Eine Chemikerin in der Küche

  03.07.2025 Bezirk Liestal, Region, Baselbiet, Gastronomie

Lynette Oh aus Singapur stellt massgefertigte Nudeln her

Ein Besuch im Asien-Supermarkt brachte Lynette Oh zum Nachdenken: Warum kommen selbst einfache Nudeln aus Übersee? Heute produziert die frühere Chemikerin in Liestal frische Nudeln mit regionalem Mehl – und Maschinen aus Japan.

Melanie Frei

Lynette Oh ist eigentlich Chemikerin. Gemeinsam mit ihrem Mann war sie viele Jahre in der Pharmabranche tätig, unter anderem bei Projekten von Novartis und Roche. Die beiden zogen aus den USA in die Schweiz und leben heute in Riehen. Mit der Lebensmittelbranche hatte Oh also beruflich zunächst wenig zu tun – «ausser vielleicht, dass ich genau weiss, wie sich gewisse Lebensmittel in ihre Bestandteile zerlegen lassen», sagt Oh, während sie durch ihre Werkstatt in Liestal führt.

Der Wendepunkt kam in einem Basler Asien-Supermarkt. Lynette Oh wollte Nudeln kaufen. «Da fragte ich mich: Gibt es hier eigentlich keine lokalen Nudelhersteller? Es braucht doch nur Mehl, Wasser und Salz.» Gleichzeitig wuchs in ihr der Wunsch, beruflich etwas Neues zu wagen. So war die Idee zu «Halestron Foods» geboren. Hale bedeutet «Zuhause» auf Hawaiianisch, wo sie die Highschool besucht hatte «Die Zeit auf Hawaii hat mich sehr geprägt.» Stron ist lateinisch für «extern».

Was folgte, war ein mutiger Schritt. Von Grund auf baute die Chemikerin ihr Unternehmen selbst auf: «Ich musste mich um alles kümmern – vom Mietvertrag über die Zusammenarbeit mit Architekten bis hin zum Einrichten meiner Werkstatt.» Besonders wichtig war ihr dabei die Auswahl der Maschine. «Ich bin extra nach Japan gereist, um die Beste auszusuchen», erzählt Oh, die ursprünglich aus Singapur kommt, und deutet auf die silbrige Maschine.

Die Nudelform kann durch verschiedene Aufsätze bestimmt werden. Es sei eine grosse Investition gewesen – mehrere Zehntausend Franken flossen in die High-End-Geräte. «Aber es war mir wichtig, dass ich mit echter Qualität arbeiten kann.»

Mit ihren professionellen Gerätschaften stellt sie heute eine breite Auswahl an frischen Nudeln her – von feinen Ramen bis hin zu dicken Udon oder auch Dumpling-Teig. «Ich kann fast alles machen, was mit Teig zu tun hat», erklärt sie. Der Vertrieb erfolgt sowohl an Restaurants im Raum Basel als auch schweizweit. Ein enger Austausch mit den Kundinnen und Kunden ist ihr dabei besonders wichtig: «Sie bringen oft klare Vorstellungen mit – zu Dicke, Länge und Bissfestigkeit der Nudel. Ich setze das dann um.»

Ein Beispiel: Das bekannte Restaurant Tibits gehört zu ihren grösseren Kunden. «Deren Nudeln dürfen nicht zu lang sein, damit die Gäste sich beim Schöpfen am Buffet nicht bekleckern. Solche Details machen den Unterschied – und genau das reizt mich an dieser Arbeit.» Auch eigene Ideen bringt Lynette Oh ein: So entwickelte sie etwa eine Nudel mit integriertem Pfeffer oder Pilzpulver – «damit braucht es keine zusätzliche Würze mehr.»

Heute stemmt sie den Betrieb grösstenteils allein. In der Werkstatt verarbeitet sie täglich bis zu 75 Kilogramm Teig, bei Grossbestellungen sogar bis zu 120 Kilogramm – alles frisch und auf Bestellung. Unterstützung bekommt sie punktuell bei der Auslieferung. «Ein Restaurant möchte ich nicht eröffnen», sagt sie. «Aber Anlässe wie das ‹Street Food Festival› in Zürich – die machen Spass.» Grossverteiler wie Coop oder Migros beliefert sie «noch nicht».

Mehl kommt aus Maisprach
In ihrer Arbeit erkennt sie viele Parallelen zu ihrer beruflichen Herkunft aus der Chemiebranche: «Auch da ging es ums Experimentieren, um Prozesse und das optimale Ergebnis.»

Neben der Technik legt sie grossen Wert auf die Qualität ihrer Rohstoffe. Einen wichtigen Partner hat sie in Samuel Graf von der Mühle Graf in Maisprach gefunden. «Von dort beziehe ich einen Grossteil meines Mehls – ein regionales, hochwertiges Produkt, das perfekt zu meinen Anforderungen passt», sagt sie. Auch Mehl aus Solothurn kommt zum Einsatz. In puncto Nachhaltigkeit hat sich seit der Eröffnung ihrer Nudelwerkstatt vor zwei Jahren einiges getan: «Ich habe mein Verpackungskonzept angepasst, nutze teils kompostierbare Materialien und versuche, Plastik zu reduzieren. Bei grösseren Lieferungen kommen wiederverwendbare Boxen zum Einsatz.»

Die Nachfrage wächst – und Oh plant vorsichtig den nächsten Schritt. «Ich möchte mich vergrössern, aber nicht zu schnell. Ich muss der Nachfrage gerecht werden können.» Einzig der Transport stellt sie manchmal auf die Probe: «Lieferungen nach Zürich zum Beispiel plane ich gezielt, da ich nicht jeden Tag dort sein kann.»

Das «Ikigai» gefunden
Der Aufbau von «Halestron Foods» war mit Risiken verbunden: «Das erste Jahr reichte finanziell knapp, um die Miete zu decken», erzählt die Unternehmerin offen. Dennoch bereut sie ihren Schritt nicht. «Ich glaube, ich habe mein ‹Ikigai› gefunden – das japanische Konzept vom Gleichgewicht zwischen Fähigkeit, Ziel und Leidenschaft. Das Herumprobieren, Forschen, Anpassen – genau das habe ich immer gern gemacht.»

Lynette Oh denkt weiter. Sie möchte nicht nur bestehende Kundinnen und Kunden beliefern, sondern auch neue Kooperationen eingehen – etwa mit Produzenten von Saucen oder anderen Beilagen. Auch Ideen wie «Lowglycemic-index»-Nudeln, also Nudeln, die den Blutzuckerspiegel nur langsam ansteigen lassen, will sie angehen. Auch Sorten mit Algen- oder Konjakmehl (aus der Konjakwurzel), auszeichnend für ihren niedrigen Kaloriengehalt, hat sie bereits im Kopf.

Ihr Ziel bleibt klar: hochwertige, frische, regionale Nudeln zu produzieren – mit Leidenschaft, Präzision und einem klaren Gespür für die Bedürfnisse ihrer Kundschaft. Vielleicht auch bald im Baselbiet.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote