Botschafterin für Klima und junge Menschen
12.11.2024 Bezirk Sissach, Energie/Umwelt, Gelterkinden, Gesellschaft, Natur, BaselbietMarie-Claire Graf ist als Delegierte der Vereinten Nationen an der Konferenz in Baku
Aus dem beschaulichen Gelterkinden hat es die 28-jährige Marie-Claire Graf zu einer einflussreichen Delegierten der UNO für das Klima geschafft. Aktuell weibelt sie für ihre Anliegen an ...
Marie-Claire Graf ist als Delegierte der Vereinten Nationen an der Konferenz in Baku
Aus dem beschaulichen Gelterkinden hat es die 28-jährige Marie-Claire Graf zu einer einflussreichen Delegierten der UNO für das Klima geschafft. Aktuell weibelt sie für ihre Anliegen an der Weltklimakonferenz COP29 in Baku.
Tobias Gfeller
Wenn in den kommenden Tagen Zehntausende Menschen aus aller Welt in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan, zusammenkommen, befindet sich eine engagierte Frau aus Gelterkinden darunter. Seit zwei Jahren amtet Marie-Claire Graf als UN-Delegierte für das Klima. Die 28-Jährige nimmt in ihrer Funktion an Verhandlungen teil, trifft Staatschefs sowie UNO-Generalsekretär António Guterres und weibelt dabei stets für die Sache des Klimas und der jungen Menschen.
Aus der engagierten und teilweise lauten Klimakämpferin ist längst eine geschickte Diplomatin geworden, die weiss, welche Worte und Gesten sie einsetzen muss, damit sie ihren Zielen dienlich sind. Nicht immer kann sie dabei sagen, was sie wirklich denkt. Diplomatie heisst auch, das Richtige im richtigen Moment zu sagen, und nicht nur das, was man gerade möchte oder fühlt. «Konferenzen werden nur zum Erfolg, wenn ein minimaler Konsens gefunden wird», betont Marie-Claire Graf.
Schon als Kind wahrgenommen
Zehntausende Menschen in wenigen Tagen in einer Grossstadt ist eigentlich nicht die Vorstellung, wie Graf gerne Zeit verbringt. Sie mag es lieber beschaulich und ländlich, am liebsten in den Schweizer Bergen. Deshalb sei das Heimkommen nach Gelterkinden immer besonders schön. Aus ihrer Heimatgemeinde und aus den Bergen, wo die Familie einst in Braunwald eine Ferienwohnung hatte, kommen ihre Inspirationen für den Kampf gegen die Klimakrise. «Schon als Kind habe ich die Veränderungen in Natur und Umwelt wahrgenommen und gefragt, was man tun kann.» Zu Beginn waren es bei der damals noch jungen Marie-Claire das zuverlässige Lichtund Wasserabstellen. Heute sind es die ganz grossen Themen, die auf der ganzen Welt spielen. Klimaveränderung, Biodiversität und Landrechte sind die Kernthemen ihres Engagements. Einfache Antworten gibt es darauf längst nicht mehr.
Trotz der Verhandlungen mit Menschen aus der ganzen Welt vergisst Marie-Claire Graf ihre Herkunft nicht. Es geht ihr immer auch darum, zu zeigen, dass man im Kleinen viel bewirken kann. «Es bringt nichts zu sagen, die Anstrengungen von einem selber bringen nichts, weil der Nachbar nicht darauf achtet. Wir alle können etwas tun, im Kleinen und Grossen: Private, Unternehmen, Gemeinden, Kantone, Nationen und eben die ganze Welt», so Graf.
Marie-Claire Graf besuchte das Gymnasium Liestal und war Mitglied im Jugendrat Baselland. Trotz vorhandener Kontakte und inhaltlicher Übereinstimmungen zog es die Gelterkinderin nicht in die klassische Politik im Baselbiet, sondern zu internationalen Netzwerken. 2019 wurde sie vom Schweizer Aussendepartement zur Klimaverhandlerin für junge Menschen ernannt, bevor sie im Jahr 2022 zur UNO-Delegierten wurde. Sie durfte die Interessen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen einbringen. «Ich war des Öfteren die einzige junge Person im Raum, was mir gar nicht gefallen hat.» Das Engagement der Baselbieterin geht zeitlich weiter zurück als die «Fridays for Future»-Bewegung. Bei diesen war Graf an vorderster Front mit dabei. Der «Blick» bezeichnete sie einst als die «Schweizer Greta».
Marie-Claire Graf hat sich zum Ziel gesetzt, dass dies für die nächste Generation von engagierten Menschen anders sein wird. Sie initiierte und baute eine weltweit tätige Akademie mit auf, in der junge Menschen zu Verhandlerinnen und Verhandlern ausgebildet werden. Bisher wurden 400 Personen aus 80 Ländern ausgebildet. «Es geht darum, dass man diese Menschen ermutigt und miteinbezieht», erklärt Graf. Mit ihrer starken Stimme ist die Baselbieterin für diese junge Menschen automatisch ein Vorbild. «Ich will anderen Menschen Türen öffnen, die ihnen bisher verschlossen sind.»
Hohe Frustrationstoleranz nötig
Ihre Tätigkeit ist für Marie-Claire Graf auch immer mit Frust verbunden. Frust darüber, dass es ihrer Meinung nach zu langsam vorwärts geht und dass gewisse Staaten gar keine Anstrengungen unternehmen. «Ja, es braucht manchmal eine hohe Frustrationstoleranz», schmunzelt Graf. «Man muss dann auch verstehen, weshalb gewisse Länder so agieren.»
Mit dem eigenen Gewissen komme sie in Konflikt, wenn sie mit dem Flugzeug unterwegs ist oder an den emissionsintensiven Konferenzen teilnimmt. «Es sind halt keine Ferien. Ich arbeite da. Ich tue es für die Sache, nicht für den Spass.» Dass es vorkommt, dass auf dem jeweiligen Konferenzareal der UNO andere Regeln gelten als sonst im Land, bereitet Marie-Claire Graf genauso Mühe. Während in Saudi-Arabien grundsätzlich Demonstrationen verboten sind, durfte im vergangenen Jahr an der Weltklimakonferenz auf dem Areal demonstriert werden, erzählt Graf. Auch durften sich Frauen auf dem Konferenzareal ganz anders kleiden als im Land sonst üblich.
Als Schweizerin privilegiert
Ihre Motivation für ihre Arbeit nimmt Marie-Claire Graf aus dem festen Glauben heraus, etwas bewirken zu können. Sie spricht zwar vom «Tropfen auf den heissen Stein», aber ist von der Möglichkeit überzeugt, trotz des fortgeschrittenen Klimawandels den Rank doch noch zu schaffen. «Als Schweizerin bin ich privilegiert und habe auch eine Verantwortung, entsprechend zu handeln. Was soll ich denn sonst meinen eigenen Kindern und allgemein den Generationen nach mir sagen, wenn ich gar nichts unternommen habe?» Marie-Claire Graf möchte für andere Menschen eine Inspiration sein. Auf ihrer Website bezeichnet sich die 28-Jährige als «globale Veränderin».
Für ihr Engagement hat Marie-Claire Graf schon mehrere Auszeichnungen erhalten. Gefragt nach den ihrer Meinung nach wichtigsten Massnahmen, die global ergriffen werden müssten, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: CO2-Emmissionen senken, die Anpassung der Menschheit an die steigenden Temperaturen und die Finanzierung der dabei nötigen Massnahmen. Und welche Länder welche Bereiche stemmen müssen.
Bei all den globalen Themen müsse sie immer darauf achten, nicht zu vergessen, was sie und andere im Kleinen tun können. «Es besteht schon die Gefahr, sich selber zu vergessen, wenn man global arbeitet. Man darf aber nicht auf andere schauen, man muss selber aktiv werden.»