Garten des «Gymi» Liestal ist ihr Vermächtnis
07.06.2024 Baselbiet, Natur, BaselbietEsther Derungs wurde mit dem Naturschutzpreis von Pro Natura für ihr Engagement geehrt
Einst war der Garten des Gymnasiums Liestal ein Wildwuchs aus Neophyten – bis Esther Derungs Ende der 1990er-Jahre ihre Vision eines naturnahen Gartens verwirklichte. Für ihre Ausdauer ...
Esther Derungs wurde mit dem Naturschutzpreis von Pro Natura für ihr Engagement geehrt
Einst war der Garten des Gymnasiums Liestal ein Wildwuchs aus Neophyten – bis Esther Derungs Ende der 1990er-Jahre ihre Vision eines naturnahen Gartens verwirklichte. Für ihre Ausdauer und Hingabe wurde sie mit dem Naturschutzpreis von Pro Natura ausgezeichnet.
Nikolaos Schär
Betritt man das Gelände des Gymnasiums Liestal, springen einem abgesperrte Flächen mit hüfthohen Gräsern ins Auge. Auf einen zweiten Blick fallen die laminierten Schilder auf, die unzählige Pflanzen näher beschreiben. Alsbald lässt sich etwas über den Weiher als Biotop oder Totholzdepot, das vielen Kleintieren einen Lebensraum bietet, erfahren. Eine ganz neue Welt eröffnet sich einem rund um das Schulhaus, abseits der Räumlichkeiten, in denen man normalerweise Bildung vermuten würde. Der Grund, dass dieser Garten ein «biodiverses Paradies» und gleichzeitig ein Ort für Umweltbildung ist, hat einen Namen: Esther Derungs.
Andreas Freuler, Präsident von Pro Natura Baselland, rekapituliert in seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Naturschutzpreises 2024: Als kleines Kind konnte Esther im Gemüsegarten der Familie in Frenkendorf ihr eigenes kleines Stück Land selbst gestalten. Ihre Eltern hätten sich im Natur- und Vogelschutzverein engagiert. Schon in jungen Jahren sei sie auf Umweltthemen sensibilisiert worden. Esther besuchte das Gymnasium in Liestal und schloss anschliessend eine Lehre als Gärtnerin ab. Der tiefe Respekt der Natur gegenüber sei ihr immer wichtig gewesen. Als Frau des Schulabwarts, Reto Derungs, zog es sie zurück ans Gymnasium. Nachdem die Stelle des Gärtners zwei Jahre lang unbesetzt blieb, fragte der damalige Rektor sie an, ob sie sich nicht des Gartens annehmen könne, erinnerte sich Esther. Auf den damaligen Zustand angesprochen, sagt sie: «Es war ein kompletter Wildwuchs. Alles voll von Neophyten.»
Ein Garten als Schulzimmer
Unter Anleitung von Daniel Zwygart, ehemaliger Leiter der Fachstelle für Biologie am Gymnasium, gestaltete sie den Garten zu einem «Schulzimmer» für den Biologieunterricht um. Später liess er ihr freie Hand, so Derungs. Sie studierte zwar nie Biologie – konnte sich jedoch mit ihrer Passion ein grosses Wissen über Insekten und Pflanzen im Selbststudium aneignen.
Der Naturschutzpreis von Pro Natura wird seit 1984 an Persönlichkeiten und Institutionen vergeben, die über einen längeren Zeitraum wirksame Beiträge zur Förderung der Biodiversität geleistet haben, so der Geschäftsleiter von Pro Natura Baselland, Thomas Zumbrunn. Der Preis habe mehrheitlich ideellen Wert und soll die Wahrnehmung der Förderung des Naturschutzes und der Biodiversität steigern. Denn die stetige Bautätigkeit schränke diese immer mehr ein, was sich am Beispiel des Gymnasiums Liestal gut beobachten lässt. Einst schaute man vom Schulareal direkt ins Grüne – heute blickt man auf ein Siedlungsgebiet, so Zumbrunn.
Freuler weist darauf hin, dass das Anlegen des naturnahen Gartens nicht nur «Friede, Freude, Eierkuchen» sei. Es gäbe Vorurteile gegenüber der ästhetischen Wirkung eines naturnahen Gartens. Der schweizerische «Sauberkeitswahn» mache auch vor der Haustür keinen Halt. Versiegelte Flächen, ein perfekter Rasen und einige exotische Pflanzen seien die Norm.
Esther Derungs sprach in ihrer Rede auch von den Herausforderungen, die durch eine stärkere Frequentierung der Anwohner und Anwohnerinnen entstehen würden. Liegen gebliebenes Geschäft von Hunden, Personen, die Wildblumen für die Vase zu Hause mitnehmen würden oder die Entnahme von Amphibien aus dem Weiher zu Beobachtungszwecken im Eigenheim. Ein klärendes Gespräch würde jedoch in den meisten Fällen Abhilfe schaffen. Aufklärung ist das Zauberwort. Pointiert fasst sie zusammen: «Wenn man etwas nicht kennt, kann man es auch nicht wertschätzen!»
Derungs denkt an Nachfolge
Doch auch die positiven Erfahrungen liess Derungs nicht unerwähnt: Es hätte ihr Freude bereitet, zuzusehen, wie Grosseltern ihren Enkeln etwas über die Welt der Insekten und Pflanzen beigebracht haben. Eigentlich wollte sie den Preis gar nicht annehmen, da sie nicht gerne im Rampenlicht stehen würde, so Derungs. Warum sie sich dennoch anders entschied, begründet sie wie folgt: «Ich denke auch an die Zeit, die nach mir kommt.» Irgendwann sei sie nicht mehr hier. Mit dem Preis lasse sich die Wichtigkeit dieses Projekts unterstreichen. Damit auch zukünftig der Wert des Gartens gesehen wird.
Einen kleine Seitenhieb gegen die kantonale Verwaltung konnten sich die Redner dann doch nicht verkneifen. Der Kanton würde sich gerne an Normen halten, die aus Sicht des Naturschutzes nicht immer nachvollziehbar seien, so Freuler. Dieser sollte sich mehr an den Normen von Esther Derungs orientieren, dann wäre nämlich schon einiges für den Naturschutz getan. Denn der Garten sei ein Vorbild für Lebensräume in Siedlungsgebieten. Neben ein wenig versteckter Wahlkampfwerbung für die Biodiversitätsinitiative, über die Ende September abgestimmt wird, ertönte das Lied: «Mein Garten ist mein Paradies».