die Menschenfreundin. Und der Stolz schimmert durch, wenn Peter erzählt, dass er den Leuten erklären musste, seine Salatsauce gebe es nicht zu kaufen und das Rezept schon gar nicht: «Wenn ihr die Sauce wollt, habe ich gesagt, kommt bei mir Salat essen!»
Ein anderes Leben
Die Gäste seien zu Freunden geworden; die ursprünglichen Freunde dagegen immer weniger, erzählt Beatrix Aebi. Sie, die ihren Beruf als Tierarztgehilfin vor einem Vierteljahrhundert an den Nagel hängte und die Wirteprüfung machte, um die Arbeitszeiten besser mit dem Partner abstimmen zu können, konstantiert, dass einen der Beruf von der alten Umgebung entfremdet.
«Vor einiger Zeit feierte der Göttibueb meines Mannes den 30. Geburtstag.» Sie hätten zum ersten Mal aus persönlichen Gründen das Restaurant geschlossen und seien hingefahren. Und hätten festgestellt, dass Jahre vergangen waren, in denen sie nichts von der Familie mitgekriegt hätten. «Damit ist jetzt Schluss», sagt Peter Aebi.