Mit 97 Jahren noch voller Worte
14.08.2025 Bezirk Sissach, Gesundheit, Gesellschaft, Gemeinden, GelterkindenElfriede Mathys ist eine Stimme aus früherer Zeit
Elfriede Mathys merkt man ihr hohes Alter kaum an. Selbst im Altersheim greift sie noch zum Stift, um ihrer Leidenschaft fürs Schreiben Ausdruck zu verleihen. Die ehemalige «Volksstimme»- Kolumnistin blickt auf fast ...
Elfriede Mathys ist eine Stimme aus früherer Zeit
Elfriede Mathys merkt man ihr hohes Alter kaum an. Selbst im Altersheim greift sie noch zum Stift, um ihrer Leidenschaft fürs Schreiben Ausdruck zu verleihen. Die ehemalige «Volksstimme»- Kolumnistin blickt auf fast ein Jahrhundert voller Wandel und ungebrochener Neugier zurück.
Melanie Frei
Elfriede Mathys-Handschin spricht bedächtig, aber mit einer Lebendigkeit, die ihre 97 Jahre vergessen lässt. Gerade erst hat die Gelterkinderin ihren Geburtstag gefeiert und kurz darauf an der 1.-August-Feier im Alters- und Pflegeheim zum Eibach ein selbst verfasstes Gedicht vorgetragen. «Für mich war das Schreiben dieses Gedichts ein Test, ob ich es noch draufhabe», sagt sie zu ihrem Auftritt und spielt damit auch auf ihr hohes Alter und ihre Gesundheit an. Das Schreiben hat Mathys nicht verlernt, ihr Gedicht bekam viel Applaus. Vielleicht auch deshalb, weil Sprache und Schreiben ihre grosse Leidenschaft sind.
1928 in Basel geboren, wuchs Elfriede Mathys in Gelterkinden in einer Bauernfamilie mit zwei älteren Brüdern auf. Die Zeiten waren damals andere: Als Tochter durfte sie keinen Beruf erlernen, musste stattdessen zu Hause arbeiten und auf dem Hof mithelfen – obwohl sie das eigentlich gar nicht gerne machte. In der obligatorischen Schulzeit zeigte sich dann ihr Interesse und ihre wahre Begabung: «Aufsätze schreiben und Singen waren meine liebsten Beschäftigungen in der Schule», erinnert sie sich. Damals entstanden ihre ersten Gedichte.
Diese frühe Liebe zur Sprache sollte ihr Leben prägen. Im Jahr 1956 heiratete sie. Als Hausfrau und Mutter von vier Kindern schien das Schreiben zunächst in den Hintergrund zu treten. Doch in den Siebzigerjahren, als die Kinder schon grösser waren, begann sie wieder zu schreiben – zunächst aber nur für sich selbst.
Der Weg in die Öffentlichkeit
Was als private Leidenschaft begann, entwickelte sich bald zu mehr. Elfriede Mathys merkte, dass ihre Gedichte und Geschichten auch anderen Freude bereiteten. Sie begann, im kleinen Kreis vorzutragen, wurde von Vereinen im Oberbaselbiet eingeladen. Ihre Texte spiegelten wider, was sie bewegte: die Natur, Jahreszeiten, und Begegnungen mit verschiedensten Menschen.
Von 2000 bis 2009 erschienen regelmässig Mundart-Kolumnen von ihr in der «Volksstimme». «Ich lernte, den Computer zu bedienen, um meine Texte digital zu verschicken», erinnert sich die Oberbaselbieterin. 2008 publizierte sie ihr eigenes Buch «s Lääben isch e Kreis», eine Sammlung ihrer «Väärs und Gschichte».
«Der Stolz war gross»
Mit 97 Jahren ist Elfriede Mathys eine lebende Chronistin des gesellschaftlichen Wandels. Dass es heuer in Gelterkinden keine offizielle 1.-August-Feier gab, machte sie traurig – und brachte sie dazu, wieder zur Feder zu greifen. Sie erinnere sich an Zeiten, als die 1.-August-Feier in Gelterkinden noch ein grosses Gemeinschaftsereignis war: «Die Kirchenglocken läuteten die 1.-August-Feier ein und von Zuhause aus gingen wir gemeinsam zum Dorfplatz, es gab Reden, Musik und die Landeshymne – damals noch ‹Rufst du, mein Vaterland›.» Die Kinder trugen kleine Lampions oder bengalische Zündhölzer, und «die Freude und der Stolz auf unser Land waren gross».
Das Vereinsleben war damals deutlich lebendiger als heute: Turnverein, Musikverein, Frauenverein, Fussballklub. Mathys war mittendrin: 40 Jahre sang sie im Kirchenchor, war im Krankenpflegeverein aktiv und später Teil des Samaritervereins.
«Die Welt ist grösser und schneller geworden», stellt sie nüchtern fest. Ihre Enkel seien heute auf dem ganzen Globus unterwegs – «das ist nicht schlecht, nur eben anders». Früher kannte man alle in der Nachbarschaft, heute sei vieles anonymer geworden. Doch sie hadert nicht: «Früher hatte man weniger, dafür war vieles einfacher. Aber man muss mit der Zeit gehen», versucht sie zu erklären. Es sei schwierig, dies in Worte zu fassen. Vieles seien einfach Empfindungen.
Jetzt lebt Mathys im Gelterkinder Altersheim und hat anscheinend ihren Frieden mit dem Wandel gefunden: «Mit dem Alter lernt man loszulassen.» Das Singen in der Kirche fehle ihr aber. Dafür ist die grösste Konstante geblieben: das Schreiben. «Ich habe noch so viele Texte. Das ist ein gutes Training für meinen Kopf.» In einer Zeit, in der Traditionen schwinden und sich Gemeinschaften wandeln, ist Elfriede Mathys eine Bewahrerin der Erinnerung, eine Stimme, die Brücken schlägt zwischen dem, was war, und dem, was ist.
Das «Eibach»-Fest
mef. Das zweitägige Fest im Gelterkinder Altersheim zum Eibach findet morgen Freitag (17 bis 23 Uhr) und am Samstag (10 bis 15 Uhr) statt. Für musikalische Unterhaltung sorgen Barbara Frei und Patrick Weibel aus Gelterkinden, alias «Music of Paradise», mit Hits aus den 1970er-, 1980er-, 1990er- und 2000er-Jahren sowie aktuellen Songs. Am Samstag machen die «Bözberg Buebe» die Bühne unsicher. An beiden Tagen gibt es kulinarische Angebote, darunter Pizza aus dem Holzofen, Grilladen, Salatbuffets, Croffles, Raclette und Spezialitäten aus Eritrea. Ein Glacewagen wird ebenfalls vor Ort sein. Gegen den Durst wird eine Cocktail-Bar betrieben. Am Samstag wird zudem ein Dessertbuffet angeboten.