«Ich bin stolz auf meinen Dienst»
15.08.2025 Bezirk Liestal, Gesellschaft, Region, Baselbiet, Sissach, Bezirk LiestalDer in Sissach geborene Fritz Epple feiert heute seinen 100. Geburtstag. Als Politiker, Staatsangestellter, Sportler, Sportfunktionär und Soldat im Zweiten Weltkrieg hat er viel gesehen und erlebt. Im Interview blickt er zurück und ordnet die aktuelle Weltlage ein.
...Der in Sissach geborene Fritz Epple feiert heute seinen 100. Geburtstag. Als Politiker, Staatsangestellter, Sportler, Sportfunktionär und Soldat im Zweiten Weltkrieg hat er viel gesehen und erlebt. Im Interview blickt er zurück und ordnet die aktuelle Weltlage ein.
Andreas Bitterlin
Herr Epple, das Ende des Zweiten Weltkrieges jährt sich dieses Jahr zum 80. Mal. Wie haben Sie als Zeitzeuge die Nazi-Zeit erlebt?
Fritz Epple: Ich war als junger Bursche politisch sehr gut informiert. Lehrer Grunder hat uns in der Schule in Sissach oft über die Judenverfolgung in Deutschland aufgeklärt, anstatt Französisch zu unterrichten. In einem Institut im Welschland vernahm ich viel über die Alliierten. Anschliessend absolvierte ich eine Lehre in einer Bude mit einem fanatischen Nazi als Chef. Ich habe deshalb zu Hause in der Nacht oft geweint. Im Geheimen hörte ich Radio 47, einen englischen Sender, der von deutschen Flüchtlingen bestritten wurde und ausführlich über die Gräueltaten der Nazis berichtete.
Dann mussten Sie in den Aktivdienst einrücken. Wie erlebten Sie Ihren Militäreinsatz während des Weltkriegs?
Plötzlich wurde entschieden, dass Jünglinge bereits mit 18 einrücken müssen, was für mich nicht einfach war in der Lehre. Ich wurde ins «Bataillon 3/52» eingeteilt. Im Gegensatz zu den erfahrenen Armeeangehörigen, die bereits an der Grenze Dienst taten wie mein Vater mit 1000 Diensttagen, war es unsere Aufgabe, diese aus dem Reduit hinter der Grenze zu unterstützen. Eines Nachts wurden wir nach Möhlin an die Grenze versetzt. Grund war die Eskalation der Kämpfe zwischen Deutschen und Franzosen. Auf eine Einheit von uns wurde geschossen.
Was war die Reaktion auf diese Schüsse?
Unser Regimentskommandant hat auf eigene Faust sofort interveniert, ohne «Bern» einzubeziehen. Er war Ciba-Direktor und hatte Verbindungen zu Verantwortlichen der Alliierten, mit denen er sofort Kontakt aufnahm. Der Dienst verlief aber in gewohnten Bahnen weiter. In der Nacht wurden wir nach einem Alarm ins Mendrisiotto verschoben. Deutsche Soldaten und italienische Partisanen waren in Oberitalien in heftige Kämpfe verwickelt. Wir waren zum Grenzdienst eingeteilt und haben den Kampf hautnah miterlebt. Unser Dienstplan bestimmte, dass wir jeweils acht Stunden an der Grenze standen, acht Stunden Pikett und acht Stunden frei hatten.
Wie ging es weiter?
Dann kam der Friedenstag, das Ende des Krieges. Am 8. Mai herrschte in der Schweiz eine Riesenfreude. Zwischen San Pietro und Stabio war eine Hemdenfabrik in Betrieb, die zahlreiche Italienerinnen beschäftigte. Jene von uns, die Freizeit hatten, beschlossen, diese Frauen sofort aufzusuchen, mit ihnen zu musizieren, zu tanzen und zu feiern.
Was ist Ihr persönliches Fazit zu dieser Zeit?
Für mich war der Aktivdienst an zwei Grenzen prägend – und ich war und bin stolz darauf. Der Dankesbrief des Generals bewegt mich heute noch.
Wie beurteilen Sie die heutige Weltlage im Vergleich dazu?
Die politische Tendenz ist ähnlich. Damals waren die Diktatoren Hitler in Deutschland, Mussolini in Italien, Franco in Spanien und Kaiser Hirohito in Japan an der Macht. Heute zeigen Putin, Chamenei, Trump, der nur in Anführungszeichen als Liberaler bezeichnet werden darf, genauso wie Netanjahu, diktatorisches Verhalten in internationalen tödlichen Auseinandersetzungen. Insofern wiederholt sich die Geschichte. Dazwischen erlebten wir mit dem Liberalismus und der Sozialdemokratie sehr gute Zeiten mit einer wesentlich ehrlicheren Politik.
Also war alles eitel Sonnenschein in der Zwischenphase?
Nein, nicht immer, nur meistens. Ich war 1972 als nebenberuflicher Sportreporter an den Olympischen Spielen in München. Ich erlebte das Massaker, das arabische Terroristen an israelischen Athleten anrichteten, vor Ort und schrieb darüber.
Sie sind zeitlebens sportbegeistert. Was fasziniert Sie am Sport?
Der Sport war bei meinem Handeln im Beruf, in der Politik, in der Gesellschaft immer der Inspirator für «Fairplay». Er hat mir Dinge aufgezeigt, die mir kein anderes Gebiet meines Lebens beweisen konnte. Seit ich pensioniert bin und ohne berufliche Vernetzungen und Kontakte lebe, sind Sportler meine engsten und fairsten Freunde. Die Politik kann diese Eigenschaften weniger pflegen.
Zum Schluss noch kurz zur heutigen Politik: Wie halten Sie es als SP-Politiker mit der Juso-Initiative, die verlangt, dass Erbschaften von mehr als 50 Millionen Franken mit 50 Prozent versteuert werden sollen?
Ich bin vehement dagegen, denn dadurch würde Kapital ins Ausland abwandern, und dieses Kapital würde uns in der Schweiz beim Investieren fehlen. Wir müssen aber zwingend investieren. Grundsätzlich bin ich ab einem gewissen Vermögen für die Einführung einer Erbschaftssteuer für alle direkten Nachkommen, aber auf einem sehr viel tieferen Level als von den Juso gefordert.
Zur Person
abi. Fritz Epple wurde am 15. August 1925 in Sissach geboren. 1955 wurde er vom Regierungsrat zum Standesweibel gewählt. Seine berufliche Laufbahn beendete er als Leiter der Schulund Büroverwaltung Baselland. Sehr aktiv setzte er sich als Politiker der SP ein – von 1971 bis 1983 als Landrat, den er 1979/80 präsidierte, und in seinem Wohnort Liestal von 1984 bis 1993 als Stadtrat.
Epple war zweimal kantonaler Sprint-Meister über 100 und 200 Meter. Später engagierte er sich unter anderem als Delegationsleitungsmitglied der Leichtathletik-Nationalmannschaft an Wettkämpfen im Ausland. Er ist eingefleischter Fan des FC Basel, den er bei 34 Spielen im Ausland begleitete. Fritz Epple war bis zum Tod seiner Frau verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er lebt in Liestal.