AUSGEFRAGT | FABIENNE BALLMER, PRÄSIDENTIN GASTRO BASELLAND
28.02.2025 Persönlich, Finanzen, Baselbiet, Gastronomie«Die Preise sind teilweise noch zu tief»
Mit der Fasnacht steht für die Restaurants und Beizen im Baselbiet eine wichtige Zeit für guten Umsatz bevor. Fabienne Ballmer, Präsidentin von Gastro Baselland, im Gespräch über ...
«Die Preise sind teilweise noch zu tief»
Mit der Fasnacht steht für die Restaurants und Beizen im Baselbiet eine wichtige Zeit für guten Umsatz bevor. Fabienne Ballmer, Präsidentin von Gastro Baselland, im Gespräch über Veränderungen, Herausforderungen und Trends der hiesigen Gastrobranche.
Marianne Ingold
Frau Ballmer, wie hat sich die in den vergangenen 20 Jahren verändert?
Fabienne Ballmer: Es gab in dieser Zeit einen enormen Wandel. Die klassische Dorfbeiz zum Beispiel gibt es nicht mehr. Früher war sie am Feierabend voll, es wurde gelacht, jeder hatte sein Bier vor sich und man konnte noch rauchen. Das ist heute vorbei. Über Mittag holen heute viele etwas beim Take-away, weil sie wenig Zeit haben. Die Lokale verkaufen weniger Mittagsmenüs. Take-away kann aber auch eine Chance sein für konventionelle Betriebe.
Was sind heute die grössten Herausforderungen?
Die Fixkosten sind seit Corona extrem gestiegen: vor allem für die Energie, aber auch für die Lebensmittel. Alles ist teurer geworden. Trotzdem sind die Preise in der Gastronomie teilweise noch zu tief, weil die Kundschaft manchmal nicht ganz versteht, was alles dahintersteckt. Wenn das Mehl im Laden etwas teurer geworden ist, fällt das vielen nicht auf. Im Restaurant ist die Preissensibilität wesentlich grösser. Da sitzen meistens mehrere Leute zusammen, und dann wird über den Preis diskutiert wie über das Wetter. Die Gault-Millau-Restaurants haben damit weniger ein Problem als Lokale, die sich an ein breites Publikum richten.
Was braucht es, um unter diesen Umständen erfolgreich zu wirten?
Es kommt darauf an, um welche Art von Betrieb es sich handelt – ein Patentrezept gibt es nicht. Einen grösseren Einfluss als die Lage haben Faktoren, die man nicht sehen und messen kann. Ganz wichtig ist die Gastgeberpersönlichkeit: eine Person, die anzieht und die Menschen versteht, zu der man gerne geht. Es braucht Gastgeber, die ihr Herz hineinlegen. Dann braucht es Investitionen, denn ein Lokal kann man in der Regel nicht eins zu eins übernehmen. Für das, was heute gefragt ist, müssen die Pächter oft Anpassungen im Betrieb vornehmen. Ein finanzielles Polster ist deshalb das A und O. Eine Grundregel lautet: Man muss mindestens drei Monate, besser noch ein halbes Jahr Löhne und Fixkosten zahlen können, ohne dass man einen Franken einnimmt. Das sage ich allen. Dann schauen mich viele mit grossen Augen an.
Man braucht also auch ein Verständnis für die Finanzen.
Ja, ich halte fest an einer gewissen betriebswirtschaftlichen Minimalausbildung. Die Finanzen kann man zwar auslagern. Doch wenn man selber keine Milchbüchleinrechnung machen kann, muss man es sein lassen. Ein Gastronom ist heutzutage ein Unternehmer. Da gehört rechnen dazu, aber auch analysieren, Konzepte machen und sich weiterbilden. Ganz wichtig ist auch, die eigenen Fähigkeiten realistisch einzuschätzen: mehr Mut zu sich selber, das machen, was man kann, und nicht etwas machen wollen, was man nicht kann.
Wie sieht es aus, wenn ein Lokal viele Wechsel hinter sich hat?
Wenn ein Lokal häufige Mieterwechsel hatte und sein Ruf darunter gelitten hat, braucht es doppelt so lange, um es wieder zum Erfolg zu bringen – oder doppelt so viele Investitionen, oder doppelt so viel Herz, das man hineinlegt. Man muss dann einen Schnitt machen und ein neues Konzept umsetzen. Dabei ist weniger oft mehr. Aber man muss sich überlegen: Passe ich dorthin? Und man muss auch schauen, was rundherum läuft.
Welche Trends sind heute in der Gastronomie zu beobachten?
Ein Megatrend ist Gesundheit. Den muss die Gastronomie aufnehmen – was nicht heisst, dass ihn alle aufnehmen müssen. Es gehört aber dazu, dass man kreativ und offen ist, wenn jemand ein alkoholfreies Getränk möchte. Nachhaltigkeit hat ebenfalls einen grossen Einfluss. Wichtig ist auch das Visuelle: Was man in den Sozialen Medien aus Trendstädten wie Zürich, Genf, Bern oder Basel vorgezeigt bekommt, was einen inspiriert, das hat man im Kopf und das will man auch. Aber auch traditionelle Betriebe funktionieren noch und man trifft sich dort. Gewisse Bedürfnisse bleiben, zum Beispiel das Zusammensein beim Apéro. Nur geht man dafür heute nicht mehr in die Dorfbeiz, sondern in die Agglomeration oder eben «ins Stedtli». Da hat Liestal eine grosse Chance – Sissach beweist es ebenfalls.
Wie steht es aktuell um die Gastronomie im Baselbiet und speziell in Liestal?
Die Gastronomie im Kanton Baselland ist wahnsinnig toll. Es gibt grossartige Lokale und eine grosse Vielfalt. Das gilt auch für Liestal, das viel Diversität und Qualität im Angebot hat, die man vielleicht zu wenig sieht. Wir aus der Region dürfen wirklich nach Liestal gehen.