Die imposanten Eichen kränkeln
08.02.2024 Bezirk Liestal, Bubendorf, Natur, BaselbietDer Eichenhain auf Wildenstein ist wegen des Klimawandels gefährdet
Bis zu 550 Jahren trotzten sie allen Umwelteinflüssen, doch jetzt können sie nicht mehr mit dem rasanten Tempo mithalten: Die teils uralten Eichen auf Wildenstein sind durch Hitze und Trockenheit der ...
Der Eichenhain auf Wildenstein ist wegen des Klimawandels gefährdet
Bis zu 550 Jahren trotzten sie allen Umwelteinflüssen, doch jetzt können sie nicht mehr mit dem rasanten Tempo mithalten: Die teils uralten Eichen auf Wildenstein sind durch Hitze und Trockenheit der vergangenen Jahre überfordert. Ihr «Leibarzt» beim Kanton befürchtet, dass wir schon bald von dem schweizweit einmaligen Bild auf Wildenstein Abschied nehmen müssen.
Andreas Hirsbrunner
«Das ist traurig.» Markus Plattner sitzt auf einem Holzhaufen vor einer markanten, vielleicht 300 Jahre alten Eiche, deren Äste auf alle Seiten abstehen wie das Haar bei einem Punk. Aber die Wildheit täuscht, der Baum ist tot. Plattners Leute haben die Äste auf ein Mass zurückgestutzt, damit sie bei einem Sturm nicht als Hebelarm wirken und den Baum zum Kippen bringen. Das abgeschnittene Totholz haben sie vor der Eiche aufgetürmt; es ist ein Eldorado für Totholzkäfer und Versteck für Kleintiere wie Wiesel, Iltis oder Igel.
Seit 23 Jahren kümmert sich Plattner in Diensten des Kantons um den geschützten Eichenhain auf Wildenstein ob Bubendorf, seit 7 Jahren als Leiter der Abteilung Natur und Landschaft. Seine grösste Befürchtung ist, dass das schweizweit einmalige Erscheinungsbild dieses Eichenhains mit Dutzenden, teils über 500 Jahre alten Bäumen schon bald verloren gehen könnte, denn etliche Exemplare sind am Absterben.
Als Hauptgrund nennt der 57-jährige Förster den Klimawandel mit heissen und vor allem trockenen Sommern. Aber die Eiche gilt doch als Baum der Zukunft, der der Erwärmung trotzen kann? «Ja, das ist so. Aber der Klimawandel erfolgt so schnell, dass die alten Bäume, die ja während Jahrhunderten unter anderen Bedingungen gelebt haben, nicht genügend rasch reagieren können.»
Die Mystik verleitet
Dazu kämen Fehler bei der Bewirtschaftung aus früheren Zeiten wie der Austrag von zu viel Gülle oder die zu nahe an den Bäumen erfolgte Beweidung mit zu schweren Tieren, was zur Schädigung von Wurzeln und Rinden geführt habe. Heute sorgt ein Bewirtschaftungskonzept dafür, dass solche Fehler in dem etwas mehr als einen Quadratkilometer grossen Naturschutzgebiet, das neben dem Eichenhain auch die umliegenden, ebenfalls sehr wertvollen Magerwiesen sowie einen grossen Weiher umfasst, nicht wieder passieren. Zudem schauen regelmässig Ranger dafür, dass auf dem stark frequentierten Wildenstein die Regeln eingehalten werden.
Gerade die Mystik des Eichenhains verleitet aber offenbar immer wieder zu verbotenen Handlungen. Plattner: «Es gibt zunehmend Leute, die die Asche ihrer verstorbenen Angehörigen unter den Eichen ausstreuen.» Die Wechselwirkung Mensch-Natur ist auf Wildenstein seit Alters her speziell. So ist der für die Biodiversität so wichtige Eichenhain – über 1000 Tier- und Pflanzenarten besiedeln die alten Eichen, darunter auch der seltene Mittelspecht – kein Produkt der Natur, sondern eine von Menschenhand geschaffene Kulturlandschaft. Im Vordergrund stand dabei für vergangene Generationen, den Hain als Weidewald (Wytwald) zu nutzen, wobei sich die vielen Eicheln im Herbst besonders für die Schweinemast eigneten.
Später, als die meisten Eichenwytwälder gefällt wurden, weil das Holz für den Eisenbahnbau begehrt war, bewahrte die vorausschauende Basler Besitzerfamilie Vischer den Wildensteiner Eichenhain vor der Abholzung wie auch vor der Anbauschlacht während des Zweiten Weltkriegs. Und zu Beginn der 1990er-Jahre sorgten Schüler mit einem Naturfrevel dafür, dass der Handlungsbedarf in Sachen Unterschutzstellung des Wildenstein-Gebiets offensichtlich wurde: Sie machten damals in einer alten, teils hohlen Eiche ein Feuer, das wegen der Sogwirkung nach oben nur schwer gelöscht werden konnte, wie Plattner erzählt. 1994 übernahm dann der Kanton das Wildenstein-Gebiet samt angrenzendem Schloss und stellte es unter Naturschutz.
Eichen verpflanzen ist heikel
Heute sagt Plattner: «Wir machen, was wir können, um die Einmaligkeit dieses Gebiets zu erhalten.» Dazu gehört neben der Pflege der Bäume vor allem die Förderung des Nachwuchses. Dies geschieht auf zweierlei Arten. Einerseits werden natürlich aufkommende Wildlinge mit Holzverschlägen vor dem Abfressen durch Rehe und vor dem Abmähen geschützt. Andererseits werden drei bis vier Jahre alte Jungeichen gepflanzt, die vom nahen Arxhof in Töpfen aufgezogen wurden. Ältere Bäume könnten nicht verpflanzt werden, weil sonst das Risiko zu gross sei, dass man ihre tiefgehenden Pfahlwurzeln verletze. Und diese Wurzeln seien für das langfristige Überleben der Bäume wichtig, denn sie sorgten für Stabilität bei Stürmen und für das notwendige Wasser aus tiefen Schichten.
Und Plattner ergänzt: «50 Prozent der gepflanzten Eichen gehen ein. Erst wenn die Bäume etwa 20 Jahre alt sind, haben wir eine gewisse Sicherheit, dass sie überleben. Bis jetzt haben wir rund 100 neue Eichen gepflanzt und wir werden kontinuierlich weitermachen.»
Plattner sieht vor allem bei den 100- bis 200-jährigen Bäumen ein Defizit, weil die Nachwuchsförderung lange vernachlässigt worden ist. Ihn fasziniert an den Eichen nicht nur ihre grosse Bedeutung für die Artenvielfalt: «Kein anderer Baum ausser vielleicht noch der Linde kann als Einzelbaum so eine Mächtigkeit mit ausladenden Ästen und einer gewaltigen Krone erreichen wie die Eiche. Und wenn die Bedingungen optimal sind, kann sie bis zu 1000 Jahre alt werden. Das ist schon sehr beeindruckend.»