Wie man einen ganzen Verein prägt
19.11.2024 Bezirk Sissach, Gelterkinden, Gesellschaft, BaselbietVor sechs Jahren gab Arno del Curto sein Traineramt beim HC Davos weiter. Trotzdem wird er noch immer mit dem traditionsreichen Verein in Verbindung gebracht. Dies wegen seines einzigartigen und unkonventionellen Wesens.
Luana Güntert
Es gibt Trainer, die ...
Vor sechs Jahren gab Arno del Curto sein Traineramt beim HC Davos weiter. Trotzdem wird er noch immer mit dem traditionsreichen Verein in Verbindung gebracht. Dies wegen seines einzigartigen und unkonventionellen Wesens.
Luana Güntert
Es gibt Trainer, die kommen und gehen – und es gibt Arno del Curto. Über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg prägte er den HC Davos wie kein anderer vor oder nach ihm. Unter seiner Leitung erlebte der traditionsreiche Klub aus Graubünden eine glorreiche Ära, die ihn zurück an die Spitze des Schweizer Eishockeys katapultierte. Mit einem unkonventionellen Führungsstil und einer Leidenschaft, die weit über das Eis hinausging, machte del Curto den HC Davos nicht nur zum Rekordmeister, sondern auch zum Symbol für modernes und offensives Eishockey.
Der St. Moritzer, der bis vor Kurzem als Assistenztrainer an der Bande der österreichischen Nationalmannschaft stand, nahm am Donnerstagabend im Gelterkinder Marabu auf dem «Volksstimme»-Nachtcafé-Sofa neben Moderator Jürg Gohl Platz, um über seine Anfänge, seine Karriere in Davos, seinen Führungsstil und Begegnungen in der Garage zu plaudern. Mehr dazu später.
Mit dem Moderator Jürg Gohl ist del Curto schon lange beim «Du» – sie kennen sich seit Jahren. Wobei das Duzen beim impulsiven Bündner zum Charakter gehört. So hatte er beim Spengler Cup jeweils auch keine Hemmungen, die Bundesräte zu duzen, die der Garderobe des HCD einen Besuch abstatteten.
Besuche im Oberbaselbiet kommen beim Bündner regelmässig vor. In Sissach trifft er die Kamber-Brüder, ehemalige, lokale Eishockeyspieler, zum Kartenspiel. Oder wie del Curto es ausdrückt: «Ich muss hier einigen zeigen, wie man richtig jasst.»
Ein Makel
Arno del Curto kam auf die Saison 1996/97 zum HC Davos, zuvor war er unter anderem beim EHC Bülach engagiert. «Ich fuhr mit der Zürcher Autonummer nach Davos, weil ich dachte, nach drei Wochen kann ich sowieso wieder gehen», sagte der heute 68-Jährige mit einem Lachen.
Doch es kam ganz anders. Mit del Curto begann der HC Davos, ein starkes Fundament zu bauen, indem junge Nationalspieler ins Bündnerland geholt wurden. Einen grossen Anteil an seiner 22 Jahre währenden Trainerära schreibt er dem damaligen Sportchef und ehemaligen ZS-Trainer Erich Wüthrich zu, der ihn in den 1990er-Jahren engagierte. Einziger Makel? «Als wir zusammen ins Bündnerland fuhren, lief im Auto nur Ländlermusik – ich hatte keine Chance auf Hardrock», erzählt del Curto augenzwinkernd. Später, bei Wüthrichs Geburtstagsfest, war die Playlist ähnlich traditionell. «Aber wir haben so viel getrunken, dass wir trotzdem auf den Tischen getanzt haben», ergänzt er lachend.
Bluff musste eingelöst werden
Seinen Ruf als «Rock ’n’ Roller» hat del Curto nicht nur wegen seiner Vorliebe für Rockmusik und lange Haare. Seine impulsive, direkte Art prägte seine Spieler und sorgte auch für Anekdoten. Etwa die, als er nach einer Niederlage einen ungewöhnlichen Bluff wagte. Verärgert kündigte er seinen Spielern an: «So schlecht wie ihr spielt – da lerne ich in sechs Wochen ein klassisches Stück auf dem Piano.» Um sein Wort zu halten, liess er sich ein Klavier liefern und versuchte sich gleich daran. «Ich merkte: Leck mich, das ist gar nicht so einfach.»
Er engagierte also einen Musiklehrer, der ihm Beethoven und Mozart näherbrachte. Besonders die «Mondscheinsonate» hatte es ihm angetan, obwohl sie für einen Anfänger kaum zu bewältigen war. Doch del Curto übte stundenlang, lernte ohne Noten und schaffte es schliesslich, sein Versprechen einzulösen und das Stück auswendig zu spielen – zumindest den ersten Teil. Später erfuhr er nämlich, dass die «Mondscheinsonate» zwei Teile hat. «Mit beiden wäre ich chancenlos gewesen», sagt er heute lachend.
Auch privat hinterliess del Curto Spuren, etwa bei HCD-Legende Reto von Arx. «Reto war mein Nachbar und ein perfekter Spieler», sagt er. Dennoch bekam von Arx oft den Frust des Trainers ab. «Wenn ich nach Niederlagen hässig war und wir uns in der Garage begegneten, duckte er sich immer, damit ich ihn nicht sah.»
Interesse aus Italien
Die Zeit in Davos bezeichnet del Curto als «wunderschön», mit Ausnahme des letzten Jahres, das von Konflikten überschattet war. Namen nennt er nicht, aber zwei Personen hätten ihm dort das Leben schwer gemacht. Auch die Medien waren nicht immer wohlwollend, so auch der prominente Eishockey-Journalist Klaus Zaugg. Dennoch nimmt del Curto es gelassen: «Es braucht Medien, und Klaus schreibt auch viel Gutes – nicht so Jeremias-Gotthelf-mässig.»
Zaugg war es auch, der vor einigen Jahren schrieb, dass das «System del Curto» nur in Davos funktioniere. Ist das so? «Ja. Ich hatte lange keinen Sportchef, der mir ‹dryschnorret›, und so konnte ich mich voll ausleben.»
Der Erfolg des HCD-Trainers blieb anderen Vereinen nicht verborgen. Aber nicht nur Eishockeyklubs zeigten Interesse am Bündner – auch der FC Bologna wollte ihn. So liess er sich von «irgendeinem Finanzchef» in eine Pizzeria einladen, um ein mögliches Engagement zu besprechen. Auf das erste Treffen folgten zwei weitere. «Ich wusste von Anfang an, dass ich ihm absage – ich habe ja keine Ahnung von Fussball. Aber die Pizze waren fein.»
Nach dem zeitlich bereits überzogenen Gespräch mit Moderator Jürg Gohl («jetzt müesste mir aber no chly Gas geh und paar Sache bringe») hatten die Zuschauer die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Arno del Curto wäre nicht Arno del Curto, wenn er sich auch dafür nicht ausgiebig Zeit genommen hätte. Auf die eine Frage, ob er sich vorstellen könnte, in die Politik zu gehen, antwortete er: «Nein. Ausser wenn ich direkt Bundespräsident werden würde.»