Ganze Rudel schiessen nützt nichts
12.11.2024 Bezirk Sissach, Tenniken, Gemeinden, Gesellschaft, Natur, BaselbietBiologe Andreas Moser informiert anschaulich über den Wolf
Wenn Wölfe zum Problem werden, ist meist menschliche Unvernunft eine der Ursachen: Biologe Andreas Moser betont als Referent mit Filmbeispielen die Scheu der Tiere und wie wichtig es sei, sie zu verstehen, um ein ...
Biologe Andreas Moser informiert anschaulich über den Wolf
Wenn Wölfe zum Problem werden, ist meist menschliche Unvernunft eine der Ursachen: Biologe Andreas Moser betont als Referent mit Filmbeispielen die Scheu der Tiere und wie wichtig es sei, sie zu verstehen, um ein Nebeneinander zu ermöglichen.
Brigitt Buser
Am 20. Oktober wurde im Gebiet zwischen Diegten und Hölstein ein wolfsähnliches Tier gesichtet (die «Volksstimme» berichtete). Andreas Moser hat auch die Videoaufnahmen erhalten. Aussehen und Verhalten des Tieres wiesen laut Moser eindeutig auf einen Wolf hin. Etwa eine Woche später wurde vermutlich derselbe Wolf von einem Bauernhof an der Westgrenze von Tenniken aus beobachtet.
«Ich bin mir bewusst, dass es Menschen gibt, die Angst vor Wölfen haben und dass ihre Anwesenheit auch in der Landwirtschaft zu Problemen führen kann», eröffnete Andreas Moser seinen Vortrag. Da er es gewohnt ist, sachlich zu informieren, wies er das Publikum darauf hin, dass es ihm nicht darum gehe, die Anwesenden für ein Leben mit Wölfen zu gewinnen, sondern ihnen das Verhalten dieser Beutegreifer näher zu bringen. «Denn wenn es zum Zusammenleben mit Wölfen kommt, dann ist, wie in anderen Lebensgemeinschaften auch, die wichtigste Voraussetzung, dass man sich kennt», so Moser weiter.
Tatsache ist, dass Wölfe früher in der Schweiz in allen für sie geeigneten Lebensräumen vorkamen. Das waren nicht nur Lebensräume, die ihnen Deckung boten, sondern auch solche, in denen Hirsche, Rehe und Gämsen als Beutetiere vorkamen. Diese Nahrung ist auch heute noch für die wieder eingewanderten Wölfe ausreichend vorhanden.
Doch weil der Mensch heute alle Landschaften besiedelt, sehen manche in den Wölfen ein Problem, obwohl sie nur in geringer Dichte vorkommen. Eine Wolfsfamilie mit durchschnittlich 2 bis 5 erwachsenen Tieren bewohnt ein Revier von etwa 150 bis 250 Quadratkilometern.
Jungtiere dezimieren hilft
Anhand einzelner Standbilder aus Videosequenzen des Tierfilmers Stefano Polliotto zeigte der renommierte Biologe, dass sich die gefilmten Wölfe im Piemont stets vorsichtig bis ängstlich bewegen. Eine besondere Szene zeigte, wie die Wölfe versuchten, ein Wildschwein zu vertreiben, das ihre Jungen bedrohte. Da Wölfe und Wildschweine wehrhaft sind, vermieden beide einen direkten Kampf und lösten die Situation schliesslich friedlich.
Im Anschluss an den Vortrag wurden viele brennende Fragen zum Zusammenleben mit Wölfen beantwortet. Nach Mosers langjähriger Erfahrung bringen Wölfe dem Ökosystem wichtige Vorteile. Durch ihre Jagd verteilen sie die wilden Huftiere im Wald auf verschiedene Lebensräume: Gämsen bleiben als Kletterer in den felsigen Bereichen, Rotwild als gute Läufer in den offenen Wäldern und Rehe in den Buschund Schilfgebieten.
Durch diese Verteilung und durch eine massvolle Reduktion der wilden Huftiere sorgen Wölfe wie die Luchse für eine Verminderung des Wildverbisses an jungen Bäumen im Wald. Dies ist vor allem für die Verjüngung durch klimaresistente Weisstannen sehr wichtig, bei denen wilde Huftiere ohne Beutegreifer erhebliche Schäden anrichten.
Die natürlichen Feinde der Wölfe sind andere Wölfe im Nachbarrevier, mit denen es immer wieder zu Kämpfen kommt. Auch Füchse und Goldschakale, die derzeit aus Osteuropa in die Schweiz einwandern, werden von den Wölfen reduziert.
Moser zeigte Verständnis für Landwirte, die in den Wölfen eine Gefahr für ihre Nutztiere sehen. Er wies darauf hin, dass es geeignete Schutzmassnahmen gibt – etwa robuste Elektrozäune – für die Viehhaltung. Abschüsse von Wölfen würden die Gefahr für die Nutztiere nicht verringern, denn wo ganze Familien abgeschossen würden, hielten diese fremde Wölfe nicht mehr fern. Erfahrungen aus Russland hätten gezeigt: Wo sich Wölfe stark vermehren, sei die geeignete Massnahme, einen Teil der Jungtiere zu entfernen, ohne die Familien zu zerstören, die so weiterhin ihr Revier verteidigten.
Und wann wird das Zusammenleben gefährlich? «Einzelne Wölfe können aufdringlich, frech und für Menschen gefährlich werden, wenn sie von unvernünftigen Menschen gefüttert werden». «Aber wenn es solche Probleme gibt, sind nicht die Wölfe das Problem, sondern die Unvernunft der Menschen», so Moser abschliessend.