Lauber muss den Überschuss rechtfertigen
27.03.2025 Baselbiet, Politik, Baselbiet, FinanzenFinanzdirektor argumentiert mit nicht beeinflussbaren Volatilitäten bei den Einnahmen
Um 217 Millionen Franken übertrifft die Rechnung 2024 des Kantons das Budget. Dieses hatte ein Defizit vorgesehen; es resultierte ein Plus von 157 Millionen. Finanzdirektor Anton Lauber ...
Finanzdirektor argumentiert mit nicht beeinflussbaren Volatilitäten bei den Einnahmen
Um 217 Millionen Franken übertrifft die Rechnung 2024 des Kantons das Budget. Dieses hatte ein Defizit vorgesehen; es resultierte ein Plus von 157 Millionen. Finanzdirektor Anton Lauber erklärt die Abweichung und bricht eine Lanze für die Schuldenbremse.
Peter Sennhauser
Es ist selten, dass sich Politiker dafür entschuldigen müssen, dass etwas besser herausgekommen ist, als sie es vorhergesehen haben. In dieser Situation findet sich derzeit der Baselbieter Finanzdirektor Anton Lauber («Mitte») wieder.
Eben noch hatte der Landrat schmerzhafte Sparmassnahmen verabschiedet, da konnte Lauber im Herbst bekanntgeben, dass 2024 statt eines Defizits von 60 Millionen ein Gewinn von 157 Millionen Franken resultieren dürfte. Seither verlangt die Politik von Links bis zur Mitte einen Stopp der laufenden Sparmassnahmen (Grüne und EVP in einer Medienmitteilung gestern) oder wirft Lauber vor, den Kanton im «finanziellen Blindflug» zu regieren: Die SP schreibt in ihrem Communiqué zur Rechnungs-Präsentation, «derart grobe Fehleinschätzungen verfälschten die Entscheidungsgrundlagen für Landrat und Volk». Sie fordert eine umfassende Liste Rücknahmen von Sparbeschlüssen (siehe auch «Carte Blanche» von SP-Landrat Ernst Schürch auf Seite 2).
Den Finanzchef lässt die Kritik kalt. Er präsentierte gestern vor der Presse die Gründe für die massive Abweichung: Enorm viel höhere Steuereinnahmen als angenommen, speziell bei den Immobiliensteuern (siehe Kasten). Genauer: Handänderungs- und Grundstücksgewinnsteuern 116 Millionen, Gewinnsteuern (Firmen) 88 Millionen, Vermögenssteuern natürlicher Personen 26 Millionen und «diverse» 9 Millionen.
Lauber betonte, dass Steuereinnahmen nicht nur zum Zeitpunkt der Budgetierung, sondern selbst bei der Rechnungslegung noch auf Schätzungen beruhen. Die nimmt das unabhängige Institut «BAK economics» für die Baselbieter Finanzdirektion vor, und zwar in mehreren Iterationen während des Jahres. Für 2024 lagen die BAK-Schätzungen anfangs deutlich zu tief. Gegen Ende Jahr wurde deutlich, dass die Steuereinnahmen um rund 230 Millionen höher sein würden.
Viele Schätzungen
Dazu kommt jetzt gemäss Rechnung, dass der Aufwand tiefer war, und zwar aufgrund von Einsparungen in verschiedenen Bereichen: beim Personalaufwand (21 Millionen Franken), beim allgemeinen Sachaufwand (27 Millionen), der ausgebliebenen Wertberichtigung für das Spital Laufen (10 Millionen), der Aufwertung von Liegenschaften (14 Millionen), dem Geschäftsertrag der Kantonalbank (9 Millionen) und den Prämienverbilligungen (7 Millionen).
Lauber verwies entsprechend gut gelaunt auf den positiven Finanzierungssaldo und die Reduktion der Netto-Verschuldung um 108 Millionen auf 2,3 Milliarden Franken. Er sagte, dass mit diesen Zahlen der mittelfristige Ausgleich (das durchschnittliche Resultat über mehrere Jahre) bei plus 63 Millionen liege.
Eine dritte Phase des Entlastungspakets werde damit hinfällig, so Lauber; an den bisherigen Sparmassnahmen bis und mit 2028 will er aber festhalten. Man könne über die Schuldenbremse diskutieren, fand Lauber, man müsse sich aber bewusst sein, dass das Pendel ebenso schnell in die negative Richtung ausschlagen könnte wie es jetzt in die positive ausgeschlagen habe. Um dafür gewappnet zu sein, sei die Planung mit einem mittleren Ausgleich über mehrere Jahre die richtige Methode, so Lauber.
Der Finanzdirektor zeichnete an der Pressekonferenz ein Gesamtbild, das die Finanzplanung als ein dynamisches Gebilde mit zahlreichen Variablen zeigt. So seien 2024 auch 45 Millionen weniger Nationalbank-Gewinnausschüttungen geflossen als vorhergesehen; aus der direkten Bundessteuer habe das Baselbiet 21 Millionen weniger erhalten als budgetiert. «Das ist keine exakte Wissenschaft», sagte Lauber, «im letzeren Fall zum Beispiel erhalten wir einen Brief, in dem steht, ‹die Bundessteuer für Ihren Kanton beträgt Betrag x›».
Der Kanton habe nicht «auf Vorrat gespart», sagt Lauber. «Ich kann Ihnen sagen, wir arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen mit den Zahlen, die wir haben. Die Entlastung haben wir im Hinblick auf den mittelfristigen Ausgleich gemacht. Wenn ich die Schuldenbremse einhalten will, dann kann ich jetzt nicht auf die Entlastungsmassnahmen verzichten.» Ob man die Schuldenbremse ausser Kraft setzen wolle, sei eine andere Diskussion; das habe der Kanton bei der Sanierung der Pensionskasse getan, deren Fehlbetrag von 1,1 Milliarden Franken über einen Zeitraum von 20 Jahren mit jährlichen Beiträge von 55 Millionen vorsieht. Obwohl diese Zahlung 2024 nicht vorgenommen wurde, liegt man sechs «Raten» im Vorsprung.
Was die Zukunft angeht, warnte Lauber vor weiteren Variablen: Neben steigenden Bildungskosten seien die Prämienabzugs- und die Kinderbetreuungsiniativen bei einer Annahme mit Kostenfolge in jedenfalls zwei-, wenn nicht dreistelliger Millionenhöhe zu budgetieren – jährlich.
und vielleicht kommt noch mehr
sep. 238 Millionen Franken hat der Fiskus 2024 an Immobiliensteuern (Grundstücksgewinn- und Handänderungssteuern) eingenommen. Weil dies aber zum grossen Teil Vorauszahlungen sind, die noch nicht veranlagt sind, ist unklar, was davon dem Staat letztlich bleibt. Meistens werden namhafte Rückzahlungen fällig. Aufgrund von Erfahrungswerten schätzt die Steuerverwaltung, dass netto 180 Millionen effektiv geschuldet sind. Davon hat sie aber – in Absprache mit der Finanzkommission des Landrats – lediglich 80 Millionen abgegrenzt, heisst, in die Rechnung 2024 aufgenommen. Somit bilden die Immobiliensteuern mit 106 zusätzlichen Millionen den Löwenanteil der Budgetdifferenz.
Aus der obigen Rechnung bleiben damit aber 100 Millionen, die noch nirgends verbucht sind: Laut Steuerverwaltung eine Sicherheitsreserve. Denn bei den Veranlagungen schiebt die Verwaltung einen Berg an Pendenzen vor sich her, der jetzt mit rund 30 zusätzlichen internen und externen Fachleuten bis Ende 2025 abgebaut werden soll. Zeigt sich dann, dass auch die noch nicht abgegrenzten 100 Millionen anfallen, dann beeinflussen diese die Rechnung 2025.