Das Schulraum-Tetris beginnt
19.08.2025 Bezirk Waldenburg, Gemeinden, Baselbiet, Oberdorf, BildungPrimarschule platzt «bald» aus allen Nähten
Wegen stark gestiegener Schülerzahlen und des erwarteten Bevölkerungswachstums geht der Primarschule Oberdorf der Schulraum aus. Eine Arbeitsgruppe legt heute der Bevölkerung elf Varianten für eine ...
Primarschule platzt «bald» aus allen Nähten
Wegen stark gestiegener Schülerzahlen und des erwarteten Bevölkerungswachstums geht der Primarschule Oberdorf der Schulraum aus. Eine Arbeitsgruppe legt heute der Bevölkerung elf Varianten für eine Erweiterung vor – die Zeit drängt.
Nikolaos Schär
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Seit dem Schuljahr 2013/14 ist die Zahl der Kinder in Kindergarten und Primarschule Oberdorf von 160 auf 250 gestiegen – ein Plus von mehr als 56 Prozent. Die Bevölkerung wuchs im gleichen Zeitraum um lediglich 11 Prozent. Besonders auffällig: Manche Jahrgänge verdoppeln sich von der Geburt bis zum Ende der Primarschulzeit. Mit dem neuen Zonenplan sind zudem mindestens 70 zusätzliche Wohneinheiten absehbar, weitere Neubauten möglich.
Während die Schülerzahlen stetig klettern, ist der Schulraum seit dem letzten Anbau 1999 unverändert geblieben. Davor wurde das Primarschulhaus 1991 bereits einmal aufgestockt. Umnutzungen von Räumen haben die Engpässe bisher abgefedert, doch diese Spielräume sind ausgeschöpft.
«Aufgrund fehlender Gruppenräume müssen Schüler bereits heute in den Gängen Aufgaben lösen», sagt Gemeindepräsident Piero Grumelli («Mitte»), der das Ressort Bildung und damit auch die Schulraumplanung betreut. Prognosen, die Grumelli anhand der Entwicklung der Schülerzahlen erstellt hat, zeigen: In wenigen Jahren fehlen bis zu acht Klassenzimmer und neun Halbklassenräume.
Kreisschule als Politikum
Dann wird es nicht nur eng – auch die Einhaltung der kantonalen Vorschriften zum Mindestschulraum könnte schwierig werden. «Wenn wir nicht handeln, laufen wir in eine räumliche Sackgasse», warnt die Arbeitsgruppe Schulraumplanung, die heute in der Mehrzweckhalle zu einer öffentlichen Mitwirkungsveranstaltung einlädt. Dort sollen die elf geprüften Varianten zur Schulraumerweiterung vorgestellt und mit der Bevölkerung diskutiert werden.
Als eine der kostengünstigeren Lösungen gilt die Variante einer Kreisschule mit Waldenburg. Erste Gespräche zwischen den Schulleitungen sowie den Schul- und Gemeinderäten über eine Zusammenlegung haben bereits stattgefunden, befinden sich jedoch noch am Anfang. Eine Kreisschule würde kurzfristig keine Neubauten erfordern: Die vorhandenen Räume an beiden Standorten könnten sofort genutzt werden, und auch das Turnhallenproblem wäre vorerst entschärft. Der finanzielle Vorteil liegt auf der Hand: Statt Millionen für Neubauten auszugeben, würden Betriebskosten geteilt.
Die Oberdörfer Primarschüler müssen seit Jahren auf die Dreifachturnhalle der Sekundarschule ausweichen. Das hat laut Grumelli bisher gut funktioniert, könnte aber in Zukunft zum Problem werden: Die Sekundarschule wächst nämlich ebenfalls. Beansprucht sie die Turnhallen stärker, drohen dem Turnunterricht der Primarschule Einschränkungen. Ein Ausweichen auf die Turnhalle in Waldenburg, die nicht ausgelastet ist, sei bereits im Gespräch, so Grumelli.
Eine der elf Varianten sieht die Miete von Schulraum in Waldenburg vor. Warum also nicht gleich auf die Kreisschule setzen? Die Umsetzung ist politisch herausfordernd: Alle drei Gemeinden – inklusive Liedertswil, dessen Kinder in Oberdorf zur Schule gehen – müssten zustimmen. Ein Nein einer einzigen Gemeinde würde das Projekt zu Fall bringen. Zudem müssten unterschiedliche Schulkulturen, Lehrmethoden und Organisationsstrukturen harmonisiert werden. In Waldenburg wird beispielsweise mit altersdurchmischtem Lernen gearbeitet, während in Oberdorf jahrgangsgetrennt unterrichtet wird.
Die Primarschule in Waldenburg führt Mehrjahrgangsklassen, während in Oberdorf jeder Klassenzug doppelt geführt wird. «Die Kosten pro Schüler sind bei uns deutlich tiefer als in Waldenburg», sagt Grumelli. Aufgrund der Sparbemühungen des «Stedtlis» bestehen für ein Zusammengehen durchaus finanzielle Anreize. Die Waldenburger Schulleitung hat jedoch bereits signalisiert, dass sie alle Jahrgänge bei sich behalten wolle. Das würde bedeuten, dass die Primarschule Oberdorf ihre Schüler nach Waldenburg schicken müsste.
Neubau als pragmatische Lösung
Eltern, die Oberdorf gezielt als Wohnort mit vollständigem Schulangebot gewählt haben, könnten enttäuscht reagieren, wenn einzelne Stufen künftig in einem Nachbardorf unterrichtet würden.
Deutlich teurer, aber aus pädagogischer Sicht schlüssig, ist ein Neubauprojekt auf dem Kindergartenparkplatz. Variante neun sieht einen dreistöckigen Modulbau vor: vier Klassenzimmer, ein Spezialraum, ein Lehrerzimmer und mehrere Gruppenräume. Diese Räume würden es erlauben, die Unterstufe (1. und 2. Klasse) in unmittelbarer Nähe zum Kindergarten zu konzentrieren – mit kurzen Wegen, einfacher Zusammenarbeit und gemeinsamem Pausenplatz. Ungelöst bleibt hier die Turnhallenfrage.
Variante zehn, ein zweistöckiger Holzmodulbau auf dem Pausenplatz des Hauptgebäudes, hätte den Vorteil der unmittelbaren Nähe zu den bestehenden Schulräumen. Das erleichtert den Betrieb, verringert Wegzeiten und ermöglicht eine flexible Raumzuteilung. Gleichzeitig ist der Preis hoch: Ein deutlich verkleinerter Pausenplatz und mögliche Konflikte mit der Feuerwehrzufahrt würden den Aussenbereich stark einschränken.
Als langfristig umfassendste Lösung wird Variante vier gehandelt: ein Neubau mit bis zu zehn Klassenzimmern und einer Turnhalle auf dem ehemaligen Werkhof in der Eimatt. Damit wären alle Platzprobleme für lange Zeit gelöst. Doch mit geschätzten 15 bis 17 Millionen Franken Baukosten liegt dieses Projekt weit über dem, was die aktuelle Finanzlage der Gemeinde verkraften könnte – bereits jetzt beträgt die Verschuldung rund 7 Millionen Franken und könnte nach den anstehenden Investitionen und dem erwarteten Minus in der Erfolgsrechnung auf 20 Millionen Franken anwachsen. Lange Planungs- und Bauzeiten würden zudem bedeuten, dass die Raumknappheit noch mehrere Jahre bestehen bleibt.
Der grosse Wurf – und sein Preis
Die übrigen Varianten – darunter ein Anbau an das bestehende Schulhaus (1960er-Jahre-Bau), die Aufstockung der Mehrzweckhalle oder der Umbau der Gemeindeverwaltung – könnten punktuell Entlastung bringen. Doch sie lösen weder das grundlegende Platzproblem noch die Turnhallenthematik vollständig. Manche würden zudem nur wenige zusätzliche Räume schaffen – ein Problem, sollten die Schülerzahlen wie prognostiziert weiter steigen.
Eine Kreisschule wäre finanziell vernünftig, birgt aber politische Risiken und könnte das Profil von Oberdorf als vollständiger Schulstandort verändern. «Ob wir Abschreibungen für einen Neubau tätigen oder ‹Miete› für Schüler in Waldenburg zahlen, macht keinen grossen Unterschied», sagt Grumelli und fügt an: «Bei ersterer Variante haben wir jedoch eigene Räume.»
Alle Varianten haben Vor- und Nachteile, die es abzuwägen gilt. Doch viel Zeit bleibt nicht: Bereits in vier Jahren könnte laut Grumelli der Fall eintreten, dass die Klassenzüge dreifach geführt werden müssen. «Dann reicht der Platz definitiv nicht mehr.» Den Vorwurf, der Gemeinderat hätte früher handeln müssen, lässt er nicht gelten: «Wir wollten ein Container-Provisorium, was jedoch abgelehnt wurde», so der Gemeindepräsident.
Mit dem dringend benötigten Schulraum wächst in Oberdorf der Investitionsstau: Nachdem das Wasserreservoir z‘Hof und die Erneuerung des Kunstrasens von der Stimmbevölkerung abgelehnt wurden, steht bei der Schule eine weitere grössere Investition an. Grumelli ist jedoch überzeugt, dass nicht getätigte Investitionen die Gemeinde auf Dauer teurer zu stehen kommen. Ob er dies der Bevölkerung vermitteln kann, wird das Mitwirkungsverfahren zeigen.