Mit Kupfer, Zinn, Zink und 1200 Grad Hitze
09.09.2025 Bezirk Sissach, Wirtschaft, Baselbiet, Sissach«Mehr als Feuer und Flamme»: Blick hinter die Kulissen des grössten Sissacher Arbeitgebers
In jedem zweiten Schweizer Haushalt stammen Teile der Trinkwasserverteilung von der Sissacher GF JRG AG. Am Samstag konnte sich die Bevölkerung ein Bild davon machen, wie die ...
«Mehr als Feuer und Flamme»: Blick hinter die Kulissen des grössten Sissacher Arbeitgebers
In jedem zweiten Schweizer Haushalt stammen Teile der Trinkwasserverteilung von der Sissacher GF JRG AG. Am Samstag konnte sich die Bevölkerung ein Bild davon machen, wie die Teile produziert und montiert werden.
Christian Horisberger
Wer sich schon lange gefragt hat, was sich hinter der mächtigen Fassade auf dem Firmengelände am Ausgang von Sissach abspielt, konnte seine Neugier am vergangenen Samstag stillen. Die Georg Fischer JRG AG gewährte der Bevölkerung Einblicke in die Welt von Sanipex und Metallguss-Armaturen – und traf damit offensichtlich einen Nerv: Die Menschen strömten in Scharen auf das festlich gestaltete Firmenareal.
Das grösste Interesse galt den Produktionshallen, in denen zu Demonstrationszwecken einzelne Maschinen in Betrieb waren. Auf einem Rundgang konnten die Besucherinnen und Besucher einen Eindruck davon gewinnen, wie die Komponenten der Wasserleitungen hinter den Wänden ihrer Häuser und Wohnungen hergestellt werden.
Neben viel Information zur Produktion und zu den Erzeugnissen des Unternehmens war am Fest unter dem Motto «Mehr als Feuer und Flamme» auch für Unterhaltung gesorgt. Beim «Büchsenwerfen» wurden MT-Muttern aus Kunststoff abgeschossen, ein Bauteil des Rohrleitungssystems Sanipex. Beim Schätz-Wettbewerb hingegen ging es darum, zu erraten, wie viele Zwölfer-Muttern aus Messing sich auf einer Palette befinden. Die Guss- und Messingteile des Sissacher Unternehmens finden sich in etwa jedem zweiten Schweizer Haushalt. Neben weiteren Spielen wartete die Gastgeberin mit einem reichhaltigen Verpflegungsangebot sowie musikalischer Unterhaltung auf: Wenn schon, denn schon.
Giesserei erneuert
«Für uns als grösster Arbeitgeber in Sissach war klar, dass wir zum Jubiläum etwas machen würden», sagte Standortleiter Roland Gisin zu Beginn des Rundgangs mit der «Volksstimme». «Da wir durch einen grösseren Umbau die Silhouette unseres Gebäudekomplexes komplett verändert haben, fanden wir, es sei passend, zu zeigen, in was wir hier investiert haben.» Im Zentrum dieser Investitionen steht die Giesserei: Die Halle wurde deutlich erhöht und der bisherige Schmelzofen durch einen zweiten ergänzt.
Die Giesserei erhielt zudem eine neue Wärmerückgewinnungsanlage, die Luftreinigung wurde modernisiert, und es fällt deutlich mehr Tageslicht in die Produktionshalle. Auch die Heizungsanlage wurde erneuert: Die bisherigen Ölbrenner wichen modernen Wärmepumpen.
Was sich nicht geändert hat, sind die relativ hohen Temperaturen in der Giesserei, was bei einem Schmelzpunkt der Legierung aus Kupfer, Zinn und Zink bei 1200 Grad nachvollziehbar ist. Hier musste man allerdings den Mitarbeitenden, die den Besuchenden an den Schmelzöfen Rede und Antwort standen, blind vertrauen. Denn die Anlage war am Samstag nicht in Betrieb. Ansonsten sind in der Giesserei, dem Herzen des Industriebetriebs, in zwei Schichten insgesamt 30 der rund 300 Mitarbeitenden von GF in Sissach. Ebenfalls dieser Abteilung zugeordnet sind das Engineering und die Herstellung der Giessformen und Sandkerne sowie eine erste Qualitätskontrolle der noch feuerheissen Gussteile.
In den weiteren Arbeitsschritten wird der Rohguss vom Sand und vom sogenannten Gussbaum befreit, die Metallgrate werden weggestanzt, die Oberflächen mit winzigen Stahlkügelchen gestrahlt. Die weitere Bearbeitung der Teile wie beispielsweise das Schneiden von Gewinden erfolgt mit Werkzeugen, die intern entwickelt und hergestellt werden.
3 Schichten, 13 Millionen Teile
Weniger komplexe Komponenten oder verkaufsfertige Teile werden in der Décolletage-Abteilung aus hohlen Stangen an Drehmaschinen gefertigt. Im vergangenen Jahr produzierten die 16 Mitarbeitenden dieser Abteilung in 3 Schichten 13 Millionen Teile. Die Décolletage- und Gussteile sind die Kernkompetenz der Produktion in Sissach. Kunststoffteile fürs 1978 entwickelte Rohr-in-Rohr-Sanipex-System werden hier keine produziert, sondern lediglich montiert.
Der Automatisierungsgrad vieler Vorgänge im Betriebsgebäude ist hoch. Je neuer eine Maschine ist, desto autonomer arbeitet sie in der Regel. Der Maschinenführer beschickt die Anlage mit Material, kontrolliert das Ergebnis und greift in den Betrieb nur ein, wenn eine Störung angezeigt wird. In diesem Fall leuchtet nicht die grüne Lampe an der Maschine, sondern eine orange oder eine rote.
Roboter seien unverzichtbar, so der Betriebsleiter – einerseits aus Effizienzgründen, andererseits, weil es zunehmend schwieriger werde, Personal für den Schichtbetrieb zu finden. Eine zusätzliche Herausforderung: die Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte. Der Tag der offenen Tore diente daher auch dazu, auf die attraktiven Lehrberufe bei der GF in Sissach aufmerksam zu machen – etwa als Polymechaniker, Betriebsmechaniker, Giessereitechnologe oder Logistiker. Gisin, seit Januar 2020 Standortleiter, betonte in diesem Zusammenhang, dass sich durch die Zugehörigkeit zum GF-Konzern für die Mitarbeitenden internationale Karrierechancen eröffnen.
GF hat die JRG 2008 der Gründerfamilie Gunzenhauser abgekauft. Obwohl die neue Eigentümerin in Sissach seither viel erneuert und investiert und mit der finnischen Uponor eine frühere Konkurrentin der JRG übernommen hat, ist das Kerngeschäft hier dasselbe geblieben: die Herstellung von Trinkwassersystemen im Bereich der Haustechnik. Und die Buchstaben «JRG» sind auf den Gussteilen nach wie vor präsent – so, wie sich auch die Marke bei vielen Kundinnen und Kunden eingebrannt hat.
Zugang zu internationalen Märkten
Was auf den ersten Blick nicht sichtbar ist: Durch die GF hat die JRG laut Gisin Zugang zu internationalen Märkten erhalten, zu Know-how und Technik innerhalb des GF-Konzerns sowie zu ganz neuen Investitionsmöglichkeiten. Alleine in die Giesserei seien über die Jahre 10 Millionen Franken gesteckt worden, sagt er. Deren Umbau hat 14 Monate gedauert und wird in den nächsten Wochen mit der Inbetriebnahme des zweiten Schmelzofens zum Abschluss kommen.