Mehr Kompetenzen, weniger Fächer
29.02.2024 Bezirk Liestal, Bildung, Gesellschaft, Baselbiet, RegionDer Kaufmännische Verband eröffnet neue Lernlandschaften
Aus klassischen Schulzimmern wurden moderne Lernlandschaften mit fast doppelt so viel Fläche. Der Kaufmännische Verband Baselland baute das Attikageschoss im Trakt B am Obergestadeckweg in Liestal ...
Der Kaufmännische Verband eröffnet neue Lernlandschaften
Aus klassischen Schulzimmern wurden moderne Lernlandschaften mit fast doppelt so viel Fläche. Der Kaufmännische Verband Baselland baute das Attikageschoss im Trakt B am Obergestadeckweg in Liestal grosszügig um. Sogar ein Laden zum Üben wurde eingerichtet.
Tobias Gfeller
Was soll es denn sein: eine Wurst, ein Stück Käse, oder doch etwas Süsses? Wer den täuschend echt nachgebauten Einkaufsladen in der kaufmännischen Schule in Liestal besucht, muss gut hinschauen, welche Produkte nachgemacht und welche tatsächlich echt sind. Die Besucherinnen und Besucher am Dienstagabend, denen die neuen Lernlandschaften im Rahmen der Veranstaltung «Über den Dächern» vorgestellt wurden, hatten viel zu diskutieren und zu rätseln.
Als quasi Hauptmieter im Shop machte Coop den praxisnahen Übungsplatz erst möglich. Umsatz machen werde der Laden nicht, scherzte Isabelle Moesch, Leiterin HR Coop, Verkaufsregion Nordwestschweiz-Zentralschweiz-Zürich. Neben Coop haben auch eine bekannte Autogarage aus der Region, ein Snowboard-Shop und eine Liestaler Modeboutique Produkte zur Verfügung gestellt. Praxisnäher kann man an einer Schule den Detailhandel nicht simulieren. Urs Hofmann, Präsident des Kaufmännischen Verbands Baselland, konnte seinen Stolz nicht verbergen: «Damit sind wir Vorreiter», sagt er mit einem Strahlen. Eine solche Infrastruktur gebe es nur noch in der Ostschweiz, einen simulierten Verkaufsladen noch gar nirgends. «In der Region sind die neuen Lernlandschaften einzigartig.»
Von der Wandtafel zur KI
Das Attikageschoss im Trakt B am Obergestadeckweg 21 in Liestal kommt modern daher. Lernlandschaften ersetzen die klassischen Schulzimmer. Die Räumlichkeiten sind vielfältiger gestaltet. Im Foyer gibt es grosszügige Plätze, an denen man mit dem Notebook arbeiten kann. Besonders fallen die Stühle auf, die wie eine Schaukel aufgehängt sind. Es sei erwiesen, dass permanente Bewegung die Gehirnfunktion anrege, erklärte Ramon Wardak, Leiter der Kaufmännischen Berufsfachschule.
Gemeinsam mit Thilo Kurtz, dem Leiter der Berufsfachschule für Detailhandel, zeigte Wardak in einem Referat die Entwicklung des Lernens auf. Das Lernen verändere sich in Sachen Technik – von der Wandtafel über den Hellraumprojektor bis hin zur Künstlichen Intelligenz (KI) – und in Sachen Unterrichtsformen. Die klassischen Fächer würden durch sogenannte Kompetenzen ersetzt. Gerade im kaufmännischen Bereich sei man in dieser Entwicklung schon weit fortgeschritten, betonte Wardak. In der Berufsschule für Detailhandel gebe es vereinzelt noch Fächer. Vernetztes Denken werde immer wichtiger, weshalb einzelne Themen und eben Fächer nicht mehr nur für sich unterrichtet werden können.
Ramon Wardak und Thilo Kurtz erwähnten die wachsende Bedeutung von Kompetenzen anstelle von blossem Wissen immer wieder. Von Lernen in neuen Dimensionen war die Rede. Das Vermitteln von Wissen sei natürlich noch immer wichtig an einer Berufsschule, es gehe aber immer mehr darum, Aufgaben im praxisnahen Alltag lösen zu können. Die Schülerinnen und Schüler sollen in ihrer Ausbildung immer selbstständiger werden. Die Lehrpersonen werden neben ihrer ursprünglichen Tätigkeit immer mehr zu Coaches der Schülerinnen und Schüler. Das veränderte Lernen setze eine entsprechende Infrastruktur voraus, mahnten Wardak und Kurtz.
Kein akuter Lehrlingsmangel
Gemäss Urs Hofmann konnte im Trakt B der kaufmännischen Schule im obersten Stockwerk fast doppelt so viel Raum geschaffen werden. Die Kosten für den Umbau belaufen sich auf 2,5 bis 3 Millionen Franken, verrät Hofmann. Die Schlussabrechnung liege aber noch nicht vor. Der Präsident des Kaufmännischen Verbands Baselland ist überzeugt, dass sich die Investition lohnen wird: «Mit der neuen Lernlandschaft macht die Schule einen bedeutenden Schritt in die Zukunft.» Im Gegensatz zu anderen Branchen haben die kaufmännischen Berufe und der Detailhandel aktuell keinen akuten Mangel an Lehrlingen. Es sei aber zunehmend eine Herausforderung, «gute» Lehrlinge zu finden, gibt Hofmann zu bedenken.