400 bis 800 Pendler zu viel
22.10.2020 Bezirk Sissach, Verkehr, Gelterkinden, SissachRegierung beantwortet Postulat zur Verkehrsüberlastung
Um den Verkehr zwischen Gelterkinden und Sissach zu verflüssigen, setzt der Regierungsrat auf eine Verlagerung aufs Velo und auf den öV. Kostspielige bauliche Massnahmen wie eine Umfahrung hält er für ...
Regierung beantwortet Postulat zur Verkehrsüberlastung
Um den Verkehr zwischen Gelterkinden und Sissach zu verflüssigen, setzt der Regierungsrat auf eine Verlagerung aufs Velo und auf den öV. Kostspielige bauliche Massnahmen wie eine Umfahrung hält er für unverhältnismässig.
Christian Horisberger
Mit einem Fingerschnippen bringt man die täglichen Staus zwischen Gelterkinden und Sissach während der Pendlerzeiten nicht zum Verschwinden. Dies zeigt sich im Bericht der Regierung zur Verkehrsüberlastung zwischen dem Roseneck-Kreisel und dem Chienbergtunnel.
Laut dem vorige Woche veröffentlichten Bericht zum Postulat von FDP-Landrat Stefan Degen (Gelterkinden) wird das Strassenverkehrsvolumen im oberen Ergolztal in Zukunft nur leicht zunehmen: Bis in 20 Jahren rechnen die Experten des Kantons mit einem weiteren Plus von lediglich 5 bis maximal 10 Prozent.
Eine unterirdische Umfahrung von Teilen Gelterkindens und von Böckten erachtet die Regierung mit Blick auf die noch prekärere Verkehrssituation in den Agglomerationsgemeinden als unverhältnismässig. Ganz abgesehen davon wären im Bereich Roseneck, dem einzig denkbaren Anschlusspunkt für eine Umfahrung, die Platzverhältnisse für ein Tunnelportal gar nicht gegeben, heisst es im Bericht.
Beim Kreisel Roseneck sei es schwierig, eine «einfache Lösung» zu finden, um mehr Kapazität zu schaffen. Bauliche Eingriffe würden durch das Umfeld erschwert. Denkbar wären solche hingegen beim Knoten Sissach Ost (Tunnelportal Böckter Seite). Ebenfalls als «denkbar» taxiert der Regierungsrat punktuelle Massnahmen, welche die Zahl der Störungen reduzieren (beispielsweise Abbiegestreifen für Linksabbieger) oder das Einbiegen aus Quartierstrassen vereinfachen.
Verkehrsspitzen brechen
Statt kostspieliger Massnahmen zielt der Regierungsrat aber eher auf eine Verlagerung eines Teils des Strassenverkehrs ab. Denn die Staus beschränkten sich auf täglich zwei Stunden am Morgen (von 6 bis 8 Uhr) und am Abend (von 16 bis 18 Uhr). Die Spitzenstunden sollen gebrochen werden: Mit einer Reduktion von 400 bis 800 Fahrzeugen täglich – das sind weniger als 5 Prozent des Tagesverkehrs – wäre das Verkehrsaufkommen auf einem Niveau, «das eine vernünftige Abwicklung erlaubt», heisst es im Bericht.
Die Verkehrsspitzen liessen sich brechen, wenn ein Teil der Autopendler ausserhalb der Stosszeiten zur Arbeit oder nach Hause fahren, in den Zug steigen oder sich aufs E-Bike setzen würden. Gelterkinden hat laut einer Verkehrsnachfrage-Analyse von 2018 ein Potenzial von 120 Umsteigern auf den öV, Sissach von 150. Die Park+Ride-Anlagen beider Dörfer seien nur zur Hälfte ausgelastet. Weitere Chancen berge Bike+Ride. Dank Stromantrieb seien längere Distanzen eine immer kleinere Hürde fürs Umsatteln aufs Velo. Die Kapazität der Radroute Gelterkinden-Sissach wird auf bis zu 2000 Velofahrer täglich geschätzt.
Im Weiteren regt der Regierungsrat bei den involvierten Gemeinden an, ein regionales Verkehrsmanagement einzurichten, um den Verkehr auf den Hauptachsen gezielt zu steuern – allenfalls mithilfe von Dosierungsanlagen.
Bericht oberflächlich
Stefan Degen ist mit dem Bericht zu seinem Vorstoss von Anfang 2019 nur teilweise zufrieden. Dessen Vielseitigkeit freue ihn, die Oberflächlichkeit sei aber ernüchternd, sagt er auf Anfrage. «Ich hatte keine Umfahrung erwartet und auch keinen Umbau des Kreisels Roseneck», so Degen, dennoch habe er sich etwas Konkretes versprochen.
Bei den Kreiseln vor dem Chienbergtunnel zum Beispiel liesse sich mit relativ einfachen Mitteln etwas bewirken, ist er überzeugt. Auch ein Abbiegeverbot in Richtung Thürnen bei der «Schwarzen Brücke» sei für ihn denkbar. Im Bericht aber stehe nichts Näheres darüber, welche Massnahmen wo getroffen werden könnten, um das Optimum aus der Strasse herauszuholen. Für ein deutlich mit 51:30 Stimmen überwiesenes Postulat sei das eine etwas magere Ausbeute, findet Degen.
Volle Züge kein Anreiz
Ansonsten ist der Landrat und Gemeinderat mit der Stossrichtung des Regierungsrats einverstanden. Im Velo sehe er ebenfalls Potenzial. Dass die vollen Züge ein Anreiz sind, von der Strasse auf die Schiene zu wechseln, bezweifelt er hingegen. Betreffend Verkehrsmanagement will Degen die Anregung aufnehmen und das Thema in den Verein Region Oberbaselbiet einbringen. Allerdings wäre er auch hier froh gewesen, wenn der Bericht mehr in die Tiefe gegangen wäre. Denn «anders als der Kanton haben die Gemeinden keine eigenenVerkehrsplanungsabteilungen».
Wann der Landrat den Bericht zu Degens Postulat beraten wird, ist offen. Der Regierungsrat beantragt Abschreibung. Degen wird sich dagegen aller Voraussicht nach nicht wehren. Allenfalls werde er einen weiteren Vorstoss lancieren, mit dem er konkrete Massnahmen zur Verflüssigung des Verkehrs verlangt.