Mongolen auf Attilas Spuren
27.06.2024 Bezirk Sissach, Zunzgen, Gemeinden, Baselbiet«Staatsbesuch» im Bücheldorf
Angelockt vom Dorffest-Maskottchen, dem sagenhaften «Attila», stattete eine mongolisch-ungarische Delegation auf der Suche nach Spuren der Hunnen in Europa der Gemeinde Zunzgen einen Besuch ab. Angeführt wurde die Gruppe von ...
«Staatsbesuch» im Bücheldorf
Angelockt vom Dorffest-Maskottchen, dem sagenhaften «Attila», stattete eine mongolisch-ungarische Delegation auf der Suche nach Spuren der Hunnen in Europa der Gemeinde Zunzgen einen Besuch ab. Angeführt wurde die Gruppe von der ungarischen Botschafterin in der Mongolei.
Christian Horisberger
Zuerst glaubte der Zunzger Gemeindepräsident Hansruedi Wüthrich an einen Scherz-Anruf: Eine Delegation aus der Mongolei, angeführt von der ungarischen Botschafterin im Staat in Zentralasien, kündigte sich für einen Besuch in seinem Dorf an. Die Gruppe verfolge die Spuren der Hunnen in Europa und der Sage nach soll der im Jahr 453 verstorbene Hunnenkönig Attila unter dem Büchel, dem Zunzger Wahrzeichen, begraben sein.
Aufgrund weiterer Erklärungen des Anrufers erschien Wüthrich die Geschichte immer glaubwürdiger: Da Zunzgen Attila im vergangenen Jahr zum Dorffest-Maskottchen gemacht habe, sei die Sage bei «Google» wohl «nach oben gespült» worden und den Spurensuchern deshalb aufgefallen. Man einigte sich auf ein Treffen. Der erste «Staatsbesuch» in Zunzgen wurde auf den vergangenen Dienstag angesetzt. Ein solch historisches Ereignis will dokumentiert sein, fand das Gemeindeoberhaupt, und bot deshalb die Presse auf.
Als die Gäste zum vereinbarten Zeitpunkt nicht auftauchten, kamen wieder Zweifel auf. Wurde man doch verschaukelt? Wüthrichs Telefon klingelte: «Die Mongolen kommen», sagte er nach dem Anruf. Jedoch mit einer halben Stunde Verspätung: Sie hätten Zuzgen im Fricktal mit Zunzgen verwechselt …
Und dann waren sie da: Frau Botschafterin Dr. Borbála Obrusánszky in Begleitung von drei Männern mit asiatischen Gesichtszügen und einer Frau, die sich als Dolmetscherin vorstellte. Gemeindepräsident Wüthrich und Verwalter Cristiano Santoro rückten gleich nach der Begrüssung der Delegation mit der Wahrheit heraus: Längst hätten Archäologen die Sage widerlegt, wonach der Hunnenfürst seine letzte Ruhe in Zunzgen gefunden hat. Der Büchel als angebliche Grabstätte sei erst ums Jahr 1000 nach Christus, Jahrhunderte nach Attilas Tod, aufgeschüttet worden, um darauf eine Burganlage zu installieren – nicht zu verwechseln mit der fürs Dorffest erbauten hölzernen «Burg».
Buch- und Filmprojekt
Dies war der Botschafterin längst bekannt: Sie ist Historikerin und verfasst – nicht als Amts-, sondern als Privatperson – ein Buch über die Spuren der Hunnen in Europa. Co-Autor ist Michael Bakocs, ein Zürcher mit ungarischen Wurzeln, der auch den Kontakt mit Zunzgen hergestellt hatte. Zu den Spuren, die verfolgt würden, gehörten nicht nur historisch belegte Tatsachen, sondern eben auch Legenden, begründete Borbála Obrusánszky den Besuch in Zunzgen.
Die Recherche für das Buch ist bereits abgeschlossen und es soll noch im diesem Jahr erscheinen. Zweck des Besuchs des Büchels sowie zahlreicher weiterer Stätten in Österreich, Deutschland, dem Elsass und der Schweiz, die auf Spuren der Hunnen deuten, ist die Produktion eines Films, der zusätzlich zum Buch entstehen und im ungarischen und mongolischen Fernsehen gezeigt werden soll. Bei den drei Männern, welche die Botschafterin begleiten, handelt es sich um das Filmteam. Sie dokumentierten die Visite in Zunzgen in Bild und Ton.
Nach der Begrüssung bei der Gemeindeverwaltung führte Präsident Wüthrich die Delegation zum Büchel, wo er auf Wunsch des Kamerateams die Sage und deren Wahrheitsgehalt vor passender Kulisse noch einmal zum Besten gab. Ferner erklärte er, was es mit der Baute auf dem Hügel auf sich hat und liess es sich nicht nehmen, die Gäste auf die Aussichtsplattform der «Burg» zu führen. Die Gäste waren vom Ausblick, der sich von dort aus bot, überwältigt. Paradiesisch sei es hier, sagte Frau Botschafterin entzückt, und freute sich, als sie hoch am Himmel zwei Raubvögel über dem Büchel kreisen sah: «Das bringt Glück.»
Hansruedi Wüthrich sprach von einer speziellen und interessanten Begegnung. Das Interesse an Zunzgen freue ihn, daher habe er die Gäste auch gerne persönlich empfangen. Zum Abschied überreichte er der Botschafterin ein Exemplar der Zunzger Heimatkunde, ein Dorffest-Besteck-Set sowie als Proviant für die weitere Spurensuche Kirschen von Zunzger Bäumen.
Heute Donnerstag macht die Delegation auf ihrer Reise übrigens in der Teufelsburg in Rüti bei Büren (BE) Halt. Gastgeber dort wird alt Bundesrat Samuel Schmid sein.
Die Sage
vs. Attila regierte die Hunnen, nachdem sich das aus der Mongolei stammende Reitervolk im 4. Jahrhundert nach Christus vorübergehend im heutigen Staatsgebiet von Ungarn niedergelassen hatte. Der Sage nach soll er, nachdem er die Römerstadt Augusta Raurica zerstört hatte, das Ergolztal hochgezogen und im heutigen Zunzgen im Jahr 453 verstorben sein. Die Sage lautet: «Im Büchel liegt Attila der Hunnenkönig begraben. Alljährlich am Karfreitag tritt er mit seinem Gefolge aus dem Grab hervor und trägt den grossen Hunnenschatz heraus, darunter viele Goldgefässe. Die Herrlichkeiten breitet der König am Bache aus. Nachdem er sich gewaschen hat, verschwindet er mit Gefolge und Schatz wieder im Hügel.»