Natur nimmt mit Farbe Abschied
30.09.2025 Baselbiet, Gemeinden, Gesellschaft, Natur, BaselbietErnte, Dank und Loslassen – das ist der Oktober
Der Oktober klopft an – der grosse Atemzug vor dem Verstummen. Noch einmal öffnet sich die Natur in Fülle und Farben. Wälder leuchten, Felder bringen ihre letzten Gaben und die Weinberge feiern den Abschluss der ...
Ernte, Dank und Loslassen – das ist der Oktober
Der Oktober klopft an – der grosse Atemzug vor dem Verstummen. Noch einmal öffnet sich die Natur in Fülle und Farben. Wälder leuchten, Felder bringen ihre letzten Gaben und die Weinberge feiern den Abschluss der Lese – ein Höhepunkt und Abschluss zugleich.
Hanspeter Gautschin
Der Oktober war für die Menschen früher nicht nur der Monat des Loslassens, sondern auch der Fülle. Jetzt wurde geerntet, Vieh und Geflügel auf den Märkten verkauft und den Knechten und Mägden der Lohn für die Sommerarbeit ausbezahlt. Damit begann die Zeit des Geldes – und des Feierns. Jahrmärkte boten nicht nur Handel, sondern auch Unterhaltung: Gaststuben, Tanzböden und Schaubuden wurden zu Orten der Begegnung und der Lebensfreude.
Die Tage werden kürzer, die Nächte kühler. Die Bäume beginnen, sich zurückzuziehen – doch vorher danken sie dem Jahr mit Farbe. Rot, Gelb, Kupfer, Gold – ein Feuer, das nicht brennt, aber wärmt.
Birnbäume glühen, der Wald schimmert, der Himmel scheint tiefer. Es ist ein letztes Aufleuchten vor dem grossen Einschlafen. Auch auf den Feldern und Wiesen regt sich das Leben noch einmal:
– Herbstzeitlosen recken sich aus dem feuchten Boden.
– Efeu und Wermut blühen im Verborgenen.
– Auf ungenutzten Äckern leuchtet der Ackersenf in kräftigem Gelb.
– Rund ums Haus blühen Dahlien und Herbstastern – schrill, verwegen, als wollten sie das letzte Wort behalten.
Die Fülle der letzten Gaben
Der Oktober ist nicht nur schön – er ist reich. Die Bäume hängen schwer mit Äpfeln, Birnen und Nüssen. In den Hecken leuchten Hagebutten und Schlehen, und auf dem Boden klopfen glänzende Kastanien an Kinderfüsse. Die Kartoffelernte ist in vollem Gange, Keller und Vorratsräume füllen sich.
Auch die Tiere spüren den Wandel: Eichhörnchen sammeln Nüsse, Murmeltiere betten sich in Heu, Igel rollen sich in Laubhaufen ein und bereiten ihr Winterlager vor.
Alles weiss, dass es nun bald still wird. Und diese Achtsamkeit spüren auch wir: Es ist eine Zeit der Vorbereitung, des inneren Sortierens.
Wichtige Bräuche
– Simon-Judä-Tag (28. Oktober); letzter Fixpunkt im Herbstkalender. Symbol für den Wechsel in die dunkle Zeit. Bauernregel: «Simon und Juda, die bringen den Winter heran.»
– Halloween (31. Oktober) – ursprünglich Samhain; keltisches Neujahrsfest, das den Beginn der dunklen Jahreszeit markierte. Man glaubte, dass in dieser Nacht die Grenze zur Geisterwelt offen sei – ein Moment, in dem Lebende und Verstorbene sich besonders nah waren.
Viele heutige Bräuche, von Kürbislichtern bis zu Verkleidungen, gehen auf diese Vorstellungen zurück. Als US-Import ist Halloween seit den 1990er-Jahren auch im Oberbaselbiet präsent und hat sich vor allem bei Kindern und Jugendlichen etabliert.
Und es warten goldene Oktobertage mit Hochdruckperioden mit klarem Licht, frostiger Nacht, sonnigem Tag.
Rituale heute
– Blätterritual des Dankes: ein Spaziergang durch gefärbte Wälder. Für jedes gefallene Blatt ein Gedanke der Dankbarkeit – für das, was war.
– Letzte Ernte – innere Vorratshaltung: Eine Schale mit Herbstfrüchten füllen als Sinnbild für das, was wir gesammelt haben: Erfahrungen, Erkenntnisse, Begegnungen.
– Herbstzeitlosen-Moment: Ein Moment des Stillstehens – mitten im Wandel. Wie die Pflanze, die gegen den Strom blüht.
– Simon-Judä-Abend: Eine Kerze entzünden am 28. Oktober – den Sommer verabschieden, den Winter willkommen heissen.
Der Oktober lehrt uns das Loslassen ohne Verlust. Er zeigt: Wenn etwas zu Ende geht, ist das kein Scheitern – sondern ein natürlicher Teil des Kreises. Die Natur hält nichts zurück. Und gerade darin liegt ihre grösste Kraft. So dürfen auch wir loslassen, was war, was nicht mehr passt, was nicht in den Winter gehört. Und darin liegt ein tiefer Friede.