«Einen erneuten Anlauf dürfte es nicht geben»
20.05.2025 Baselbiet, Gesellschaft, Gemeinden, Natur, Baselbiet, PolitikFlorence Brenzikofer nimmt zum gescheiterten Naturpark Stellung
Nach den abschlägigen Entscheiden aus Langenbruck und Tenniken ist nun definitiv klar, was sich schon abgezeichnet hat: Der Naturpark Baselbiet ist Geschichte. Die Vereinspräsidentin und ...
Florence Brenzikofer nimmt zum gescheiterten Naturpark Stellung
Nach den abschlägigen Entscheiden aus Langenbruck und Tenniken ist nun definitiv klar, was sich schon abgezeichnet hat: Der Naturpark Baselbiet ist Geschichte. Die Vereinspräsidentin und Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer spricht über die Gründe des erneuten Scheiterns.
Nikolaos Schär
Frau Brenzikofer, der Naturpark ist nach den gestrigen Abstimmungen in Langenbruck und Tenniken Geschichte. Was geht Ihnen gerade durch den Kopf?
Florence Brenzikofer: Es ist eine Enttäuschung da – nach fünf Jahren Aufbauarbeit und intensivem Austausch mit Gemeinden, Kanton und Organisationen. Aber es kam nicht ganz überraschend: Nach den negativen Entscheiden Ende vergangenen Jahres war klar: Wir haben einen schweren Stand und es wird ein schwieriges Unterfangen, den «Turnaround» zu schaffen. In Langenbruck hat sich abgezeichnet, dass die Landwirtschaft stark mobilisiert. Jetzt, wo Langenbruck Nein gesagt hat, ist klar, dass wir die 100 Quadratkilometer für die Errichtungsphase nicht mehr erreichen. Das bedaure ich sehr. Als Politikerin weiss ich, wie man mit Niederlagen umgehen muss. Was bleibt, ist der wertvolle Austausch mit allen Beteiligten – nicht alles ist nun zu Ende, einige Projektideen werden weiterverfolgt.
Wie geht es konkret weiter?
Im Juni haben wir die Jahresversammlung des Trägervereins Naturpark Baselbiet, wo das Projekt sauber abgeschlossen wird. Danach folgt die Jahresversammlung des Vereins Erlebnisraum Tafeljura, bei der es um die Zukunft des Vereins gehen wird. Einen erneuten Anlauf für den Naturpark dürfte es nicht geben. Wir arbeiten jetzt mit interessierten Gemeinden und Organisationen weiter. Die drei Workshops des Trägervereins haben bereits viele Projektideen hervorgebracht – zum Beispiel einen Shuttle-Bus auf den Chilchzimmersattel bei der Bölchenflue, eine Idee, die selbst die Gegnerschaft begrüsst. Auch die Bildung ist mir weiterhin ein grosses Anliegen – da gibt es im Oberbaselbiet Nachholbedarf. Einige Gemeinden wie zum Beispiel Liestal bieten über die Bürgergemeinde hervorragende Schulangebote an, aber nicht alle Schülerinnen und Schüler kommen in den Genuss. Uns schwebt ein Naturzentrum oder ein Waldhaus für Bildungsangebote vor. Diese Idee werden wir mit Partnern wie dem «Naturforum Regio Basel» weiterverfolgen.
Würden Sie im Rückblick die Kampagne anders angehen?
Wir haben 2019 mit Vorstudien und einer grossen Veranstaltung im Ebenrain alle relevanten Akteure mit an Bord geholt. Das Ziel einer breiten politischen Abstützung haben wir zwar erreicht, aber es gelang uns nicht, die Landwirtschaft vom Mehrwert eines Naturparks für die Dörfer zu überzeugen. Oft hiess es: «Wir brauchen das nicht. Wir können das selbst.» Das mag für gewisse Orte stimmen – aber nicht für alle. Unser Dorfladen in Oltingen etwa kämpft ums Überleben. Das ist ein Beispiel für eine verpasste Chance. Besonders im Waldenburgertal hätte der Naturpark ein «Booster» sein können. Es gab bereits Projektideen. Dass diese nicht zustande kommen, ist sehr bedauerlich.
Warum zog das Gegenargument mit den Kosten so gut, obwohl der Gemeindebeitrag nicht so hoch war?
Der Zeitpunkt der Abstimmungen war nicht ideal: Viele Gemeinden haben finanzielle Engpässe. Gemeinden, die Ja gesagt haben, waren meist finanziell gut aufgestellt. In manchen Orten spielte das Finanzielle klar eine Rolle – zum Beispiel in Seltisberg. Ich kann das teilweise nachvollziehen. Aber 5 Franken pro Einwohner sind nicht viel – bei 500 Leuten sind das 2500 Franken im Jahr. Das ist ein Kaffee pro Person. Wenn man sieht, welchen Mehrwert Nachbarparks nach zehn Jahren bringen – dann ist es schade, dass das Argument mit dem Mehrwert zu wenig gezogen hat.
Ein Zustandekommen war stark von den Gemeinderäten abhängig. Kam von diesen zu wenig Unterstützung?
Manche waren Feuer und Flamme, andere sagten: «Neue Strukturen – das brauchen wir nicht.» Wir haben gesagt: Der Mitmachgrad ist Sache der Gemeinde. Wichtig war der zusammenhängende Perimeter, der vielleicht zu gross gefasst war, um identitätsstiftend zu sein. Der Aufwand hätte sich verteilt – über Gemeinden und Vereine, die dem Trägerverein angehört hätten. Aber die Struktur mit 56 Gemeinden hat unseren Prozess sicherlich erschwert. In anderen Parks sind es 15 bis 16 Gemeinden, das macht vieles einfacher und kostengünstiger.
Fehlt es an Solidarität über die Talschaften hinaus?
In gewissen Gemeinden habe ich den Solidaritätsgedanken gespürt – zum Beispiel in Buus, Maisprach und Rickenbach, die gemeinsam eine Info-Begehung durchgeführt haben. Diese Gemeinden sind über Postautolinien und Schulen verbunden. Aber auch da hat es leider nicht geklappt, denn nur Maisprach hat Ja gesagt.
Der erste Versuch zur Errichtung eines Naturparks scheiterte 2010. Jetzt war die Zustimmung noch tiefer. Warum?
Ich habe mich oft mit meinem Vorgänger Martin Rüegg ausgetauscht. Viele Argumente sind dieselben wie damals: finanzielle Bedenken, Angst der Landwirtschaft vor Vorschriften, generelle Skepsis. Auch der Einwand: «Wir brauchen das nicht – es gibt schon viele Organisationen.» Vor 15 Jahren war Baselland Tourismus noch nicht so stark verankert wie heute. Unser Ansatz war nie ein rein touristischer, sondern breiter gefasst mit der Stärkung der Natur, Landschaft und der Bildung. Jetzt gibt es mit dem Verein Region Oberbaselbiet (ROB) neue Ansätze. Dort könnten einige Ideen weiterentwickelt werden – Bettina Fischer, unsere Fundraiserin, ist Geschäftsführerin beim ROB. Wir sehen da ein Potenzial, dass unsere Aufbauarbeit einfliessen kann. Denn es zeigt sich zum wiederholten Male, dass sich die Bevölkerung eine Lenkung der Besucherströme für touristische Ausflugsziele wünscht.
War das Bedürfnis nach Autonomie der Baselbieter Gemeinden ein Hindernis, da mit der Finanzierung eine Abhängigkeit zum Bund entstanden wäre?
Das ist sicher ein Faktor. Viele wollen sich keinen neuen Strukturen unterordnen. Der Jurapark Aargau kämpft derzeit dafür, dass die Bundesmittel nicht gestrichen werden. Aber das Bundesgesetz ist klar: Es gibt Fördermittel vom Bund – auch wenn die Höhe nicht immer dieselbe ist. Die Naturpärke geniessen in Bern ein hohes Ansehen und sie sind gesetzlich verankert.
Die Gegnerschaft hat stark mobilisiert und viel in den Abstimmungskampf investiert. Machen Sie dieser den Vorwurf, dass nie ernsthaft das Gespräch mit Ihnen gesucht wurde?
Wir sind mit ihnen zusammengesessen. Es ist schade, dass sie den Stillstand propagierten und sich nicht vom Visionären anstecken liessen. Denn ich bin nach wie vor überzeugt, dass ein Naturpark für unsere Talschaften ein wichtiges, identitätsstiftendes Instrument gewesen wäre.