Wenn Kokoskrabben Finger abknabbern
22.05.2024 Bezirk Sissach, Kultur, Gemeinden, Gesellschaft, Sissach, BaselbietDer erste Krimi des Autors Hanspeter Gsell ist erschienen
Mit «Seelenfänger», seinem inzwischen achten Buch, begibt sich der Sissacher Schriftsteller Hanspeter Gsell erneut nach Italien und vor allem auf mikronesische Inseln und pflegt dabei seinen ihm eigenen Humor. ...
Der erste Krimi des Autors Hanspeter Gsell ist erschienen
Mit «Seelenfänger», seinem inzwischen achten Buch, begibt sich der Sissacher Schriftsteller Hanspeter Gsell erneut nach Italien und vor allem auf mikronesische Inseln und pflegt dabei seinen ihm eigenen Humor. Erstmals aber wagt er sich mit seinem Commissario Moroni an einen Krimi.
Jürg Gohl
Typischer könnte der erste Kriminalroman des Sissacher Schriftstellers Hanspeter Gsell nicht enden: Ausgerechnet die Krabbe Kaveku killt den Mörder bei seinem Nickerchen nach erledigter Arbeit. An der Küste lässt sie, auf einer Palme sitzend, eine Kokosnuss mit 80 km/h auf seinen Kopf plumpsen und zwackt dem entstellten Opfer einen Finger ab. Das Krokodil Salty besorgt den Rest.
Zu viel verraten? Kaum. In «Seelenfänger», dem ersten Kriminalroman des Sissacher Schriftstellers Hanspeter Gsell, spielt die zentrale Frage in dieser Literaturgattung, wer wohl den Mord begangen haben könnte, eigentlich eine untergeordnete Rolle, zumal das Leben des Übeltäters ein ebenso schreckliches Ende nimmt wie das seines Opfer namens Kaiser Schiller.
Dieser ermordete Kaiser ist übrigens höchstens ein Möchtegern-Kaiser auf einer erfundenen Südsee-Insel, auf die es ihn verschlagen hat. Auf ihr versucht er als Seelenjäger in der nach ihm benannten Sekte sein Geld zu machen, nachdem er als Gauner und Pseudo-Prophet aus seiner Heimat, den USA, abhauen musste. Auf der kleinen Südsee-Insel ist er beileibe nicht der einzige Flüchtling: Der alte Onkel Nishima hat in seiner Jugend als japanischer Kamikaze-Kämpfer das Leben in der Südsee dem Heldentod vorgezogen.
Die Hauptfigur in Hanspeter Gsells Gesellenstück im Bereich Krimi befindet sich ebenfalls auf der Flucht. Er hat sich als furchtloser Polizist in Süditalien mit der Mafia angelegt und hofft nun, dass ihr Arm nicht ganz bis nach Mikronesien reicht: Commissario Dottore Giovanni Maria Moroni heisst er. Moroni dient sich auf der stickig-heissen Fantasie-Insel Falang als Kriminalpolizist an. Bereits am ersten Tag bekommt er seinen ersten Fall: Er muss den Mord an Kaiser Schiller lösen.
Es ist sein erster, hoffentlich aber nicht sein letzter Fall, den Moroni aufzuklären hat. Hanspeter Gsell, der 73-jährige «Inselsammler» und Autor aus Sissach, belegt mit seinem inzwischen achten Buch, dass sein eigenwilliger Stil durchaus auch für das Krimi-Genre taugt. Dass sich der «Volksstimme»-Kolumnist davor mit Reiseberichten, mit Kolumnen-Sammlungen unter anderem über Italien und mit Gourmet-Führern hervorgetan hat, ist auch dem eben erschienenen «Seelenfänger» anzumerken. Das zeigt sich zum einen an den vertrauten Schauplätzen, zum anderen daran, dass er teilweise sogar Auszüge aus früheren Büchern in sein jüngstes übernommen hat.
Reichlich schwarzer Humor
Der Autor und Kosmopolit hat sich, wie einst Alfred Hitchcock in seinen Filmen, vermutlich sogar selber in seinem Krimi verewigt, wenn er auf Seite 13 von den Kochkünsten der Nonna Luisa in einem italienischen Küstendorf schwärmt und dabei schreibt: «Ein weit gereister Philosoph soll einmal gesagt haben, es müsse wohl für die Fischlein eine Ehre sein, ihr Leben in Luisas Küche aushauchen zu dürfen.»
Es liegt weniger an der Handlung, dass man den «Seelenfänger» nur ungern aus der Hand gibt, sondern am «eigenwilligen Humor» des Oberbaselbieters, wie das auf der Rückseite des 250 Seiten umfassenden Taschenbuchs treffend beschrieben ist. Hier ein bisschen Wortwitz, da etwas Slapstick wie beim Hinschied des Mörders, immer wieder tüchtige Prisen schwarzer Humor.
Die Leiche von Schiller, von der Hitze am Äquator bereits ausgetrocknet, kommt in die Gefriertruhe und wird von dort aus Versehen mit einer Ladung Thunfische nach Japan geflogen. Plötzlich wird dort, fast am anderen Ende der Welt, vom Geheimrezept des Appenzeller Käses geredet; und die verschiedenen Flüchtlinge straucheln immer wieder an den Sitten und Gebräuchen der Insulaner. Der Autor hütet sich dabei aber immer, sich mit dem Blick des Westlers über sie lustig zu machen. Im Gegenteil: Seitenhiebe stossen höchstens in die andere Richtung.
Atombombe wirkt nach
Zu seinen Stilmerkmalen zählen auch lyrische Sätze, die plötzlich auftauchen, wie auf Seite 189: «An der Küste wetteifern die Neonlichter beliebiger Hotelanlagen um Aufmerksamkeit.» Vor allem guckt immer wieder ein ernster, kritischer Autor aus dem Buch hervor, wenn er etwa die kriminelle Seite evangelikaler Kreise darstellt oder mit seinem Kaiser auf die Reichsbürger-Szene anspielt. Das verbirgt sich letztlich auch hinter dem Buchtitel.
Im Zusammenhang mit Onkel Nishima kehrt der Autor auch zurück in die Zeit, als die USA über Hiroshima ihre Atombombe abwarfen, und schildert dabei unverblümt das unermessliche Elend, das die Amerikaner damals auslösten. Diese Katastrophe, die bald 80 Jahre zurückliegt, spielt sogar in Moronis erstem Fall eine Rolle. Mehr sei nun definitiv nicht verraten.
Krimi «Seelenfänger» von Hanspeter Gsell, erscheint als «Book on Demand», ISBN 978-3-7583-1525-1