Hiobsbotschaft für Pharma-Mittelstand
30.09.2025 Baselbiet, Gesellschaft, Finanzen, Baselbiet, WirtschaftCarbogen Amcis besorgt, Bachem gelassen
US-Präsident Donald Trumps jüngstes Paket an Zollankündigungen von vergangener Woche trifft die Region Basel möglicherweise hart: 100 Prozent Zölle auf Pharmaprodukte sollen ab morgen Mittwoch fällig werden. Heute ...
Carbogen Amcis besorgt, Bachem gelassen
US-Präsident Donald Trumps jüngstes Paket an Zollankündigungen von vergangener Woche trifft die Region Basel möglicherweise hart: 100 Prozent Zölle auf Pharmaprodukte sollen ab morgen Mittwoch fällig werden. Heute aber ist noch nicht klar, für wen sie gelten.
sep./sda. «Wir haben es aufgegeben, uns ein Bild von der Zollsituation machen zu wollen, bevor die schriftlichen Regulierungen der US-Behörden verfügbar sind», sagt Alan Fischer, Chief Technology Officer (CTO) der Bubendörfer Pharmafirma Carbogen Amcis auf Anfrage der «Volksstimme». «Derzeit ist ja auch für die Grossen der Branche noch nicht klar, ob ihre Produktepalette dank der angekündigten Investitionen in den USA gesamthaft oder nur teilweise von den Zöllen ausgenommen sein wird.»
Das gilt auch für die Bachem auf der anderen Strassenseite. «Wir können keine direkten US-Exportmengen deklarieren, weil wir gar nicht wissen, was unsere Kunden wohin liefern. Wir sind kein Medikamentenhersteller, sondern ein Pharma-Zulieferer», sagt Sprecher Stephan Feldhaus auf Anfrage.
Gegenüber den Medien haben auch die grossen Basler Pharmakonzerne zunächst einigermassen gelassen auf die Zolldrohung von US-Präsident Donald Trump zu Arzneimittelimporten ab Oktober reagiert. Trump hatte in der Nacht auf Freitag erklärt, dass Medikamente künftig nur dann ohne 100-Prozent-Strafzoll in die USA gelangen könnten, wenn Hersteller Produktionsstätten im Land betreiben oder konkret neue Fabriken planen. Der US-Präsident begründete die Zölle mit dem Ziel, heimische Firmen zu schützen sowie Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten zu schaffen.
Die Schweizer Pharma-Konzerne hatten bereits im Frühling milliardenschwere Investitionsprogramme in den USA angekündigt. Roche verwies am Freitag erneut auf Pläne seiner Tochter Genentech in North Carolina sowie auf insgesamt 50 Milliarden US-Dollar Investitionen für den Ausbau und Forschung. Novartis will in den nächsten fünf Jahren 23 Milliarden in die US-Standorte investieren. Selbst die Bachem, streng nach Mitarbeiterzahlen ein KMU, das aber aufgrund der Marktbedeutung als grösserer Player gilt, verweist auf ihre US-Standorte. Feldhaus: «Bachem ist seit Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten an zwei Standorten vertreten und hat im Investitionsprogramm neben dem Ausbau in Bubendorf und auf dem Sisslerfeld weitere Ausbauten in den USA geplant.» Insgesamt gehe man deswegen davon aus, von den Zöllen geringfügig betroffen zu sein, so der Sprecher.
USA: 50 Prozent des Markts
Anders die Zulieferer und Hersteller von einer Grösse wie besagte Carbogen Amcis. Sie könnten hart getroffen werden – ohne irgendwie Einfluss nehmen zu können. «Wir liefern nur sehr kleine Produktmengen direkt in die USA. Wir sind ein reiner Dienstleister, der im Auftrag von Kunden Wirkstoffe herstellt sowie Forschungs- und Entwicklungsarbeit erledigt. Die Stoffe machen typischerweise etwa 5 bis 10 Prozent des Medikamentenpreises aus», erklärt Alan Fischer. Unter ihren Kunden gebe es vom Pharmakonzern alles bis zum KMU und zum Startup. Aber während erstere mit Investitionen oder Produktionsstätten in den USA den Zöllen ausweichen könnten, hätten die kleineren diese Möglichkeit nicht. An einem Dienstleister-Branchenmeeting im Frühling sei man deshalb durchs Band besorgt gewesen, allerdings mit dem Tenor, dass es neben den USA auch andere Märkte gebe, die man sich nun besser erschliessen müsse.
Allerdings sagt Fischer, dass auch seine Kunden «wie fast die gesamte Pharmaindustrie» zu rund 50 Prozent auf den US-Markt ausgerichtet seien und zu den anderen 50 Prozent auf den Rest der Welt.
Warnschuss für die Grossen?
Mehrere Analysten sprachen am Wochenende von einer eher taktischen Drohung Trumps, die der Industrie vor Ablauf einer Frist Ende September zusätzlichen Druck machen solle. Trump hatte vor 90 Tagen in Briefen an die Chefs der wichtigsten Pharma-Firmen weltweit ultimativ verlangt, dass sie ihre Preise in den USA reduzieren und an jene in anderen vergleichbaren Industrieländern anpassen.
Alarmistischer tönte es deswegen am Freitag bei den Pharmaverbänden. Sie warnten vor weitreichenden Risiken durch die Zölle, sollten sie tatsächlich kommen. «Interpharma» sprach von einem «ultimativen Weckruf» und warnte, Strafzölle könnten Lieferketten und Forschung massiv beeinträchtigen. Der Verband «Scienceindustries» kritisierte, dass der Aufbau neuer Kapazitäten in den USA Jahre dauern und die Zölle die Versorgung von Patienten gefährden würde. Zudem sei unklar, ob die angedrohten Massnahmen Wirkstoffe, Generika oder nur Endprodukte beträfen. Beide Verbände forderten von der Politik, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Schweiz zu stärken.