Gegen zu hohe Gewinnmargen

  03.07.2025 Baselbiet, Baselbiet, Region, Finanzen, Gesundheit

Neues Modell zur Unterstützung pflegender Angehöriger

Die Caritas und die Spitexverbände der beiden Basel unterstützen pflegende Angehörige mit einem neuen Angebot. Damit soll die Qualität der Pflegeleistung sichergestellt und die öffentlichen Finanzen entlastet werden. Heute erzielten private Firmen in diesem Bereich ungerechtfertigt hohe Gewinne, so die Kritik.

Paul Aenishänslin

Seit einem Bundesgerichtsentscheid im Jahr 2019 haben pflegende Angehörige Anspruch auf eine gewisse Entschädigung für ihre Betreuung von Eltern und anderen Verwandten, die Hilfe im täglichen Leben benötigen. Lassen sich diese Angehörigen von der Spitex anstellen, erhalten sie pro geleisteter Arbeitsstunde um die 35 Franken ausbezahlt. Fachpersonal der Spitex begleitet die Pflegeleistung, damit sie hinsichtlich Qualität und Quantität gewissen Standards entspricht.

Die Anstellung von pflegenden Angehörigen ist in den vergangenen Jahren als Geschäftsmodell sehr interessant geworden ist. Denn der Markt ist riesig: In der Schweiz pflegen etwa 600 000 Angehörige ihre Nächsten zu Hause. Die meisten taten dies lange Zeit gratis. Dass nun private Firmen um pflegende Angehörige buhlen, sie unter Vertrag nehmen und dann einen sogenannten Normkostensatz für ambulante Pflegeleistungen von mehr als 80 Franken in Rechnung stellen können, stösst immer mehr auf Kritik.

Schweizweit belaufen sich diese Ausgaben laut Angaben der Versicherer bereits auf mehr als 100 Millionen Franken pro Jahr; Tendenz stark steigend. Kritiker werfen den privaten Firmen deshalb vor, mit den pflegenden Angehörigen grosse Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit zu erzielen, die nicht gerechtfertigt sind. Seit einiger Zeit gerät dieses Geschäftsmodell auch politisch stärker unter Druck (siehe Kasten).

«Viel zu hohe Tarife»
Urs Roth, bis vergangenen Freitag Geschäftsführer des Spitex-Verbandes Baselland und SP-Landrat, sagt: «Angesichts des verstärkten Fachkräftemangels ist die Arbeit der pflegenden Angehörigen grundsätzlich positiv zu werten. Stossend ist jedoch, wie in den vergangenen Jahren mit diesem Geschäftsmodell durch private, dafür explizit neu gegründete Spitex-Organisationen hohe Gewinne erzielt werden konnten.» Die Gewinne, teilweise in Millionenhöhe, seien möglich, «weil die Tarife für dieses Angebotsfeld heute viel zu hoch veranschlagt sind», so Roth.

Um dieser «ungesunden Entwicklung» Einhalt zu gebieten, haben nun Caritas, der Spitex-Verband Baselland und der Spitex-Verband Basel-Stadt eine Vereinbarung unterzeichnet, um pflegende Angehörige in der Region Basel zu unterstützen. Damit wird ein gemeinsames Non-Profit-Angebot für die Anstellung von pflegenden Angehörigen in den beiden Basel geschaffen.

Ab August können sich Personen, die beispielsweise ein Familienmitglied pflegen, in den Kantonen Baselland und Basel-Stadt von der gemeinnützig tätigen Caritas anstellen lassen. Diplomierte Pflegefachpersonen der Caritas begleiten und unterstützen die pflegenden Angehörigen, damit diese ihre Aufgabe der Grundpflege gut wahrnehmen können. Zur Grundpflege zählen die Hilfe beim Essen, Duschen oder An- und Auskleiden. Die pflegenden Angehörigen erhalten einen Stundenlohn sowie Sozialversicherungsbeiträge.

Günstigere Alternative
Mit dem neuen Angebot ergänzen sich die Caritas und die Spitex-Organisationen der beiden Kantonalverbände auch in Situationen, in denen neben der Grundpflege durch Angehörige weitere pflegerische Massnahmen erforderlich sind. Die gemeinnützigen Spitex-Organisationen stellen die komplexeren Pflegearbeiten sicher und erbringen beziehungsweise koordinieren darüber hinaus umfassende Dienstleistungen wie zum Beispiel Mahlzeitendienst, Ferienbett oder psychiatrische Betreuung.

Bei der neuen Zusammenarbeit stehen laut Urs Roth drei Ziele im Vordergrund: die bedarfsgerechte und faire Vergütung für pflegende Angehörige, die Sicherung der Pflegequalität durch fachliche Begleitung sowie die Reduktion der Kosten für den Kanton Basel-Stadt respektive die Baselbieter Gemeinden. Die Kosten für die öffentliche Hand sollen gesenkt werden, indem mit 63 Franken ein Tarif deutlich unter dem geltenden Normkostensatz für ambulante Pflegeleistungen zur Anwendung kommt.

Mit der Kooperation der drei Non-Profit-Organisationen entsteht eine günstigere Alternative zu gewinnorientierten Geschäftsmodellen, für die private Firmen teilweise sehr offensiv werben. «Caritas spart nicht etwa bei der Vergütung an die pflegenden Angehörigen, sondern bei den hohen Gewinnmargen der erwähnten Geschäftsmodelle mit deutlich höheren Stundensätzen», sagt Urs Roth.


Aargauer Parlament reagiert

vs. Die hohen Kosten, die den Gemeinden durch die Anstellung von pflegenden Angehörigen durch private Spitex-Organisationen auferlegt werden, sind auch im Aargau ein Thema. In der vergangenen Woche hat das Kantonsparlament die Regierung beauftragt, die Tarife so anzupassen, dass den Gemeinden diesbezüglich keine Restkosten mehr entstehen. Zudem verlangt das Parlament, dass pflegende Angehörige in einem Anstellungsverhältnis vollumfänglich den arbeitsrechtlichen Grundsätzen unterstellt sind.


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