Streifzug durch die Geschichte beim Bölchen
30.05.2024 Bezirk Sissach, Langenbruck, Kultur, Gemeinden, Gesellschaft, BaselbietErinnerungspfad zur Fortifikation Hauenstein wurde mit viel Politprominenz eingeweiht
Der Verein Fortifikation Hauenstein weihte vor einer Woche den Erinnerungspfad zwischen Bölchenflue und Lauchflue ein. Zweieinhalb Jahre Forschung komprimiert in zwölf Tafeln mit Audioguide ...
Erinnerungspfad zur Fortifikation Hauenstein wurde mit viel Politprominenz eingeweiht
Der Verein Fortifikation Hauenstein weihte vor einer Woche den Erinnerungspfad zwischen Bölchenflue und Lauchflue ein. Zweieinhalb Jahre Forschung komprimiert in zwölf Tafeln mit Audioguide laden Wanderer auf drei Kilometer zu einer Zeitreise ins frühe 20. Jahrhundert ein.
Nikolaos Schär
Auf der und um die Bölchenflue trifft man viele Wanderer und Naturbegeisterte an. Seit Neustem gibt es für Ausflügler einen weiteren Grund, diese Gegend zu besuchen. Der Erinnerungspfad des Vereins Fortifikation Hauenstein bringt auf zwölf Info-Tafeln Interessierten und Neugierigen die riesige Verteidigungsanlage aus dem Ersten Weltkrieg näher. Über rein Militärisches hinaus, versuchte der Verein die Geschichten der Soldaten und Bewohner und Bewohnerinnen der Region in die grossen Linien des Kriegsgeschehens einzuweben. Der Erinnerungspfad befindet sich zwischen dem Bölchen und der Lauchflue und wurde in diverse Wanderwege eingebettet.
Bevor es auf die Begehung des Pfades ging, hielten neben Christian Rieder und Christoph Rast, die rund zweieinhalb Jahre den Pfad geplant und umgesetzt haben, auch der Gründer des Vereins und Landratspräsident Pascal Ryf eine Rede. Es ging dabei um die Vermittlung von Geschichte, ob man aus ihr lernen könne und um die Erkenntnis, dass mit dem Ukraine-Krieg ähnliche Problemlagen wie zu Zeiten des Ersten Weltkriegs auftauchen würden. Dass Frieden keine Selbstverständlichkeit sei. Der Geschäftsführer von Baselland Tourismus, Michael Kumli, zeigte auf die Frage, ob er denn Wanderschuhe dabei hätte, auf seine weissen Turnschuhe und beruhigte die Anwesenden mit einem Zwinkern: «Sie sind im Auto.»
Nach den Reden fuhren zwei Kleinbusse die Teilnehmer für die Begehung des Pfades auf den «Chilchzimmersattel». Oben angekommen, liefen einige zur ersten Tafel und begutachteten diese. Die dunklen Tafeln, meist in Schwarz, Rot und Weiss gehalten, machen einen hochwertigen Eindruck. Ein Rahmen aus Chromstahl fasst die Tafeln ein. Vom Design her seien sie an jene der Archäologie Baselland angelehnt, so Ryf. Die Hochwertigkeit hat jedoch auch ihren Preis. 25 000 Franken hätten alle zwölf Tafeln laut Ryf gekostet. Produziert und aufgestellt wurden sie von «Dietisberg Wohnen und Werken».
Tafeln sind hochwertig
Die Tafel D auf dem «Chilchzimmersattel» zeigt eine Karte, auf der die gesamte Fortifikation Hauenstein mit allen Bauten eingetragen ist. Darunter ein Text, der den Ausbruch des Ersten Weltkriegs schildert und den Kontext liefert, warum es zum Bau der Fortifikation kam. Zusätzlich lässt sich mittels QR-Code auf jeder Tafel ein Audioguide abspielen. Bei der Tafel D erfährt man, dass die grösste Sorge der Bauern bei der Generalmobilmachung der Schweizer Armee die anstehende Ernte war. Wer soll die Arbeit auf den Feldern erledigen, wenn 220 000 Männer eingezogen werden? Im grösseren Kontext sprach man von einer Kriegsbegeisterung. Mit der Erwartung eines kurzen Kriegs wollten viele für Ruhm und Ehre kämpfen. Es kam anders. Man schlitterte in die «Urkatastrophe» des 20. Jahrhunderts.
Die erste Gruppe läuft in Richtung «Spitzenflüeli» zur nächsten Tafel. Rieder dreht sich um und macht auf die vielen Weinbergschnecken aufmerksam, die sich dank der nassen Böden der Gruppe in den Weg stellen. Sie werden von einigen weggeräumt. Ryf bekommt eine vors Gesicht gehalten und scherzt: «Die sind saufein!» Er erntet ein Raunen.
Die Tafel E zeigt ein Foto des Schützengrabens Spitzenflüeli und befindet sich exakt an der Stelle, wo der Fotograf bei seiner Aufnahme damals stand. Der Schützengraben wurde von einem Verein freigelegt und restauriert. Rieder erzählt von einer Luchsdame, die im freigelegten Graben eine neue Heimat gefunden habe. Diese sei jedoch in den Thüringer Wald umgesiedelt worden. Doch das Beispiel zeige, dass Kultur- und Naturschutz manchmal Hand in Hand gehen würden.
Neben der Verteidigungsfunktion des Schützengrabens erfährt man im Audioguide vom Leiden, das den Soldaten im Ersten Weltkrieg drohte. Meist der Tod, aber auch Blindheit und Taubheit. Wundinfektionen töteten Hunderttausende – Penicillin gab es noch nicht. «Kriegszitterern» blieb der Wiedereinstieg ins Berufsleben verwehrt. Glücklicherweise mussten die Soldaten der Fortifikation dies nie erleben. Laut dem Audioguide zeige die neuere Forschung, dass die Fortifikation, als Abschreckung vor einem Einmarsch aus Frankreich, eine gewisse Wirkung erzielt hat.
Soldaten waren schlecht versorgt
Auf einen Ernstfall wären die Soldaten im Schützengraben am Spitzenflüeli schlecht vorbereitet gewesen. Dieser wies gravierende Mängel auf. Die Durchgänge waren zu eng, um allfällige Verwundete auf Bahren abzutransportieren und ein Feldlazarett gab es in der Fortifikation Hauenstein nicht. Die Verwundeten hätten mit Ross und Karren bis nach Olten gebracht werden müssen.
Während des Ersten Weltkriegs war das gesamte Gebiet der Fortifikation eine Sperrzone. Ausser den Militärangehörigen brauchten alle – auch die lokale Bevölkerung – eine Erlaubnis, um diese betreten zu dürfen. Im Verlauf des Kriegs wurde ein Einmarsch unwahrscheinlicher, trotzdem wurden weiterhin Bäume für ein freies Sichtfeld der Stellungen gefällt. Auf den Weiden lag verlegter Stacheldraht. Die Landwirtschaft war eingeschränkt. Der Eptinger Gemeinderat verlangte die Einstellung der Bauarbeiten, blitzte jedoch beim Regierungsrat in Liestal ab. Auch bei den Soldaten war der Unmut über die Fortifikation gross. Der Drill war unbeliebt, das Bauen der Anlagen oder wie die Soldaten damals sagten: Das «Tschiengge» sei ihrer unwürdig. Die täglichen 3 Stunden Marsch von den Truppenunterkünften zu den Stellungen und zurück stiessen auf grosse Missliebe. Geschweige der kleine Sold von 80 Rappen pro Tag, der selten reichte, um eine Familie zu ernähren. Einen Erwerbsersatz gab es damals noch nicht.
Zurück zur Gegenwart: Rieder zeigt bei der Tafel F auf die eingezeichneten Stellungen. Feldgeschütze, Maschinengewehrstellungen, Scheinwerferanlagen, Schützengräben. Sie hätten nicht alles eingetragen, denn gewisse Bauten stehen an gefährlicher Lage – es besteht für Besucher aufgrund des Geländes Absturzgefahr. Auf jeder Tafel befinden sich Hinweise dazu. Auf die Frage, warum ein grosser Teil dieser Stellungen nicht freigelegt sind, erwidert Rieder: Würden die Stellungen ausgegraben werden, müsste sie jemand auch unterhalten und das koste viel Geld. Zugeschüttet sind sie konserviert. Ausserdem bestehe eine gewisse Diffusion im Zuständigkeitsbereich. Unter der Erde wäre die Archäologie zuständig, darüber der Denkmalschutz. Bei der Fortifikation bewege man sich oft dazwischen, das lasse Raum für Interpretationen, so Rieder weiter.
Neue Ideen sind vorhanden
Für ein allfälliges nächstes Projekt spricht Rieder vom Wisenberg. Vielleicht ein begehbarer Bunker. Im Gegensatz zum Gelände beim Erinnerungspfad sei das Gebiet um den Wisenberg für Besucher einfacher zugänglich und das Gelände weniger gefährlich. Die Ideen scheinen dem Verein nicht auszugehen. Doch vorerst soll der Erinnerungspfad im Zentrum stehen. Das Projekt sei eine Herzensangelegenheit gewesen. Die Tafeln wirken sehr ansprechend und im Audioguide erfährt man nicht nur Militärisches, sondern auch viel über die Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Zeit und Region. Beide Endpunkte bieten einen Start ins Thema. Es ist aber auch möglich, irgendwo einzusteigen. Die Geschichten sind nicht chronologisch aufgebaut. Ein kleiner Wermutstropfen bleibt jedoch. Die Infrastruktur trägt nicht immer ihren Teil zu einem gelungenen Erlebnis bei. Denn der Handyempfang ist ein wenig dürftig.
Beim Rückmarsch zum Parkplatz stellte sich der matschige Weg für einige als Herausforderung heraus. Die Turnschuhe von Mirjam Locher, SP-Landrätin, seien ihrer Meinung nach waschmaschinenreif und auch die Turnschuhe von Ryf haben Farbe angesetzt. Kumli hat zum Glück seine weissen Turnschuhe im Auto gelassen. Auf die Bemerkung, dass man an den Schuhen erkennen könne, wer vom Unterbaselbiet komme, erwidert Ryf schlagfertig: Er sei ein solch guter Bergsteiger, für diesen Spaziergang brauche er keine Wanderschuhe. Auf jeden Fall hat sein Verein einen Riesenberg Arbeit bewältigt und ein ambitioniertes Projekt professionell umgesetzt. Rieder bedankte sich auch für die tolle Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Landbesitzern, die immer sehr konstruktiv gewesen sei. Er habe auch schon einige Projekte in Basel gemacht und in diesen Belangen könne die Stadt vom Oberbaselbiet noch einiges lernen.