Kaffee, gebraut mit Strom vom Dach
17.11.2023 Bezirk Sissach, Kultur, Sissach, BaselbietCafé Caprice mit Solaranlage in der Kernzone
Der Sissacher Bäcker und Gastronom Alfred Gunzenhauser hat in der geschützten Kernzone eine Photovoltaikanlage realisiert. Das Bewilligungsverfahren ging zu seiner eigenen Überraschung reibungslos über die ...
Café Caprice mit Solaranlage in der Kernzone
Der Sissacher Bäcker und Gastronom Alfred Gunzenhauser hat in der geschützten Kernzone eine Photovoltaikanlage realisiert. Das Bewilligungsverfahren ging zu seiner eigenen Überraschung reibungslos über die Bühne.
Christian Horisberger
«Den Gästen einen mit Strom vom eigenen Dach gebrauten Kaffee anbieten – diese Idee hatte ich jahrelang im Hinterkopf.» Die Einschränkungen des Kantons für den Bau von Solaranlagen in Kernzonen sowie in Gemeinden mit national geschütztem Ortsbild (Isos) hat den Sissacher Bäckermeister Alfred Gunzenhauser aber zunächst davon abgehalten, den Bau der Anlage für das zur Bäckerei gehörende Café Caprice in Angriff zu nehmen. Die letztjährige Lockerung der Solardach-Beschränkungen des Kantons nahm er schliesslich zum Anlass, aus der Idee ein Projekt zu machen.
Als wir Alfred Gunzenhauser diese Woche im «Caprice» auf einen Kaffee treffen, ist es draussen nasskalt, der Himmel bedeckt. Die Ausbeute der Solaranlage auf dem Dach des Restaurants, die seit einem Monat in Betrieb ist, liegt weit unter der Maximalleistung von 17 Kilowattstunden. Aber für unseren Cappuccino dürfte der Strom gereicht haben. Bei einem permanent wolkenlosen Himmel würde die Anlage rund 80 Prozent des in Restaurant und Küche benötigten Stroms liefern, sagt der inzwischen pensionierte Bäckermeister. Realistischerweise dürften es durchschnittlich 40 bis 50 Prozent sein. Genaueres könne er nach nur einem Monat noch nicht sagen.
Problemlos bewilligt
Die Installation der Solarpanels auf den nach Süden orientierten Dächern des «Caprice» und der angebauten Liegenschaft dauerte zwei Wochen. Auch das Bewilligungsverfahren ging flott über die Bühne – zu Gunzenhausers grosser Überraschung, nachdem er bei anderen Bauvorhaben mit dem Denkmalschutz «schon ganz anderes erlebt» habe, wie er sagt. Nur fünf Wochen nach der Baueingabe habe das Bauinspektorat im April dieses Jahres grünes Licht für die Solarstromanlage gegeben. Dies, ohne dass die Denkmalpflege, der Ortsbildschutz, der Heimatschutz oder die lokale Baukommission etwas von ihm gewollt haben.
In der Baubewilligung nimmt die kantonale Denkmalpflege zum Gesuch wie folgt Stellung: «Es wird empfohlen, dass die Solaranlage ohne sichtbare Armaturen und Leitungen ausgeführt wird, sowie dass die Abschlüsse und Rahmen die gleiche Farbe wie die Solarpanels aufweisen.» So viel Grosszügigkeit habe er nicht erwartet, kommentiert der pensionierte Chef, der im Betrieb als «Notnagel» und für Projekte weiterhin mitwirkt, wie er selber sagt.
Die Solaranlage auf dem «Caprice»- Dach ist vom Postplatz aus gut sichtbar. Allerdings sind die unterhalb der Solarpanels montierten Schneefänge viel auffälliger als die Panels selber. Die Denkmalpflege hätte dieses Projekt wahrscheinlich schon vor Jahren durchgewinkt. Denn die Lockerung vom Juni 2022 wegen eines Vorstosses der Itinger Landrätin Saskia Schenker (FDP) betraf nur Gebäude in Isos-Gebieten ausserhalb der Kernzone. Sowohl in der Kernzone, wo sich das «Caprice» befindet, als auch in Isos-Gebieten waren und sind Solaranlagen nicht verboten, bloss sind die Hürden dort am höchsten (siehe Kasten).
Als höchste Hürde des Projekts von Gunzenhauser erwies sich die Verfügbarkeit des Materials. Es dauerte rund sechs Monate, bis die Solarpanels geliefert wurden. Ohne Lieferengpass hätte das «Caprice» während des Super-Sommers Tausende Franken an Stromkosten sparen können. Gunzenhauser rechnet vor: Die Stromrechnung des Café-Restaurants betrage monatlich rund 9000 Franken. Beim aktuellen Strompreis liessen sich durch die Eigenproduktion schätzungsweise 4000 Franken einsparen – im Monat. Die Werte basieren auf dem aktuellen Preis für eine Kilowattstunde Strom aus dem Netz von 41 Rappen gegenüber den Produktionskosten des eigenen Solarstroms von 13 Rappen – ausgehend von einer Amortisationsdauer der Anlage von 30 Jahren.
«Jede Anlage lohnt sich»
Die Investition für die Anlage inklusive Planung, Baugerüst, Material und Montage beziffert Alfred Gunzenhauser auf rund 80 000 Franken. Ein Antrag für einen Investitionsbeitrag vom Bund sei gestellt und noch nicht beurteilt worden. Er spricht von einer guten Investition, die er weiter empfiehlt: «Jede Anlage, ob gross oder klein, lohnt sich.» Daher sei er erstaunt, dass nicht schon mehr Anlagen in der Kernzone oder im Isos-Bereich installiert worden sind.
Auch die Lockerung der Bestimmungen im vergangenen Jahr hat den Bau von Solaranlagen in sensiblen Gebieten nicht beflügelt. Laut Auskunft der kantonalen Denkmalpflege habe die Zahl der Baugesuche für Photovoltaikanlagen seither nur leicht zugenommen. Dies könnte sich ändern, falls zwei weitere Vorstösse von Saskia Schenker in dieser Sache erfolgreich sind. Ein erstes Postulat zielt darauf ab, dass auf Dächern von Gebäuden, die sich in Isos-Gebieten befinden, aber nicht mit «besondere Bedeutung» gekennzeichnet sind, Photovoltaikanlagen mit weniger strengen Auflagen realisiert werden dürfen.
Der zweite Vorstoss will, dass bei der Bewilligung von Solaranlagen auf Gebäuden mit dem höchsten Schutzstatus das Kriterium «schlecht einsehbar» grosszügiger ausgelegt wird. In der Praxis wende die Denkmalpflege das Kriterium «schlecht einsehbar» als «nicht einsehbar» an, schreibt Schenker in ihrem Postulat. Damit würden in Kernzonen auch Solaranlagen verboten, die nur von einem entfernten Fussweg aus gesehen werden können oder die auf der Dachseite zu einem Hinterhof montiert sind und so das Dorfbild nicht beeinträchtigen. Beide Postulate wurden an der gestrigen Landratssitzung stillschweigend überwiesen.
Gesuch nur für Anlagen in Schutzzonen
vs. Für die Installation einer Solaranlage auf einem Hausdach in der Bau- oder Landwirtschaftszone ist im Baselbiet keine Bewilligung erforderlich. Eine Meldung reicht. Dies betrifft 93 Prozent der Dachflächen im Kanton. Hingegen müssen Baugesuche eingereicht werden für Solaranlagen in Kern-, Ortsbildschutz- und Denkmalschutzzonen. Bewilligungsfähig sind sie, sofern sie «genügend angepasst» sind. Es gelten unter anderem folgende Kriterien:
• nur eine Anlage pro Dachfläche
• kompakte, regelmässige und zusammenhängende Fläche
• rechteckige Form, parallel zu den Dachbegrenzungen montiert
• möglichst reflexfrei Restriktiver sind die Kriterien für Solaranlagen auf Kulturdenkmälern, welche diese «nicht wesentlich beeinträchtigen» dürfen. Zu erfüllen sind unter anderem diese Voraussetzungen:
• schlecht einsehbar
• möglichst auf untergeordneten Dächern
• mit der darunter liegenden Fassade harmonierend
• dachbündig und nicht aufgeständert eingebaut
• ohne sichtbare Armaturen und Leitungen