Naturschützer sind skeptisch gegenüber Park
29.10.2024 Baselbiet, Natur, BaselbietDer geplante Naturpark Baselbiet spaltet nicht nur die Bauern, sondern auch die Naturschützer. Während die grossen regionalen Naturschutzorganisationen dem Park verhalten positiv entgegenblicken, ohne sich dafür öffentlich einzusetzen, kritisiert ihn ein früherer ...
Der geplante Naturpark Baselbiet spaltet nicht nur die Bauern, sondern auch die Naturschützer. Während die grossen regionalen Naturschutzorganisationen dem Park verhalten positiv entgegenblicken, ohne sich dafür öffentlich einzusetzen, kritisiert ihn ein früherer Initiator heftig.
Andreas Hirsbrunner
Die Diskussionen um Sinn oder Unsinn des Naturparks Baselbiet nehmen zusehends Fahrt auf, was insofern wenig erstaunt, als in den nächsten Wochen die Beitrittsentscheide in den potenziellen Parkgemeinden anstehen. Was dabei auffällt: Von Naturschutzseite ist im Gegensatz etwa zur Landwirtschaft nichts zu hören. Dabei gehörten Naturschützer vor zwei Jahrzehnten beim ersten Parkanlauf im Kanton zu den treibenden Kräften. Allen voran Urs Chrétien, der 30 Jahre für Pro Natura arbeitete, davon 19 Jahre als Geschäftsführer von Pro Natura Baselland.
Er nimmt heute, zwei Jahre nach seiner Pensionierung, kein Blatt vor den Mund: «Ich habe im Verlauf der Jahre einen Prozess durchgemacht und gemerkt, dass ein Naturpark der Baselbieter Natur nichts bringt. Deshalb bin ich dagegen.» Er werde diese Position auch als Präsident der Landschaftskommission Sissach an der Gemeindeversammlung vertreten.
«Zweckentfremdete Gelder»
Chrétien macht vor allem zwei Gründe für seine Ablehnung geltend: «Rund die Hälfte des Parkbudgets sind Bundesgelder. Die stammen ausnahmslos vom Bundesamt für Umwelt, was einer Zweckentfremdung von Naturschutzgeldern gleichkommt.» Denn dessen Budget sei bei der Einführung der Naturpärke nicht aufgestockt und seither mehrmals gekürzt worden. Gleichzeitig würden diese Pärke inflationär ins Kraut schiessen, was bedeute, dass weniger Gelder für angestammte Naturschutzaufgaben wie die Pflege von Naturschutzgebieten zur Verfügung stünden.
Würden die Naturpärke in erster Linie dem Naturschutz dienen, wie es eigentlich vom Namen her zu erwarten wäre, könnte man noch darüber diskutieren. Aber die Bundesgelder flössen zu einem grossen Teil in eine andere Richtung, so Chrétien. «Es profitieren vor allem der Tourismus und die Landwirtschaft. Also sollte zumindest ein Teil der Bundesgelder vom Staatssekretariat für Wirtschaft Seco und vom Bundesamt für Landwirtschaft kommen. Wenn ich dann noch höre, dass eine reiche Gemeinde wie Arboldswil mit Parkgeldern den Eierleset finanzieren will, bekomme ich Vögel.»
Chrétien differenziert bei seiner Beurteilung der derzeit 20 existierenden Pärke in der Schweiz. Unbestritten positiv sind für ihn der Nationalpark im Engadin und der Wildnispark Sihlwald bei Zürich. Positives kann er auch den Naturpärken in strukturschwachen Gebieten mit attraktiven Landschaften wie im Walliser Binntal oder im Bündner Münstertal abgewinnen: «Hier erhält die Natur dank der Förderung des naturnahen Tourismus durch das Parklabel einen Wert und die Bauern geben Sorge zu ihr. Das war auch die ursprüngliche Park-Idee.»
Im Baselbiet sei die Situation aber eine ganz andere: «Wir sind keine strukturschwache Region, sondern bis weit ins Oberbaselbiet hinein eine Agglo-Region. Unsere Infrastruktur ist jetzt schon überlastet und wir brauchen nicht noch zusätzliche Tagesausflügler hier, die zudem kaum Wertschöpfung bringen.» Sinnvoll sei für Chrétien ein Naturpark Baselbiet höchstens für die beiden strukturschwachen, gleichzeitig mit hohen Naturwerten ausgestatteten Gemeinden Waldenburg und Langenbruck.
Der zweite Grund, den Chrétien gegen den Naturpark Baselbiet ins Feld führt, ist dessen vorgesehene operative Führung: Die Geschäftsstelle soll gemäss Managementplan von der Wirtschaftskammer-Tochter VBS Verband-Services AG in Pratteln betrieben werden. Dazu Chrétien: «Man weiss ja, welchen Stellenwert Natur und Landschaft im Haus der Wirtschaft haben. Hier soll der Bock zum Gärtner gemacht werden.»
Kritik wegen Wirtschaftskammer
Bei diesem Punkt hakt auch der heutige Co-Geschäftsführer von Pro Natura Baselland, Thomas Zumbrunn, ein: «Unser Vorstand schaut kritisch darauf, wie der Naturpark Baselbiet aufgegleist wird. Ein umstrittener Punkt ist die Führung der Geschäftsstelle durch die Wirtschaftskammer.» Aber Pro Natura Baselland habe Ja zu einem Naturpark gesagt und gebe jetzt die Unterstützung nicht so schnell auf. Und auch der Rünenberger Gemeinderat, den er präsidiert, werde der Versammlung vorschlagen, dem Naturpark beizutreten, weil die Gemeinde davon profitieren könne. Wo er persönlich bei der Parkfrage steht, dazu will Zumbrunn aber keine Stellung nehmen. Nur so viel: «Ich bin in einer schwierigen Position, die Sichten vermischen sich.»
Bezüglich Zweckentfremdung von Naturschutzgeldern sagt Zumbrunn: «Im schlimmsten Fall ist es so, dass das Bundesamt für Umwelt bei Sparübungen bei Artenförderungsprojekten Mittel spart und nicht bei den Naturpärken.» Deshalb sei es umso wichtiger, dass sich der Naturpark Baselbiet auf die beiden Hauptziele Natur und Landschaft sowie nachhaltige Wirtschaft ausrichte, was beides der Umwelt zugute komme. Darum gebeten, die wichtigsten Stärken und Schwächen zu nennen, bleibt Zumbrunn vage: «Das ist im Moment undefinierbar, weil die Ziele noch nicht fix sind, sondern in einer zweiten Phase mit der Park-Charta erarbeitet werden müssen.» Ein Pluspunkt sei aber, dass der Naturpark eine unabhängige Anlaufstelle für alle sei.
Steuerungsgruppe in der Pflicht
Und wo stehen der Basellandschaftliche Natur- und Vogelschutzverband (BNV) und der WWF Region Basel in Sachen Naturpark Baselbiet? BNV-Co-Präsident Simon Hohl sagt: «Wir sehen gewisse Chancen für die Natur im Baselbiet und begrüssen von daher den Park. Aber wir sehen auch, dass wirtschaftliche Interessen bestehen. Wir müssen genau hinschauen, dass im Naturpark auch Natur drinsteckt.»
Insbesondere dürfe nicht passieren, dass unter dem Park-Label vor allem touristische und andere wirtschaftliche Interessen vermarktet werden, während der Naturschutz aussen vor bleibe. Dafür müsse eine Steuerungsgruppe sorgen. Chancen für die Natur sieht Hohl in erster Linie im Siedlungsraum und im Kulturland, wo es viel Verbesserungspotenzial gebe. Eine andere Chance sei, die touristischen Aktivitäten im Parkperimeter gezielt zu kanalisieren und so von sensiblen Naturbereichen fernzuhalten. Gleichzeitig betont Hohl: «Wir müssen das Rad nicht neu erfinden. Es gibt bereits mehrere gut funktionierende Naturpärke in der Schweiz.»
Den WWF Region Basel treibt der zweite Anlauf für einen Naturpark im Baselbiet offensichtlich nicht gross um. Geschäftsführerin Pascale Steck sagt: «Der WWF hat sich bereits vor Jahren für den Park eingesetzt.» An dieser Position habe sich nichts geändert, auch wenn der Park im Vorstand in letzter Zeit kein Thema mehr gewesen sei. Um ihre persönliche Position gebeten, ergänzt Steck: «Für mich soll ein Naturpark unbedingt einen Mehrwert für Natur und Umwelt bringen und nicht nur ein Marketing-Instrument sein. Ob der Naturpark Baselbiet das in der geplanten Form erfüllt, bin ich mir nicht sicher.»