«Jüngere lassen sich eher zu Risiken verleiten»
18.07.2025 Baselbiet, Baselbiet, VerkehrAufgrund der starken Zunahme von schweren Unfällen wird das Mindestalter fürs Töfffahren diskutiert. Die Arboldswiler Fahrlehrerin Sandra Hilfiker fordert eine fundiertere Ausbildung oder eine Rückkehr zum Einstiegsalter 18.
Christian Horisberger
...Aufgrund der starken Zunahme von schweren Unfällen wird das Mindestalter fürs Töfffahren diskutiert. Die Arboldswiler Fahrlehrerin Sandra Hilfiker fordert eine fundiertere Ausbildung oder eine Rückkehr zum Einstiegsalter 18.
Christian Horisberger
Auto fahren darf man mit 18. Einen Töff, der deutlich über 100 km/h schnell ist, bereits mit 16. Frau Hilfiker, ergibt das für Sie als routinierte Töfffahrerin und Fahrlehrerin einen Sinn?
Sandra Hilfiker: Ist es nicht fahrlässig, wenn ein 18-jähriger frisch ab Autoprüfung einen 400-PS-Boliden fahren darf? Diese und Ihre Frage lassen sich nicht pauschal beantworten, denn die Eignung fürs Töfffahren kann man nicht aufs Alter reduzieren. Ein wesentlicherer Faktor ist die Reife eines Menschen. Ich kenne 15-jährige, sehr reflektierte Menschen, von denen sich manch ein 40-Jähriger eine Scheibe abschneiden könnte. Auch die Situation und das persönliche Umfeld eines jungen Fahranfängers spielen eine Rolle: Der eine will mit einem kostengünstigen Verkehrsmittel einfach nur von A nach B kommen, ein anderer stammt aus einer Familie mit lauter Motorradfahrern mit Benzin im Blut.
Tatsache ist: Seit der Senkung des Mindestalters auf 16 Jahre haben sich die schweren Unfälle mehr als verdoppelt. Die Zunahme geht vor allem aufs Konto von Junglenkern. Die Beratungsstelle für Unfallverhütung und Politiker fordern die Erhöhung des Mindestalters, was der Bundesrat auch prüfen lassen will. Wie stehen Sie dazu?
Die Senkung des Einstiegsalters im Jahr 2021 war eine Anpassung an EU-Recht. Im Grundsatz ist daran nichts Schlechtes …
Aber …?
Die Ausbildung muss entsprechend angepasst werden. In Deutschland zum Beispiel, wo 16-Jährige schon lange 125er fahren dürfen, müssen Fahranfänger immer in Begleitung eines Fahrlehrers oder einer Fahrlehrerin sein. Bei uns kann ein blutiger Anfänger mit dem Lernfahrausweis in der Tasche, ohne je einen Meter Töff gefahren zu sein, allein losfahren.
Es besteht für Lernfahrer aber die Verpflichtung, einen dreiteiligen Grundkurs aus Manövrieren, Fahren im Verkehr, Notbremsen und sicherem Kurvenfahren zu absolvieren.
Das sind lediglich dreimal vier Stunden. Darüber hinaus nehmen aus Kostengründen die wenigsten Töff-Anfänger individuelle – nicht obligatorische – Fahrstunden. Eine fundiertere Grundausbildung und Pflicht-Fahrstunden wären aber sinnvoll.
Wie viel Eigeninteresse spielt da mit?
Die Unfallzahlen sprechen für sich, die Zunahme seit der Anpassung des Mindestalters ist extrem. Es muss zwingend etwas unternommen werden, um die Sensibilisierung für das grosse Unfall- und Verletzungsrisiko zu erhöhen und die Fahr- und Verkehrssicherheit zu verbessern. Entweder man hebt das Mindestalter wieder an oder aber man sorgt für eine bessere Ausbildung. Und dabei sollte es nicht bleiben. Auch wenn viele nun denken, es ginge mir ums Geld – bin ich davon überzeugt, dass auch über die Prüfung hinaus Auffrischungskurse, Weiterbildungen oder auch nur «Aufwärmtrainings» zu Saisonbeginn dazu beitragen, die Sicherheit von Töfffahrern zu erhöhen.
Sie fahren seit 20 Jahren Töff. Wie halten Sie es damit?
Schon lange bevor ich Fahrlehrerin wurde, habe ich häufig solche Kurse, die übrigens nicht viel kosten, absolviert und von jedem habe ich etwas mitnehmen können.
Sie kennen die Unfallzahlen. Was geben Sie Ihren Fahrschülern hier mit auf den Weg?
Ich vermittle ihnen, dass Töfffahren gefährlicher ist als Autofahren, und animiere sie zu Eigenverantwortung und zum Mitdenken. Neben den vorgegebenen Inhalten des Grundkurses weise ich sie darauf hin, dass sie immer damit rechnen müssen, dass andere Fehler machen und sie diese kompensieren müssen, dass sie brenzlige Situationen, in die sie geraten, analysieren und reflektieren müssen, um daraus zu lernen.
Den Mahnfinger bekommen Ihre Fahrschüler nicht zu sehen?
Ich bin als Fahrlehrerin nicht das Mami, sondern die Erwachsenenbildnerin. Meine Klienten sind keine Kinder und die Ausbildung findet auf Augenhöhe statt – auch untereinander. So können beim Unterricht in der Gruppe alle voneinander profitieren: die Jungen von der Erfahrung der Älteren, die Älteren vom noch frischen und aktuellen Verkehrswissen der Jungen.
Inwiefern unterscheidet sich ein 16-Jähriger von einem 18-jährigen oder älteren Töfffahrer?
Der ganz Junge ist eher das Rudeltier, das sich in einer Gruppe leichter zu Risiken verleiten lässt. Darauf habe ich leider keinen Einfluss und kann nur hoffen, dass es in der Gruppe auch einen ruhigen Pol gibt.
Erkennen Sie, wer sich ausserhalb des Fahrunterrichts zu ungestüm in die Kurven legen wird?
Kaum. Die Teilnehmenden der Gruppenkurse sind oft ein zusammengewürfelter Haufen. In so einer Gruppe hält man sich eher zurück. Ich hatte schon einen Schüler, der sich im Kurs vorbildlich verhalten hat, und später erfuhr ich, dass er zwei Monate nach der Fahrprüfung das Billett wieder abgeben musste.
Und der Töff? Deutet eine Sportmaschine auf einen potenziellen Schnellfahrer hin?
Das kann man nicht pauschal sagen. Ich erinnere mich an einen jungen Kursteilnehmer, der sagte, er wolle später einmal mit seiner Sportmaschine auf die Rennstrecke. Er fiel mir aber als besonders besonnen und reflektiert auf und entsprach damit überhaupt nicht dem Klischee eines risikobereiten Schnellfahrers.
Zurück zum Einstiegsalter 18?
Seit 2021 dürfen 16-Jährige nach bestandener Theorieprüfung ohne Fahrpraxis Töffs mit 125 Kubikzentimetern Hubraum fahren – die Schweiz hatte damals EU-Recht übernommen. Seither häufen sich schwere Töffunfälle, insbesondere mit Junglenkern. Im vergangenen Jahr verletzten sich auf Schweizer Strassen 216 junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 Jahren beim Motorradfahren schwer und 14 tödlich. Zudem verursachten drei Viertel der 18bis 24-Jährigen ihre schweren Motorradunfälle selbst. Die Unfallzahlen haben sich laut der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) seit der Einführung der tieferen Altersgrenze mehr als verdoppelt. Aufgrund der Unfallzahlen forderte die Beratungsstelle kürzlich, dass 125er-Maschinen erst wieder ab 18 Jahren gefahren werden dürfen.
Bereits vor der BFU waren mehrere Bundesparlamentarier von links bis rechts aktiv geworden. Und der Bundesrat hat im Frühling bekannt gegeben, dass er ein höheres Mindestalter prüfe. Darüber hinaus solle die Fahrausbildung intensiviert werden.