«Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen»
22.05.2024 Schweiz, Medien, Finanzen, Gesellschaft, BaselbietDaniela Schneeberger wird «oberste Detailhändlerin»
Morgen wird die Swiss Retail Federation, der Verband der Detailunternehmen, eine neue Präsidentin wählen. Die FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger wird zur Wahl vorgeschlagen. Im Interview sagt die ...
Daniela Schneeberger wird «oberste Detailhändlerin»
Morgen wird die Swiss Retail Federation, der Verband der Detailunternehmen, eine neue Präsidentin wählen. Die FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger wird zur Wahl vorgeschlagen. Im Interview sagt die Thürnerin, wie der Schweizer Detailhandel der ausländischen Konkurrenz die Stirn bieten kann.
Melanie Frei
Frau Schneeberger, welche Massnahmen unterstützen Sie, um die Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Detailhandels zu fördern?
Daniela Schneeberger: Der Schweizer Detailhandel ist trotz der hohen Kosten in unserem Land bereits sehr wettbewerbsfähig. Zusätzliche belastende Regulierungen einzuführen wäre töricht, weil diese die Branche vor allem belasten, aber wenig Nutzen bringen. Beispiele sind weitere Deklarationsvorschriften, Verkaufseinschränkungen oder Werbeverbote. Besonders schweizspezifische Regulierungen, welche die Kosten weiter erhöhen, sind kontraproduktiv. Im Gegenzug kann der Handel durch attraktive Öffnungszeiten gestärkt werden, die an unsere modernen Lebensgewohnheiten angepasst sind.
Wie steht es um den Einkaufstourismus?
Ich begrüsse einen fairen Wettbewerb – mit gleich langen Spiessen für Schweizer und ausländische Händler. Derzeit leidet der Schweizer Detailhandelsumsatz unter dem Einkaufstourismus, der durch steuerliche Ungleichheiten verstärkt wird. Ausländische Plattformen wie Temu, die in der Schweiz immer präsenter werden, verzerren den Markt. Es ist nicht akzeptabel, dass Schweizer Händler für die Produktsicherheit, Preisbekanntgabevorschriften usw. geradestehen müssen – diese Online-Plattformen aber nicht.
Wie ist die Verfassung des Schweizer Detailhandels angesichts der ausländischen Konkurrenz?
Die Situation ist anspruchsvoll. Wegen der Teuerung und des Kaufkraftverlustes in Kombination mit der unsicheren weltpolitischen Lage ist die Konsumentenstimmung weiterhin auf einem tiefen Niveau. Diese Zurückhaltung spüren die Detailhändler. Zum anderen verschärft sich der Preiskampf durch die ausländischen Online-Plattformen. Jetzt kann man sagen, der Detailhandel müsse halt noch wettbewerbsfähiger werden, aber die höheren Kosten für Beschaffung, Löhne und Mieten in der Schweiz können unsere Mitglieder beim besten Willen nicht umgehen.
Welche Rolle spielt künftig die Digitalisierung für den Detailhandel?
Die Digitalisierung ist eine Chance und zugleich eine Herausforderung. Der geschickte Einsatz von Künstlicher Intelligenz führt zu einer Optimierung von Arbeitsprozessen und administrativen Entlastungen für die Mitarbeitenden und kann sogar die kompetente Beratung im Geschäft unterstützen. Die Kombination aus Digitalisierung und stationärem Handel mit seinem persönlichen Kundenkontakt bleibt beliebt und ist robust.
Kunden bezahlen online und auch in Läden seltener bar. Macht man damit vor allem die Banken reich?
Es gibt verschiedene Player, die vom Bezahlen mit Karte profitieren. Aber es ist sicher so, dass die Gebühren der Kartenherausgeber (in der Regel Banken) und die Kosten für die Kartenakzeptanzabwicklung durch Dienstleister den Detailhandel stark beschäftigen. Diese Kosten bleiben am Handel hängen. Gerade letzte Woche hat die Wettbewerbskommission eine neue einvernehmliche Regelung publiziert, die dazu führen wird, dass die Gebühren auf gewissen Debitkarten für die Händler etwas günstiger werden. Aber es ist so, wir sehen noch Luft nach oben, auch bei den Kreditkarten und Twint. Wir bleiben dran.
Was sagen Sie den Leuten, die über die Grenze gehen, um einzukaufen?
Fünfer und Weggli geht nicht: Wer über die Grenze einkauft, soll zumindest die Schweizer Mehrwertsteuer (MWST) zahlen, da sie schon die ausländische MWST rückerstattet bekommen. Die Auslandeinkäufe doppelt umzuwandeln, ist absolut nicht nachvollziehbar und unfair. Wir finanzieren mit der MWST eine tolle Infrastruktur und einen funktionierenden Staat in der Schweiz, und auch diejenigen, die über die Grenze einkaufen gehen, profitieren davon. Deshalb ist es nur fair, wenn sie auch die Mehrwertsteuer auf dem Auslandeinkauf zahlen. Zudem muss man sich bewusst sein: Unsere Detailhändler schaffen Lehrstellen und Wertschöpfung in der Schweiz und tragen wesentlich zu unserem Wohlstand bei.
Besteht bei den Löhnen in der Branche Handlungsbedarf?
Der Detailhandel bietet als zweitgrösster Arbeitgeber der Privatwirtschaft weit über 300 000 Stellen an. Im Vergleich mit anderen sogenannten Tieflohnbranchen ist die Entwicklung der Löhne im Detailhandel positiver verlaufen, denn die Reallöhne lagen 2023 im Vergleich zu 2010 rund 6,1 Prozent höher. Das ist erfreulich. Es ist wichtig, sowohl die Sicherheit der Arbeitsplätze als auch gute Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Der Detailhandel ist ein sehr wichtiger Sektor für Teilzeitbeschäftigte und Frauen. Die anstehende BVG-Reform wird höhere Altersrenten für Teilzeitbeschäftigte, insbesondere Frauen, ermöglichen, was die Attraktivität der Branche weiter steigert.
Die Swiss Retail Federation
mef. Die Swiss Retail Federation ist der Verband der Schweizer Detailhandelsunternehmen, einschliesslich stationärer und Online-Händler. Der Verband vertritt rund 1600 Detailhandelsunternehmen, 60 000 Arbeitsplätze und erzielt einen Jahresumsatz von 25 Milliarden Franken, wie auf ihrer Website geschrieben steht. Grosse Unternehmen wie Coop, Migros oder Denner sind nicht Mitglied der Swiss Retail Federation. Sie haben sich in der IG Detailhandel zusammengeschlossen.