«Keiner wird Gülle ausschütten»
02.02.2024 Baselbiet, Verkehr, Politik, Landwirtschaft, Baselbiet, RegionBauernpräsident Marc Brodbeck unterstützt Bauerndemo
Der Baselbieter Bauernpräsident Marc Brodbeck wird morgen eine Solidaritäts-Demo für Landwirte in Deutschland und Frankreich besuchen. Die Ausgangslage in der Schweiz sei nicht dieselbe wie im Ausland, das ...
Bauernpräsident Marc Brodbeck unterstützt Bauerndemo
Der Baselbieter Bauernpräsident Marc Brodbeck wird morgen eine Solidaritäts-Demo für Landwirte in Deutschland und Frankreich besuchen. Die Ausgangslage in der Schweiz sei nicht dieselbe wie im Ausland, das Problem schon: Der Erlös für landwirtschaftliche Erzeugnisse ist zu tief.
Christian Horisberger
nHer Brodbeck, über Soziale rufen Baselbieter und Fricktaler Bauern zu einer Traktoren-Sternfahrt auf – aus Solidarität mit demonstrierenden Landwirten in Deutschland und Frankreich, wie es heisst. Werden Sie teilnehmen?
Marc Brodbeck: Mein Junior wird vielleicht mitmachen und ich versuche, meine Agenda freizuschaufeln, damit ich auch dabei sein kann. Dies primär als Zuschauer und nicht in meiner Funktion als Bauernverbandspräsident. Ich erwarte eine friedliche Veranstaltung.
Der Bauernverband beider Basel ist also offiziell nicht in die Organisation involviert?
Nein. Wir sind aber nicht dagegen. Ich selbst habe über Social Media davon erfahren. Die Sternfahrt geht auf junge Landwirte zurück, die Probleme auf sich zukommen sehen und damit ein Zeichen setzen wollen. Mit meiner Teilnahme möchte ich auch zum Ausdruck bringen, dass der Verband für die Basis da ist.
Auch, um dafür zu sorgen, dass nichts aus dem Ruder läuft?
Ich bin sicher, alles wird friedlich ablaufen. Keiner wird Gülle ausschütten oder Mist ausbreiten.
Worum geht es den Bauern mit der Demonstration?
Nur um die Solidarität mit den Landwirten in Deutschland und Frankreich?
Es geht darum, aufzuzeigen, dass wir ähnliche Probleme haben wie unsere Berufskollegen dort: Die Auflagen für die Produktion werden strenger, die Produktionskosten steigen, die Preise, die wir von unseren Abnehmern erhalten, stagnieren jedoch – oder sinken sogar. Der Strompreis ist in den vergangenen zwei Jahren um 50 bis 60 Prozent gestiegen, der Milchpreis hingegen ist innert eines Jahres um 7 bis 8 Rappen gefallen. Auch die Gemüseproduzenten und Getreidebauern stehen unter einem enormen Preisdruck.
Anders als in vielen anderen europäischen Staaten hat die Schweizer Landwirtschaft in der Politik eine sehr starke Lobby: National- und Ständerat haben im Dezember eine Sparübung des Bundesrats zulasten der Bauern abgesägt. Ist die Not der Schweizer Bauern denn wirklich so gross, um nun auch auf die Strasse zu müssen?
Der Bauernstand ist in Bern tatsächlich gut vertreten. Sicherlich haben wir eine andere Ausgangslage als andere Länder. Aber wir haben auch sehr hohe Strukturkosten. Das Problem zunehmend strengerer Auflagen bei der Produktion und höherer Kosten bei stagnierenden Produzentenpreisen ist bei uns das gleiche wie im Ausland. Auf so eine Situation darf man auch aufmerksam machen.
An wen richtet sich die Demonstration morgen Samstag?
An die Konsumentinnen und Konsumenten, an die Grossverteiler und Grossisten, die unsere Erzeugnisse aufkaufen und die Preise festsetzen, die wir als Produzenten erhalten. Die Politik legt wohl die Rahmenbedingungen fest, hat auf den Markt und die Preisbildung jedoch keinen direkten Einfluss.
Dann geht es ums Geld.
Ganz klar. Wir fordern für unsere Erzeugnisse in diesem Jahr einen um 5 bis 10 Prozent höheren Erlös von unseren Abnehmern der Lebensmittelproduktion. Die Konsumenten mögen nun das Gefühl haben, die Produkte im Laden würden teurer, wenn unsere Forderung erfüllt werden. Aber im Detailhandel ist bereits vieles teurer geworden – und wir Produzenten haben davon nichts erhalten. Wenn unsere Abnehmer unsere Forderung erfüllen, steigen nicht die Preise in den Läden, sondern die Margen der Zwischenhändler werden kleiner.
Bei welchen Produkten klaffen Produktionskosten und Verkaufserlös am weitesten auseinander?
Bei Käserei- und Industriemilch, Gemüse und Obst.
Wegen einer Demo allein dürften die Landwirte vom Handel nicht mehr Geld für ihren Weizen oder ihre Rüebli und Äpfel bekommen …
Es ist eine öffentliche Kundgebung zur aktuell unbefriedigenden Situation, die eine Bauernfamilie im Übrigen nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht stark belasten kann. Das steht den Landwirten insgesamt zu. Die Preise werden letztlich bei Gesprächen der bäuerlichen Branchenverbände mit den Abnehmern verhandelt. Die Forderung nach Erhöhungen der Produzentenpreise wird innerhalb des Schweizer Bauernverbands schon länger diskutiert. Daher hat der Schweizerische Bauernverband diese Woche auch eine Petition lanciert.
Was geschieht, wenn der Handel nicht bereit ist, für landwirtschaftliche Produkte mehr zu bezahlen?
Das sieht man im Ausland: Die Betriebe werden grösser und grösser. Aber selbst Bauernhöfe mit 100 Hektaren kommen dort an den Anschlag. Ich habe das Gefühl, dass wir mit unserem System – auch mit den Direktzahlungen – auf dem richtigen Weg sind. Was wir jetzt fordern, ist kein Luxus. Wir möchten lediglich von unserer Arbeit leben können.