Wenn sich Hartnäckigkeit auszahlt
09.05.2019 Bezirk Sissach, Böckten, Porträt, NaturMartin Furter – Anwalt der Natur
Nach 22 Jahren als Präsident des Vereins Edelchrüsler tritt der Böckter Martin Furter ab. Zeit, um auf ein bewegtes Leben zurückzuschauen. Ein Leben, in dem immer der Kampf um die Erhaltung der Natur und der Landschaft im Vordergrund gestanden ...
Martin Furter – Anwalt der Natur
Nach 22 Jahren als Präsident des Vereins Edelchrüsler tritt der Böckter Martin Furter ab. Zeit, um auf ein bewegtes Leben zurückzuschauen. Ein Leben, in dem immer der Kampf um die Erhaltung der Natur und der Landschaft im Vordergrund gestanden hat.
Heiner Oberer
Doppelter Prinzenapfel. Chrozula. Schoggiapfel. Das sind nur drei der 206 Obstsorten, die der Verein Edelchrüsler (siehe Kasten) an zehn Standorten im Baselbiet betreut. Abgeleitet ist der Vereinsname von der alten Baselbieter Apfelsorte Edelchrüsler. Seit der Gründung vor 22 Jahren steht der Böckter Geograf und Biologe Martin Furter (67) dem Verein als Präsident vor. Für ihn sind alte Obstsorten Ausdruck unseres kulturellen Erbes und müssen geschützt werden.
An der kommenden Generalversammlung anfangs Mai gibt Furter sein Amt in die Hände von Caroline Rahn. «Ich denke, wir haben einiges bewirkt und der Zeitpunkt ist ideal, ins zweite Glied zurückzutreten», sagt der überzeugte Naturschützer. Wir sitzen in der Pergola im Garten hinter Furters Wohnhaus. Ein Bauernhaus seiner Grosseltern, erbaut im Jahre 1643, das er zusammen mit seiner Ehefrau Rita Moll Furter umgebaut und renoviert hat.
Der Gastgeber hat Süssmost ausgeschenkt. Eine Cuvée aus 15 verschiedenen Obstsorten von Furters eigenen Hochstammbäumen. Gepresst werden die Äpfel von Hand auf einer über 140-jährigen Mostpresse. Sterilisiert wird der abgepresste Saft über dem offenen Feuer. Was bedeutet Natur für Martin Furter? Er überlegt lange. «Natur ist für mich die Welt, in der wir leben. Existenz, die wir auf verschiedene Art und Weise beanspruchen.» Etwas Existenzberechtigtes in allen Beziehungen. Er könne sich der Natur nicht entziehen. Darum sei er immer bestrebt gewesen, einen Beitrag zu leisten gegen das, was die Menschen der Natur täglich antun.
Fast 800 Bannsteine katalogisiert
Aufgewachsen ist Martin Furter an der Entenweidstrasse beim Kannenfeldplatz in Basel. «Ich musste im Schrebergarten meiner Eltern beim Jäten helfen.» Die Sonntagsausflüge führten ihn zusammen mit der Familie aufs «Blätzli« in der Nähe des Eigenhofs nach Grellingen. Ein idyllischer Picknickplatz umrandet von einem Steinmäuerchen. «Vielleicht ist dort meine Liebe zur Natur entstanden», erzählt er. Trotz seines unüberhörbaren Basler Dialekts ist Martin Furter in Böckten stark verwurzelt. Das schmale Haus, in dem er heute wohnt, hat er von seinen Vorfahren erstanden. Als Basler Bürger mit Baselbieter Wurzeln habe er angefangen, sich von den Gemeindegrenzen, der Landschaftsplanung und der anschliessenden Bauernhausforschung in den Kern vorzuarbeiten. Quasi von aussen nach innen.
Angefangen hat Furter ganz unspektakulär mit einer kaufmännischen Ausbildung. Nach einem Jahr als Buchhalter in einem Hotel in St. Moritz sei ihm aber klar geworden, dass das wohl nicht der Beruf ist, den er bis zu seiner Pension ausüben möchte. Es folgte die Matur und anschliessend ein Studium an der Uni Basel in Geografie und Biologie. «Die Idee, Lehrer zu werden, war immer im Hinterkopf», erinnert er sich. Sechs Jahre unterrichtete er an der Handelsschule Biologie und Geografie. Dann orientierte er sich neu und eröffnete in Böckten ein Büro für Raumplanung und Umweltschutzberatung. Schon bald schloss er sich mit einem Berufskollegen zusammen. «Nach ein paar Jahren haben wir uns getrennt. Mein Partner war zu mehr Kompromissen bereit als ich.»
Seit über 30 Jahren setzt sich Furter für die Naturwerte ein. Als Doktorand erstellte er im Auftrag der Kantonalen Denkmalpflege das Inventar historischer Grenzsteine des Baselbiets. Dafür hat er jede der 73 Gemeindegrenzen des alten Kantonsteils zweimal abgeschritten und gegen 800 Grenzsteine fotografiert und katalogisiert. Ein Banntägler der etwas anderen Sorte. Weg von den Grenzen hat Furter bei über 40 kommunalen Landschaftsplanungen mitgewirkt und später im Auftrag der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde die Baselbieter Bauernhausforschung betrieben. «Dank der zahlreichen Bannumgänge kenne ich das Baselbiet in- und auswendig», sagt er.
Twike-Fahrer der ersten Stunde
Seine Arbeit hat bei ihm früh das Interesse am Natur- und Landschaftsschutz geweckt. Zehn Jahre engagierte er sich im Vorstand des Baselbieter Natur- und Vogelschutzverbands (BNV). Er verfasste unzählige Stellungnahmen und führte zahlreiche Verhandlungen und wurde so zum Anwalt der Natur. Er setzte sich für den ökologischen Ausgleich in der Landwirtschaft ein, lange bevor der Kanton in dieser Sache aktiv geworden ist. 1985 unterzeichnete er zusammen mit Kurt Mohler den ersten Vertrag zum Schutz von Hochstammobstbäumen in Eptingen und parallel dazu mit Pro Natura Baselland einen ersten Magerwiesenvertrag.
Im Auftrag der schweizerischen Naturschutzverbände setzte er sich erfolgreich für die Berücksichtigung der ökologischen Anliegen beim Bau der Bahn 2000 und der Neat ein. «Fahre ich heute mit der Bahn durchs Mittelland, merke ich immer wieder, dass mein Einsatz für die Natur nicht vergebens war.»
Bei der Expo.02 erwirkte er vor Bundesgericht die Schonung der Ufer der Grande Cariçaie am Neuenburgersee vor den geplanten Katamaran-Booten. Stattdessen kommen anlässlich der Expo.02 Solarboote zum Einsatz. Auch in Sachen Umfahrung Sissach geht Furter bis vor Bundesgericht. Als alle Umweltschutzverbände bereits aufgegeben hatten, erreichte er als betroffener Landeigentümer, dass ökologische Ersatzmassnahmen für die Zerstörung durch die Umfahrung Sissach umgesetzt werden. Das bedeutet, dass die Ergolz zwischen Böckten und Sissach renaturiert wird.
2011 erhielt Furter den Naturschutzpreis von Pro Natura Baselland. Urs Chrétien, damaliger Geschäftsführer von Pro Natura, charakterisierte den Preisträger an der Zeremonie unter anderem wie folgt: «Martin Furter kann hartnäckig sein, sehr hartnäckig sogar. Und diese Hartnäckigkeit kommt der Natur und Landschaft zu Gute.» Es brauche eine gewisse Hartnäckigkeit, ist Furter überzeugt. Nur so komme man zu Kompromissen: «Begründen. Was im Gesetz steht umsetzen und konsequent durchziehen. Das war meine Hartnäckigkeit.» Offenbar ein sinnvolles Konzept, fügt er an.
Sein Engagement sei nicht überall gleich gut angekommen – natürlich nicht. «Es braucht viel Energie und Kraft, um immer wieder zu opponieren», sagt er. Mit seiner Ehefrau Rita, Tierärztin und langjährige Geschäftsführerin der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, mit der er seit 43 Jahren zusammenlebt, habe er die ideale Partnerin, die ihn in seiner Arbeit stets unterstützt habe. «Es gab Zeiten, da hatten andere Sachen wenig Platz. Der Schutz der Natur und der Landschaft stand immer im Vordergrund.»
Jetzt bleibt mehr Zeit für die anderen Sachen. Furters 40 Hochstammbäume müssen gepflegt werden. Dabei geht er auch auf Mäusejagd, um seine Lieblinge vor den hungrigen Nagern zu schützen. Steht die Ernte an, geht es los mit der Produktion von Süssmost, dem Dörren von Früchten und dem Einkochen zu Konfitüre.
Konkrete Pläne für die Zukunft habe er keine, sagt der passionierte Twike-Fahrer. «Ich bin das Projekt.» Zudem sei er immer noch Mitglied in der Kantonalen Kommission Quellen und Forschung.
«S Ölfi-Glöggli» vom nahen Schulhaus, von Furter mit einen schiefen Lächeln quittiert, mahnt zum Abschied. «So», sagt er, «jetzt muss noch der spanische Rippenmolch gefüttert werden, den ich seit 42 Jahren hege und pflege.» Schnell ein Blick zum Himmel, wo ein Rotmilan seine Kreise zieht. Zufrieden nickt Martin Furter dem Greifvogel zu. So, als hätte er einen Freund gegrüsst.
Verein Edelchrüsler – eine Erfolgsgeschichte
hob. Im Jahr 1990 initiierte der Baselbieter Natur- und Vogelschutzverband in Zusammenarbeit mit Pro Natura Baselland und dem Baselbieter Obstverband eine Obstsortenausstellung. Aus dieser heraus entwickelten die Partner das Konzept der Obstsortensammlung. 1993 erfolgte der Startschuss zur Umsetzung des Konzepts «Obstsortensammlung» in Reigoldswil. Mit der Pflanzung des ersten Baums, einem Edelchrüsler, wurde das Ziel verfolgt, 400 Hochstammbäume aus 200 alten und einheimischen Sorten auf verschiedenen Parzellen im Baselbiet zu kultivieren. Vier Jahre später war nach vielen Gesprächen mit Landbesitzern und Bewirtschaftern das Ziel erreicht. An zehn Orten konnten Bewirtschaftungsvereinbarungen abgeschlossen werden: 206 Obstsorten erhielten einen gesicherten Standort. Um die Pflege der neuen Sortengärten und die Beratung der Landwirtschafter sicherzustellen, wurde im Jahr 1997 der Verein Edelchrüsler gegründet.