Das Haldenbächli bleibt in der Dole
26.09.2025 Bezirk Sissach, Bauprojekte, Natur, Baselbiet, ThürnenStreit um Gewässerraum beigelegt – Kantonsgericht entscheidet zugunsten der Gemeinde
Grundstückbesitzer reichten gegen den Kanton Beschwerde ein, weil dieser das eingedolte Haldenbächli in Thürnen als Gewässerraum festlegen wollte. Dies hätte ...
Streit um Gewässerraum beigelegt – Kantonsgericht entscheidet zugunsten der Gemeinde
Grundstückbesitzer reichten gegen den Kanton Beschwerde ein, weil dieser das eingedolte Haldenbächli in Thürnen als Gewässerraum festlegen wollte. Dies hätte zukünftig eine Ausdolung in Privatgärten zur Folge gehabt. Das Kantonsgericht gab den Beschwerdeführern recht.
Nikolaos Schär
Das Haldenbächli im Schürrain in Thürnen fristet ein seltsames Dasein. Es entspringt beim alten Wasserreservoir oberhalb der Bauzone, fliesst sporadisch auf der Baulandgrenze unter dem Schürrainweg hindurch, um sich danach wieder oberirdisch durch die Gärten der Reihenhäuser zu schlängeln. Vor den letzten drei Häusern verschwindet es erneut in der Dole und fliesst unter der Erlenstrasse und der Hauptstrasse in den Homburgerbach.
Eine Gruppe von Privateigentümern, vertreten durch die alt Gemeindepräsidenten Ernst Wüthrich (Thürnen) – betroffen als Grundstückseigentümer – und Michael Kunz (Zunzgen) als Rechtsvertreter, wehrte sich gegen die Ausscheidung des Haldenbächlis als Gewässerraum. Der Kanton wies die Mutation des Gewässerraums mit der Begründung ab, die Gemeinde habe beim Verzicht eine ungenügende Interessenabwägung vorgenommen.
Grundsätzlich ist der Kanton verpflichtet, alle offenen Fliessgewässer zu revitalisieren. Dafür scheidet er einen Gewässerraum aus, der als Planungsinstrument eine Bebauung und intensive Nutzung untersagt. Da Siedlungen historisch oft nahe an Fliessgewässern liegen, prallen öffentliche und private Interessen aufeinander: Der Lebensraum für Tiere und Pflanzen steht dem Wunsch der Eigentümer gegenüber, ihr Land effizient zu nutzen. In der Vergangenheit wurden vor allem kleine Bäche korrigiert und eingedolt. Heute ist dies bundesrechtlich untersagt. Wird eine Dole baufällig, muss sie ausgedolt werden. Da eine strikte Auslegung des Gesetzes zu massiven Eingriffen führen würde, erlaubt das Gesetz mittels Interessenabwägung auf die Ausscheidung zu verzichten.
In den Bauzonen, wo das Konfliktrisiko am grössten ist, sind die Gemeinden zuständig. Der Regierungsrat muss den Mutationen zustimmen. Diese Konstellation führt häufig zu Gerichtsfällen – so auch beim Haldenbächli.
Interessen sorgfältig abgewogen?
Die Gemeinde wollte das Haldenbächli nicht als Gewässerraum ausscheiden. Sie bezweifelte, dass es überhaupt ein Gewässer sei, da es zeitweise trockenfalle und nur wegen des Reservoirs existiere. Vor der Überbauung floss das Oberflächenwasser einfach über die Hauptstrasse in den Homburgerbach. Zudem gewichtete die Gemeinde die Siedlungsentwicklung höher. Mehrere unüberbaute Parzellen von Ernst Wüthrich wären von einer Offenlegung betroffen.
Da der Schürrain kein Hochwasserrisiko aufweise, sei der Gewässerraum als Rückhaltebereich nicht nötig.
Auch der potenzielle Nutzen für Natur- und Landschaftsschutz sei nicht gegeben, da das Haldenbächli unterhalb der Erlenstrasse sowieso in der Dole fliesse. Es sei nicht ersichtlich, wie Gewässerlebewesen vom Homburgerbach in den Schürrain gelangen sollten.
Der Kanton hielt die Interessenabwägung für mangelhaft. Die Offenlegung von Gewässern sei von nationalem Interesse und biete grundsätzlich einen ökologischen Mehrwert. Zudem würden Platzverhältnisse und Topografie eine Offenlegung rechtfertigen. Nach dem Augenschein vor Ort legte Daniel Ivanov, der Referent und Vizepräsident Abteilung Verfassungs- und Verwaltungsrecht, die Ansichten der Kantonsrichter dar.
Die Begründung der Gemeinde, es handle sich nicht um ein Gewässer, wies das Gericht zurück. Wie das Haldenbächli entstanden sei, sei unwesentlich – auch künstlich angelegt gelte es als Gewässer. Die laut Kanton mangelhafte Interessenabwägung konnte Ivanov nicht feststellen: «Sie ist zwar nicht perfekt, hat aber genügend Substanz.» Der Kanton habe bei seiner Abweisung nur oberflächlich argumentiert und nicht dargelegt, wie ein ökologischer Mehrwert durch eine Ausdolung entstehen könnte. Zwar müsse eine Ausdolung nicht zwingend erfolgen, wenn der Gewässerraum ausgeschieden werde. Sollte die Dole jedoch baufällig werden, müssten die Eigentümer damit rechnen, hielt Ivanov fest.
Dass die Reihenhausbesitzer fast den ganzen Garten – der Gewässerraum wäre 11 Meter breit – verlieren würden, stehe nicht im Verhältnis zu einem nicht belegten ökologischen Mehrwert. Ivanov beantragte deshalb, die Abweisung der Mutation zur erneuten Beurteilung an den Kanton zurückzuweisen.
Präsident Pascal Leumann hielt fest, dass bei eingedolten, künstlich angelegten und sehr kleinen Gewässern auf einen Gewässerraum verzichtet werden könne, sofern kein übergeordnetes Interesse überwiege. Laut Leumann müsse ein solches Interesse jedoch nachgewiesen, nicht der Verzicht begründet werden.
Der faktische Verlust der Gärten auf den kleinen Parzellen unterhalb des Schürrainwegs würde zudem dem übergeordneten Interesse einer Verdichtung im Siedlungsgebiet widersprechen, betonte Leumann. Die Gemeinde habe klar aufgezeigt, dass sie den Schürrain für die Siedlungsentwicklung nutzen wolle. Eine Offenlegung des Haldenbächlis stehe diesen Bestrebungen entgegen.
Auch der bereits offen geführte Teil des Haldenbächlis auf Kantonsland – der gemäss der Bau- und Umweltschutzdirektion in dieser Form heute nicht mehr realisiert würde – zeige, wie einschneidend eine Offenlegung wäre. Präsident Pascal Leumann stellte deshalb den Antrag, dass das Kantonsgericht die Interessenabwägung gleich selbst vornehme und die Mutation für gültig erkläre. Die anderen Richter schlossen sich an. Mit 4 zu 1 Stimmen stimmte das Kantonsgericht den Beschwerdeführern zu und erklärte die Mutation des Gewässerraums für rechtsgültig. Damit muss die Gemeinde Thürnen das Haldenbächli nicht in den Gewässerraum aufnehmen, und die Eigentümer erwarten keine zusätzlichen Auflagen. Sollte der Kanton den Fall nicht weiterziehen – was angesichts des klaren Entscheids eher unwahrscheinlich ist – geht für die Gemeinde Thürnen ein mehr als fünf Jahre dauernder Prozess zu Ende.