Gemeinderat verzichtet auf die stille Wahl
21.12.2023 Bezirk Sissach, Wahlen, Abstimmungen, Politik, SissachEhemalige Gemeindepolitiker wehren sich – mit Erfolg
Gemäss der kürzlich angepassten Gemeindeordnung könnten die Gemeindewahlen in Sissach still erfolgen. Eine Gruppe prominenter Sissacher verlangt vom Gemeinderat auf stille Wahlen zu verzichten – und rennt ...
Ehemalige Gemeindepolitiker wehren sich – mit Erfolg
Gemäss der kürzlich angepassten Gemeindeordnung könnten die Gemeindewahlen in Sissach still erfolgen. Eine Gruppe prominenter Sissacher verlangt vom Gemeinderat auf stille Wahlen zu verzichten – und rennt damit offene Türen ein.
ch. Die Ausschreibung der Gemeindewahlen in Sissach mit der Möglichkeit der stillen Wahl ist auf Widerstand gestossen. Von der stillen Wahl mit Eingabeschluss am 2. Januar 2024 sei abzusehen, der Gemeinderat solle stattdessen am 3. März eine Urnenwahl durchführen. Dies fordern alt Gemeinderätin Alice Leber, alt Gemeindepräsident Rudolf Schaffner, alt Gemeinderat und Sprecher der «Stächpalme» Rolf Cleis sowie Mediator Ruedi Graf in einem Schreiben, das gestern bei der Gemeindeverwaltung eingegangen ist.
«Nicht rechtstauglich»
«Wir sind der Meinung, dass stille Gemeinderatswahlen aufgrund des geltenden Rechts in Sissach nicht möglich und auch nicht rechtstauglich sind, weil es sich bei den bevorstehenden Gemeindewahlen um periodische Neuwahlen handelt», begründen sie in einem Schreiben an den Gemeinderat ihre Forderung, «insbesondere deshalb, weil drei Gemeinderäte zurücktreten und mindestens drei neue Gemeinderäte oder Gemeinderätinnen an der Urne neu gewählt werden müssen.» Weitere Argumente legt das Quartett in seinem unten stehenden Meinungsbeitrag dar.
Die Unterzeichnenden des Briefs rennen scheinbar offene Türen ein. Als die «Volksstimme» Gemeindepräsident Peter Buser zur Forderung des Quartetts befragt, erklärt dieser, dass der Gemeinderat sich mit dem Thema bereits intensiv befasst und beschlossen habe, eine Urnenwahl durchzuführen, für den Fall, dass die stille Wahl bei den Sissachern auf Widerstand stossen sollte. Dies sei nun der Fall, daher werde er die Möglichkeit stiller Gemeindewahlen widerrufen und für den 3. März 2024 eine Urnenwahl ansetzen.
Würde an der stillen Wahl festgehalten, deren Rechtmässigkeit bestritten wird, drohe die Gefahr, letzten Endes keinen handlungsfähigen Gemeinderat zu haben, begründet Peter Buser die Überlegungen des Gemeinderats. «Damit wäre niemandem gedient. Es braucht eine ordentliche Wahl; damit sind wir auf der sicheren Seite.»
Die Rechtsunsicherheit bezieht sich auf die Regelung für die stille Wahl in der am 18. Oktober von der Gemeindeversammlung Sissach revidierten Gemeindeordnung: Der Begriff «Bestätigungswahl» ist durch «periodische Neuwahl» ersetzt worden. Diese Anpassung wurde lediglich als «gesetzesredaktionelle» Anpassung deklariert.
Die «Volksstimme» hat die stille Wahl in Sissach in ihren Ausgaben vom 1. Dezember («In aller Stille wählbar») und vom 14. Dezember («Sieben Sitze – sieben Kandidierende») thematisiert.
Eine stille Wahl wäre fahrlässig
Bei den bevorstehenden Wahlen des Sissacher Gemeinderats handelt es sich um periodische, alle vier Jahre stattfindende Neuwahlen. Diese Beurteilung wird durch die Tatsache bekräftigt, dass gemäss derzeitigem Stand drei Gemeinderäte zurücktreten und als Folge davon drei neue Gemeinderäte oder Gemeinderätinnen in den Gemeinderat gewählt werden müssen. Und weil drei Personen neu in den Gemeinderat einziehen werden, kann es in Sissach auch keine Bestätigungswahlen gemäss § 5 der geltenden Sissacher Gemeindeordnung und ebenso auch keine stillen Wahlen geben.
Es kann nicht sein, dass drei neue Gemeinderäte oder Gemeinderätinnen in den Sissacher Gemeinderat hineinrutschen, ohne sich zuvor der Volkswahl an der Urne gestellt zu haben. Dies wäre geradezu fahrlässig. Dass in Sissach stille Wahlen des Gemeinderats erlaubt sein sollen, hat die Einwohnergemeindeversammlung am 18. Oktober 2023 unter dem Traktandum «Änderung der bestehenden Gemeindeordnung» wohl eher unbemerkt beschlossen, weshalb dies aus heutiger Sicht umgehend einer Korrektur bedarf.
Gemäss heutiger Rechtsauslegung des Gemeinderats soll es sich bei der Änderung von Paragraf 5 der geltenden Gemeindeordnung lediglich um eine redaktionelle und nicht um eine materielle Änderung handeln. Die vorletzte Änderung der Gemeindeordnung zum gleichen Thema für «stille Wahlen» erfolgte an der Einwohnergemeindeversammlung vom 18. Juni 2014 und ist deshalb nach wie vor rechtskräftig.
Diese Aussage lässt sich auch dadurch beweisen, weil die Gemeinde Sissach anlässlich der Gemeinderatswahlen vom 28. Februar 2016 in Anlehnung der am 18. Juni 2014 beschlossenen und später in Rechtskraft erwachsenen Gemeindeordnung Gemeinderatswahlen an der Urne durchführte, obwohl sich ausschliesslich eine Kandidatin und sechs Kandidaten der Wahl ins siebenköpfige gemeinderätliche Gremium stellten. Also nichts von stillen Wahlen bei lediglich sieben Kandidierenden, wie dies möglicherweise in der damals neuen Gemeindeordnung vom 18. Juni 2014 bereits angedacht war.
Es kann aus unserer Sicht, unabhängig jeglicher Parteizugehörigkeit, niemals dem Volkswillen der Sissacherinnen und Sissacher entsprechen, ihre Gemeinderäte und Gemeinderätinnen, insbesondere jene nicht, die zum ersten Mal zur Wahl antreten, nicht namentlich an der Urne wählen zu wollen. Vor allem dann nicht, nachdem derart viele Rücktritte aus dem Gemeinderatsgremium erfolgten wie aktuell, nämlich deren drei Gemeinderäte, die allesamt zu ersetzen sind.
Unsere Schlussfolgerung führt dazu, dass die Gemeinderatswahlen in Sissach am 3. März 2024 zwingend an der Urne stattfinden müssen, so auch dann, falls sich lediglich sieben Kandidatinnen und Kandidaten für die sieben Sitze des Sissacher Gemeinderats zur Wahl stellen.
Wir verlangen somit, dass die Gemeinderatswahlen unabhängig von der Anzahl Kandidierenden gemäss der bisher verbreiteten Rechtsauffassung der Sissacher Stimmberechtigten an der Urne durchgeführt werden.
Rolf Cleis, Ruedi Graf, Alice Leber, Ruedi Schaffner, Sissach