«Viele Romands reden kein Deutsch, das ist eine Tatsache» «Wir dürfen keine Hauruck-Aktion machen, welche die Schule überfordert»

  25.09.2025 Baselbiet, Politik, Region, Baselbiet, Wahlen, Abstimmungen

Caroline Mall (SVP) und Markus Eigenmann (FDP) wollen ein neues Fremdsprachenkonzept – unser Streitgespräch zur Regierungsratswahl

Zwischen der FDP und der SVP gibt es Streit, weil man sich nicht auf eine Kandidatur für die Nachfolge von Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP) einigen konnte. Die dritte Kandidatin Sabine Bucher (GLP) könnte davon profitieren. Worin unterscheiden sich die bürgerlichen Kandidaturen?

Nikolaos Schär

Frau Mall, Herr Eigenmann, unter welchen Bedingungen haben Sie in der Schule am besten gelernt?
Markus Eigenmann:
Bei mir war es immer dort, wo die Lehrerinnen und Lehrer begeistert waren – sich engagiert haben und Freude am Unterrichtsinhalt zeigten. Die blieben mir in Erinnerung. Sie waren nicht immer ganz einfach, manchmal sehr ambitioniert und haben mich entsprechend gefordert. Auch heute noch erinnere ich mich an vieles, was ich bei ihnen gelernt habe.
Caroline Mall: Im Klassenzimmer sind mir vor allem die Lehrpersonen in Erinnerung geblieben, die Witz und Grips hatten und auch einen Praxisbezug herstellen konnten.

Wenn man Ihre Positionen mit jenen von Frau Bucher vergleicht, dann ähneln sich diese in vielen Punkten. Ist es aus inhaltlicher Sicht für die Bevölkerung am 26. Oktober letztlich einerlei, wen sie wählt?
Eigenmann:
Es ist eine Tatsache, dass wir in vielen Fragen relativ nahe beieinanderliegen. Wir haben keinen Wahlkampf, in dem die Positionen gerade in Bildungsfragen wahnsinnig weit auseinander liegen. Vielleicht geht es eher darum, was für eine Person man wählt.
Mall: Ja, das sehe ich sehr ähnlich. Ich gehe davon aus, dass sich jene, die sich mit Politik auseinandersetzen, alle drei Kandidierenden genauer anschauen. Es mag durchaus sein, dass auch das Parteilabel eine Rolle spielen wird. Für mich ist aber wichtig, dass der politische Rucksack, insbesondere der bildungspolitische, entscheidend ist. Denn ich gehöre seit 2012 der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSK) an und habe seit 2023 das Vizepräsidium inne. Ich politisiere erfolgreich über die Parteigrenzen hinweg.

Es gab eine Umfrage der «Starken Schule beider Basel». Dort wurden die Mitglieder gefragt, wen sie zur Wahl empfehlen würden. 44 Prozent nannten Sabine Bucher (GLP), 16 bis 18 Prozent entfielen auf Sie beide. Stimmt Sie es nachdenklich, dass scheinbar nur die Partei relevant ist?
Eigenmann:
Ja, das mag effektiv eine Rolle spielen. Es haben rund 250 Personen an der Umfrage mitgemacht. Ich habe die Vermutung – aber das weiss nur die «Starke Schule» selbst –, dass relativ viele Lehr- und weniger andere Personen mitgemacht haben. Das entspricht nicht dem Querschnitt der Bevölkerung. Lehrpersonen, das wissen wir, tendieren politisch eher nach links. Nicht alle, aber die Mehrheit. Die «Starke Schule» bezeichnet sich selbst als «Mitte-links-Verein».
Mall: Ich denke, das ist nicht wirklich repräsentativ. Man darf das nicht überbewerten. 2015 hat Jürg Wiedemann mich mit der «Starken Schule»persönlich im Nationalratswahlkampf unterstützt, da er meine bildungspolitischen Positionen genau kennt. Jürg verweigerte anfänglich noch die Publikation des kürzlich erschienenen Interviews der «Starken Schule», wonach mir vorgeworfen wurde, ich hätte dieses zurückgezogen – was definitiv nicht so war, denn ich wollte lediglich ein «Gut zum Druck». Am Schluss erschien es trotzdem auf der Website. Das ist eben Jürg. Ich kenne ihn gut. Er war als Grünen-Landrat auch in der BKSK.
Eigenmann: Solche sektoriellen Umfragen sind interessante Momentaufnahmen. Entscheidend ist der erste Wahlgang Ende Oktober.

Frau Mall, Sie haben gesagt, dass Eltern wieder mehr in die Verantwortung genommen werden sollten. Angespannte Familienverhältnisse sind doch ein entscheidender Grund, warum Schülerinnen und Schüler nicht ihr volles Potenzial ausschöpfen. Hat der Kanton nicht auch ein Interesse daran, hier zu unterstützen?
Mall:
Der erzieherische Teil findet meist zu Hause statt. In den vergangenen Jahren wurde jedoch vieles auf die Schule übertragen, auch wegen zahlreicher ausserschulischer Angebote. Es scheint mir wichtig, dass die Erziehung wieder vermehrt in der Familienstube stattfindet und die Schule sich auf die Wissensvermittlung konzentrieren kann. Gerät eine Familie in eine schwierige Lage, stehen niederschwellige Unterstützungsangebote zur Verfügung. Wichtig ist aber, dass die Schule dabei nicht vollständig einspringen muss.

Fast wie ein Selbstbedienungsladen?
Mall:
Das ist vielleicht ein hartes Wort, aber es geht etwas in diese Richtung.

Wie sehen Sie das, Herr Eigenmann?
Eigenmann:
Zur ersten Frage: Es ist heute offensichtlich ein Problem, dass Familienstrukturen teilweise nicht mehr das bieten können, was früher normal war. Die Frage ist, wie man dem begegnet. Es gibt viele bereits bestehende Angebote auf Gemeindeebene. Doch wir stellen fest: Einige Schülerinnen und Schüler kommen ungenügend vorbereitet ins Schulsystem. Ich glaube, in dieser Diagnose sind Frau Mall und ich uns einig. Schwieriger wird es bei der Frage, was der Kanton machen soll. Denn einerseits trägt er das Schulsystem, andererseits sind die Gemeinden im Sozialen zuständig. Dort muss man ein Optimum finden zwischen diesen beiden Ebenen.

Sie verlangen jedoch, dass die Gemeinden mehr Handlungsspielraum auch im Bildungsbereich haben sollen. Heisst das, der Kanton soll sich eher zurückziehen?
Eigenmann:
Ich habe primär gesagt, dass die Schulen mehr Handlungsspielraum brauchen. Als Gemeinderat habe ich mich stets als ausführendes Organ des Kantons erlebt, mit relativ wenig Spielraum. Mehr Selbstständigkeit wäre förderlich. Im Sozialbereich sehe ich den Kanton nicht in der führenden Rolle. Da sind die Gemeinden gefordert. Denn es wird selten besser gelöst, wenn die ausführende Instanz weiter weg ist von den Einwohnerinnen und Einwohnern. Wenn man den Schulen mehr Autonomie gibt, bedeutet das nicht «laisser faire». Die Schulen müssen sich am Bildungserfolg messen lassen. Nur beim Weg, wie man dorthin kommt, sollten mehr Freiheiten bestehen.
Mall: Mir geht es darum, dass die Schulen sensibilisieren. Der Kanton soll nicht Pflichten «herunterdelegieren». Aber man kann Elternarbeit stärker thematisieren. Viele Ressourcen fliessen heute in die Elternarbeit – ich denke, Lehrerinnen und Lehrer sind demgegenüber nicht abgeneigt. Natürlich erreichen wir so zuerst die Eltern, die ohnehin engagiert sind. Aber wichtig ist, auch jene zu erreichen, die das nicht von sich aus tun. Dort braucht es mehr Ansätze, vielleicht nicht mit Druck, sondern mit gezielten Informationsangeboten.

Sie sprechen also von einer Informationsoffensive des Kantons?
Mall:
Ja, genau.

Braucht es also Autorität vom Kanton, damit Lehrpersonen das Gefühl haben, sie sind mit diesen Aufgaben nicht allein?
Mall:
Ja. Elternhaus, Lehrerschaft und Schulleitung müssen in verschiedener Hinsicht zusammenarbeiten. Nehmen wir die Thematik der Übertritte auf: Es gibt viele Eltern, die sagen: «Mein Kind geht ins Gymnasium, studiert dann Medizin.» Sie hegen Erwartungen, die nicht zu den Fähigkeiten des Kindes passen. Wir haben ein sehr gutes und durchlässiges Bildungssystem, in dem alles möglich ist. Als Erziehungsberechtigte muss man objektiv bleiben. Unsere Volksschule kann keine Wunder bewirken, aber sie kann und muss die Schülerinnen und Schüler für ihre Zeit nach der obligatorischen Schulzeit sensibilisieren. Hier müssen auch die Ausund Weiterbildung von Lehrpersonen gestärkt werden.
Eigenmann: Ich glaube, bei Konflikten zwischen Eltern und Schule ist es illusorisch wenn man denkt, dass sich diese Probleme mit mehr Rückendeckung durch den Kanton lösen lassen. Es geht darum, Lehrpersonen zu stärken – in der Aus- und Weiterbildung. Der Umgang mit Eltern müsste dort viel stärker gewichtet werden. Heute spielt dieser praktisch keine Rolle. Es ist zum Teil erschreckend, wie wenig die angehenden Lehrerinnen und Lehrer darauf vorbereitet werden. Früher war der Dorflehrer eine Autorität, wie der Pfarrer oder Gemeindepräsident. Heute muss man überzeugen. Das ist schwieriger.

Es herrscht Fachkräftemangel beim Lehrpersonal. Was kann der Kanton dazu beitragen, dass die richtigen Leute in den Schulen arbeiten?
Mall:
Das ist genau der Punkt. Früher hatte die Lehrperson eine angesehene Stellung in der Gesellschaft. Heute fragen sich viele, ob sie sich das überhaupt antun wollen. Heute fehlt ein Stück weit die Konzentration auf's Wesentliche: die Wissensvermittlung. Lehrpersonen werden maximal theoretisch ausgebildet und landen dann im «Do it yourself»-Modus. Selbstverständlich müssen die Lehrpersonen Elternarbeit leisten, aber es kann nicht sein, dass sie zu oft und zu viel Erziehungsarbeit übernehmen.
Eigenmann: Das habe ich nicht gesagt. Aber wir können noch lange sagen, Erziehung gehört ins Elternhaus, wenn sie nicht mehr dorthin zurückgeht.
Mall: Dann müssen wir vermehrt dafür sensibilisieren.

Sie plädieren beide dafür, dass man sich stärker auf die Grundkompetenzen der Schule konzentriert. Die Primarschule sei mit zu vielen Inhalten überfrachtet. Können Sie das konkret auslegen?
Eigenmann:
Die gesellschaftliche Entwicklung hat die reine Wissensvermittlung verändert. Früher war es wichtig, ein Grundwissen aufzubauen, weil man es nicht einfach nachschlagen konnte. Heute können Schülerinnen und Schüler blitzschnell Informationen finden. Deshalb ist es wichtiger geworden, mit der Informationsflut umgehen zu können: Was ist vertrauenswürdig? Wo finde ich es? Aber natürlich braucht man ein gewisses Grundwissen, um beurteilen zu können, ob etwas stimmt.
Mall: Mit dem Lehrplan 21 hat diese Entwicklung begonnen. Wir sprechen nicht mehr von Wissensvermittlung, sondern von Kompetenzen. Aber für mich ist Wissensvermittlung nach wie vor zentral. Das Grundwissen muss sitzen. Nehmen wir ein Beispiel: Die vier Fälle im Deutsch. Das ist klassische Wissensvermittlung. Auch eine Diktatübung oder ein Bewerbungsschreiben sind Grundkompetenzen. Heute hören wir von Arbeitgebern, dass Jugendliche nicht einmal mehr eine Bewerbung ohne digitale Hilfsmittel verfassen können.

Das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Die entscheidende Frage ist doch, wie wir mit neuen Technologien wie KI umgehen.
Mall:
Meine Befürchtung ist, dass wir uns selbst abschaffen könnten, wenn wir alles delegieren und uns nicht mehr persönlich anstrengen müssen. Es muss ein elegante Lösung her, die den Fortschritt der neuen Technologien mit persönlicher Anstrengung, Ideen und Visionen koppelt.
Eigenmann: Wir können die Entwicklungen wie KI nicht rückgängig machen. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, wie sie damit umgehen. Beispiel Bewerbung: Ich bekomme Bewerbungen, die alle gleich aussehen, weil sie von einer KI generiert wurden. Entscheidend ist, wie man diese bedient und damit einen eigenen Stil entwickelt. Gefährlich ist es, denn Schülern zu vermitteln, mit KI wird alles automatisiert. Die Schule muss hier den richtigen Umgang lehren. Das gilt auch für Lernvideos im Netz. Viele Schülerinnen und Schüler nutzen «Youtube» oder andere Plattformen, um für Prüfungen zu lernen. Weil sie sagen, der Dr. Müller oder Meier auf «Youtube» erklärt es besser.
Mall: Das heisst im Umkehrschluss der Dr. Müller oder Meier erklärt es besser als die Lehrpersonen. Das dürfte eigentlich nicht sein.
Eigenmann: Da sind die Schulleitungen auch angehalten, die Kompetenzen der Lehrpersonen mit Weiterbildungen zu verbessern. Dazu benötigt es auch eine gewisse Selbstreflexion der Schulen.

Viele ältere Lehrpersonen sind wahrscheinlich nicht mehr bereit, diesen Wandel mitzumachen.
Mall:
Lehrpersonen dürfen nicht einfach sagen: «Ich mache es seit 25 Jahren so, also bleibt es so.» Sie müssen sich weiterentwickeln, genau wie in der Privatwirtschaft. Weiterbildung und Anpassung an neue Schülergenerationen sind zielführend und bringen uns in der Schullandschaft weiter.

Sie haben beide gesagt, dass man die integrative Schule überdenken müsse – mehr separativer Unterricht führe zu mehr Ruhe im Unterricht. Frau Bucher hat nun den Vorschlag gemacht, je nach Fachniveau unterschiedliche Klassen zu bilden. Bringt das nicht wieder mehr Unruhe in die Klassen?
Mall:
Diese Idee stammt ursprünglich von Jürg Wiedemann. Der Ansatz ist nicht schlecht: Wenn jemand in Deutsch eher im E-Niveau ist, in Mathe aber stärker, dann könnte er dort ins höhere Niveau wechseln. Die Unruhe in den Klassenzimmern kommt jedoch von Schülerinnen und Schüler, die ein störendes und ablenkendes Verhalten im Regelunterricht an den Tag legen.
Eigenmann: Man darf nicht zu viel Bewegung ins System bringen, sonst leidet die Stabilität. Heute schon gibt es viel Hin und Her zwischen Regel- und Förderunterricht. Ich finde diesen Ansatz jedoch interessant. Ich habe die Primarschule in den Vereinigten Staaten besucht – dort wurde innerhalb der Klassen so gearbeitet. Das kann motivierend sein, weil nicht nur lernschwächere Schülerinnen und Schüler gefördert werden, sondern auch stärkere. Unterforderung führt oft ebenfalls zu Problemen.
Mall: Man darf aber nicht vergessen: Solche Modelle sind ein Zusatzauftrag für Schulleitungen. Am Ende müssen Lösungen praktikabel sein. Für hochbegabte Schülerinnen und Schüler gibt es bisher kaum Förderkonzepte. Hier haben wir definitiv Nachholbedarf.
Eigenmann: Richtig. In der Schweiz neigen wir dazu, alles auf ein Durchschnittsniveau zu bringen. Das ist nicht immer gerecht. Andere Länder fördern begabte Kinder viel stärker. Ich glaube, wir müssen uns trauen, auch in beide Richtungen zu differenzieren – sowohl nach unten als auch nach oben.

Alle reden von der Entbürokratisierung der Schule. Gleichzeitig braucht man für politische Entscheidungen fundierte Untersuchungen. Ist das nicht ein Widerspruch?
Eigenmann:
Man muss unterscheiden. Einmalige Erhebungen für Studien sind kein Problem. Aber wenn Lehrpersonen regelmässig Formulare ausfüllen müssen, die nur für 10 Prozent der Fälle relevant sind, dann entsteht Bürokratie. Heute dokumentieren wir immer mehr – aus Angst, Verantwortung zu übernehmen. Das gilt nicht nur für Schulen, sondern auch für KMU.
Mall: Lehrpersonen müssen teilweise für jede Kleinigkeit etwas eintragen, seien das Kommentare und Notizen über Schülerinnen und Schüler, welche die Lehrpersonen auch vor den Eltern schützen. Wichtig wäre, dass alle Akteure – Lehrpersonen, Schulleitungen, Behörden – gemeinsam festlegen, was wirklich nötig ist. Eine Auslegeordnung machen. Manchmal ist weniger mehr. Bürokratieabbau bedeutet nicht, dass man keine Qualität mehr will. Es geht darum, Ressourcen für die Kernaufgabe freizuhalten: Bildung. Monica Gschwind hat zu Beginn ihrer Amtszeit einen Marschhalt gemacht. So etwas bräuchten wir beim Thema «Bürokratie an den Volksschulen» auch.
Eigenmann: Ein weiteres Problem ist die Führungsspanne der Schulleitungen. Sie betreuen teils mehrere Dutzend Lehrpersonen – das ist kaum zu bewältigen. In anderen Organisationen hätte man längst zusätzliche Führungsebenen eingezogen.
Mall: Da bin ich skeptisch. Zusätzliche Ebenen heisst noch mehr Strukturen. Wir haben ohnehin viele Teilzeitpensen bei Schulleitungen. Wichtig ist, die richtigen Leute in Schlüsselpositionen zu haben – ob zwingend mit pädagogischem Hintergrund oder auch mit Führungserfahrung aus der Wirtschaft – das sollte man offen halten.

Der Regierungsrat hat sich 2024 ein Sparpaket von 390 Millionen Franken auferlegt, das auch die betrifft. Bleibt da überhaupt Handlungsspielraum, um eigene Akzente zu setzen, oder geht es nur noch ums Sparen?
Eigenmann:
Man muss den Mut haben, beides zu tun: sparen und Akzente setzen. Einen Akzent setzen bedeutet nicht automatisch, dass man neue Aufgaben obendrauf packt. Es heisst auch, etwas weglassen zu können, um Platz für Neues zu schaffen. Das geht in der Politik oft vergessen.

Am Ende sind die Personalkosten der grösste Block. Dort zu sparen, heisst fast automatisch Qualitätsverlust, oder nicht?
Mall:
Wir müssen uns auch fragen, warum gewisse Kosten überhaupt entstehen. Der gesellschaftliche Wandel führt auch dazu, dass wir unsere Volksschule mit neuen Angeboten ausschmücken müssen. Gerade auch im Hinblick auf die separativen Angebote und Sonderschulen. Das kostet enorm viel Steuergeld.
Eigenmann: Trotzdem: Wenn die Bevölkerung etwas politisch will, dann muss die Regierung das umsetzen. Aber ich wehre mich gegen die Tendenz, dass jede Reform automatisch mehr kostet. Verwaltungen haben die Neigung, sich zu erhalten – und alles, was neu kommt, stapelt sich obendrauf.

Ein weiterer grosser Kostenfaktor ist die Universität Basel. Die Bildungskommission des Kantons Basel-Stadt hat gesagt, man werde für die Ausfälle des Baselbiets nicht beliebig einspringen. Wie gehen Sie so in die Verhandlungen für die nächste Finanzierungsperiode?
Mall:
Monica Gschwind hat die Verhandlungen bereits aufgegleist. Der Bund muss stärker Verantwortung übernehmen. Wir sind kein Unikanton, tragen aber die Uni Basel mit. Die Nachbarkantone Solothurn und Aargau haben sich an den Vollkosten zu beteiligen. Rund 25 Prozent der Studierenden kommen aus dem Ausland, und oft ist unklar, ob sie bleiben. Hier gilt es ebenfalls anzusetzen und Verhandlungen mit den Nachbarländern anzugehen. Der Solidaritätsgedanke, ähnlich wie beim Finanzausgleich in puncto Finanzierung des Restdefizits, muss angepasst werden. Die Initiative unserer elf Gemeinden gibt uns den nötigen Rückhalt für die Verhandlungen.

Herr Eigenmann, die Gemeindeinitiative will den Univertrag kündigen, wenn sich andere Kantone wie Aargau und Solothurn nicht stärker an der Finanzierung der Uni beteiligen. Die Hochschulfinanzierung ist doch ein Konstruktionsfehler.
Eigenmann:
Ich bin einverstanden. Aber die Hochschulfinanzierung in der Schweiz ist historisch gewachsen und deshalb vielleicht unlogisch. Der Bund finanziert die ETH, aber nicht die Universitäten. Auf der grünen Wiese würde man es anders machen.

Aber setzt sich der Kanton beim Bund nicht genügend für eine faire Beteiligung ein? Möglich wäre es.
Eigenmann:
Das wird gemacht. Monica Gschwind legte im Gespräch dar, wie sie sich auf Stufe Bund für Veränderungen einsetzt. Wir müssen auf Stufe Bund weiter Druck machen. Auch wenn sich gerade keine Lösung abzeichnet. Es werden Möglichkeiten kommen, dann müssen wir bereit sein. Aber ich möchte nicht, dass man mit einer Guillotinen-Klausel arbeitet, wie es bei der Gemeindeinitiative vorgeschlagen wird. Das ist zu riskant. Besser wäre eine konstruktive Lösung, die auch von den anderen Kantonen getragen wird.

Das heisst, der Kanton kann nur bei den Nachbarn anklopfen und um mehr Geld bitten?
Eigenmann:
Ja.
Mall: Ja, aber wir müssen über Restdefizit, die Beiträge der Interkantonalen Universitätsvereinigung, den Anteil ausländischer Studierender und die Beiträge unserer Nachbarkantone verhandeln. Die Hochschulbildung ist unser Diamant, und es ist inakzeptabel, dass das Bundesparlament ihn durch Sparmassnahmen gefährdet.

Kommen wir noch auf¨s Frühfranzösisch zu sprechen: Es gab verschiedene Modelle – mal auf der Primarstufe, mal auf der Sekundarstufe. Sind die Sprachkenntnisse wirklich so abhängig davon, ab wann Französisch gelernt wird, oder unterrichten wir das Fach falsch und haben zu hohe Ansprüche?
Mall:
Es geht sicher auch darum, was die Schülerinnen und Schüler am Ende können müssen beziehungsweise was die Vorgaben sind. Das Ziel erreichen wir heute nicht, und es mangelt an Lehrpersonen, die das Fach unterrichten. Man hätte kreativer sein können – zum Beispiel französische Muttersprachler pragmatisch zu engagieren. Da hat die Erziehungsdirektorenkonferenz nicht mitgespielt. Worum geht es konkret? Müssen wir wirklich schon in der dritten Klasse damit anfangen, nur weil wir vier Landessprachen haben? Kinder können drei Sprachen parallel lernen, wenn sie früh damit aufwachsen – das weiss man. Aber mit den paar Lektionen, die heute vorgesehen sind, erreichen wir die Ziele nicht, deshalb müssen wir die Thematik Frühfranzösisch mit Mut neu definieren.

Wenn es nur um die Sprache an sich gehen würde, könnte man Französisch zum Wahlfach erklären.
Mall:
Warum nicht? Genau zu dieser Frage habe ich vor Jahren einen politischen Vorstoss eingereicht. Der damalige Bildungsdirektor konnte sich mit dieser Wahlfreiheit nicht anfreunden. Französisch möglicherweise wieder auf die Oberstufe zu verlegen, hat nichts mit fehlendem Zusammenhalt in der Schweiz zu tun.

Würden Sie dem zustimmen, Herr Eigenmann?
Eigenmann:
Vielleicht nicht nichts, aber die Bedeutung von Französisch für den Zusammenhalt des Landes ist abnehmend. Wenn ich meine Kinder anschaue, sie kommunizieren mit Jugendlichen aus der ganzen Schweiz meist auf Englisch. Auch in der Arbeitswelt ist Englisch oft die Brückensprache. Trotzdem finde ich den Zusammenhalt über die Landessprachen wichtig. Aber vielleicht gibt es andere Wege, das zu fördern.
Mall: Wenn ich nach Genf gehe, spreche ich Französisch. Aber umgekehrt sprechen viele Romands kein Deutsch. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Tatsache.
Eigenmann: Wichtig ist, keine Hauruck-Aktionen zu machen. Jede Reform muss mindestens zehn Jahre Bestand haben, sonst verlieren die Schulen die Orientierung. Die ständigen Systemwechsel überlasten die Lehrpersonen.

Unter Ihren Parteien gab es im Vorfeld Streit, weil man sich nicht auf eine Kandidatur einigen konnte. Hätten Sie sich das anders gewünscht?
Eigenmann:
Für mich war das immer Sache der Parteileitungen. Wir Kandidierenden müssen uns auf die Situation einstellen. Es wird oft diskutiert, ob es klug war, dass beide Parteien antreten – aber als Kandidat muss man das Beste daraus machen. Wäre es eine Wahl mit vier oder fünf Kandidierenden, würde niemand darüber reden. In so einem Fall wäre es selbstverständlich, dass mehrere bürgerliche Personen antreten. Dieses Mal sind es nur drei Kandidierende insgesamt – darum wirkt es speziell. Aber ich empfinde es nicht als Belastung. Im Gegenteil, es macht den Wahlkampf interessanter.

Frau Mall, würden Sie das unterschreiben?
Mall:
Ja. Für mich ist wichtig, dass der Sitz in bürgerlicher Hand bleibt. Das ist mein Hauptanliegen – und ich bin überzeugt, dass uns das gelingt.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote