Wo Vieh im Wald weidet
11.04.2024 Bezirk Waldenburg, Langenbruck, Energie/Umwelt, Gesellschaft, NaturWas früher gang und gäbe war und dann verboten wurde, erlebt ein eigentliches Revival. Neu weiden Rinder in ausgelichteten Waldpartien am «Dürstel» bei Langenbruck.
Elmar Gächter
Weiden im Wald ist grundsätzlich untersagt, ...
Was früher gang und gäbe war und dann verboten wurde, erlebt ein eigentliches Revival. Neu weiden Rinder in ausgelichteten Waldpartien am «Dürstel» bei Langenbruck.
Elmar Gächter
Weiden im Wald ist grundsätzlich untersagt, und Zäune im Wald und am Waldrand zu stellen, ebenso. So bewegt sich der Forstbetrieb Frenkentäler eigentlich ausserhalb der Legalität, wenn er mit seinem neuen Projekt just das eigentlich Verbotene praktiziert und dies erst noch öffentlich macht. Doch was so illegal tönt, ist alles behördlich abgesprochen und bewilligt. Dies mit dem primären Ziel, mit dem Auslichten von Waldrändern und dem Ausdehnen der Weidefläche in den Wald die Biodiversität zu fördern.
Neu ist das Beweiden des Waldes nicht, denn vor Jahrzehnten war dies in der Schweiz gang und gäbe, bis die Übernutzung zu einem Totalverbot führte. Doch diese Zeiten sind angesichts der Tatsache, dass sich der Schweizer Wald jährlich um die Fläche des Murtensees ausbreitet, längst passé. Dies gilt vor allem auch für das Gebiet beim «Dürstel» in Langenbruck, einem der grössten geschützten Totalreservate im Baselbiet, wo ein ganzer Hügelzug forstwirtschaftlich nicht mehr erschlossen ist und die Natur wie im Nationalpark sich selber überlassen bleibt. Oder sagen wir fast. Denn für den Forstbetrieb Frenkentäler ist das Übergangsgebiet zwischen Offenland und Wald wie geschaffen, um es an den Rändern ökologisch aufzuwerten.
«Normalerweise werten wir Waldränder auf der Jura-Südseite auf. Hier in den ‹Erzenbergrüttenen› in Langenbruck in der Nähe des ‹Dürstels› wenden wir uns jedoch den nordexponierten Hanglagen zu, wo weniger Licht hinkommt und die Hitzetage aufgrund des Klimawandels laufend zunehmen», sagt Simon Tschendlik, Co-Geschäftsführer des Forstbetriebs Frenkentäler. Zusammen mit Pro Natura, den Waldeigentümern und der Umwelt- und Naturschutzkommission Langenbruck ist ein Projekt gestartet worden, das etappiert dereinst mehr als 20 Hektaren Waldland umfassen soll, um es mit Vieh, Schafen oder Ziegen zu beweiden. Anstelle des extrem scharfen Übergangs zwischen Offenland und Wald soll ein harmonisch verzahnter Waldrand entstehen.
Ein erster Schritt war das Auslichten des Waldrands im Februar vergangenen Jahres, der im Vordergrund halbhohe Strauch- und Baumarten aufweist und dessen Bestand mit zukunftsträchtigen Bäumen wie Birken, Aspen, Berberitzen oder Schwarzund Weissdorn erst im Abstand von 30 Metern beginnt. «Diese Weichen für die nächsten 50 bis 100 Jahre wollen wir jetzt stellen», sagt Tschendlik weiter.
Gezielter Waldaufbau
Projektförster Andreas Sager betont, dass man die gewünschte Verzahnung nicht mit mechanisiertem Mähen erreicht, sondern der gezielte Waldaufbau nur mit Motorsäge und Freischneider möglich ist. Zudem brauche es eine Nachpflege im Dreijahresturnus. «Ist dieser Zustand durch manuelles Eingreifen erreicht, kann man den Waldrand den Kühen, Schafen oder Ziegen überlassen. Sie sorgen dafür, dass die stark wachsenden Pflanzen wie Haselstauden abgefressen und sich Berberitze oder Schwarzdorn behaupten können», hält Sager fest. Dies sei jedoch nur möglich, wenn für die Beweidung Landwirtinnen und Landwirte gefunden werden könnten, die ihre Tiere im Wald weiden lassen.
Zu ihnen zählt Miriam Singer. Die gelernte Landwirtin führt den Hof Vorder Dürstel in Langenbruck als konventionellen Betrieb mit Milchwirtschaft. Ihre Rinder sömmern auf einer Waldweide von rund fünf Hektaren. «Das Projekt bedeutet für mich Mehraufwand, vor allem mit dem zusätzlichen Hagen im Wald. Ich finde das Vorhaben jedoch sympathisch und bin neugierig, wie es sich entwickelt und auf die Natur auswirkt», sagt sie auf Anfrage. Wichtig sei ihr, dass ihre Tiere genügend Schatten und Rückzugsorte bei Gewittern und Hagel hätten. Ob sie die zusätzliche Weidefläche für Direktzahlungen anmelde, lässt Singer derweil noch offen.
«Wir wollen nicht alles beweiden, aber mit unserem Pilotprojekt beweisen, dass es funktioniert», sagt Simon Tschendlik. Man müsse sich jedoch stets die Frage stellen, wo es Sinn macht und wo nicht. Dort einzuzäunen, wo ein Wildwechsel stattfinde oder wo Bodenschäden entstehen könnten, sei wenig sinnvoll. Der ökologische Nutzen müsse stets überwiegen. Die bisherigen Erfolge überzeugten: Kein Unterwuchs, keine Ausbreitung von Brombeeren; die Rinder nutzten die neu geschaffene Waldweide gerne und die neu angelegten Kleinstrukturen entlang des Waldrands würden bereits von Vögeln und Kleinsäugern genutzt.