Ein wechselhaftes «Scenario»
28.02.2025 Bezirk Liestal, Baselbiet, Gastronomie, Bezirk LiestalSeit einigen Wochen steht es wieder leer, das «Scenario» an der Burgstrasse in Liestal. Während sich in seinen Anfangszeiten alles, was sehen und gesehen werden wollte, in das opulent eingerichtete Lokal drängte, folgte seit 2020 ein kurzes Gastspiel auf das andere.
...Seit einigen Wochen steht es wieder leer, das «Scenario» an der Burgstrasse in Liestal. Während sich in seinen Anfangszeiten alles, was sehen und gesehen werden wollte, in das opulent eingerichtete Lokal drängte, folgte seit 2020 ein kurzes Gastspiel auf das andere.
Marianne Ingold
Zuletzt versuchte das «Pine» ab Mitte 2023 im «Scenario» ein Comeback, nachdem es im Hanro-Areal nicht mehr rund gelaufen war. Das Resultat: schlechte Kritiken auf Tripadvisor und seit Anfang Jahr verschlossene Türen. Da habe er einen Fehler gemacht, räumt Heinz Zimmermann, Gelterkinder Gastro-Unternehmer und Besitzer der Liegenschaft, ein.
Zimmermann selbst hatte das «Ristorante Piano Bar Scenario» im Januar 2004 eröffnet. Der Name sei von «Szene» inspiriert gewesen, sagt er. «In Liestal gab es viele gut situierte Leute, auch Frauen, und für die wollte ich ein Szenelokal machen», sagt er. «Mir schwebte eine Hotellounge wie im ‹Adlon› vor. Ich wusste, es muss etwas Gemütliches sein, damit man gerne reinkommt.»
Zimmermann war zu dieser Zeit bereits eine bekannte Gastro-Grösse in der Region. Anfang der 1980er-Jahre hatte er mit der «Pinocchio»- Bar die Liestaler Beizenwelt aufgemischt und übernahm in den folgenden Jahren weitere Lokale. Im Jahr 1983 konnte er die leer stehende Wirtschaft «Zum Baselbieter» an der Burgstrasse 12 kaufen. «Das war wunderschön innen», schwärmt er, «mit einem alten Kachelofen und einer Rock-Ola-Jukebox. Die habe ich jetzt noch daheim.» Er wollte aber ein Pub und Feldschlösschen finanzierte den Umbau.
«Das Shakespeare Pub war richtig englisch eingerichtet und immer voll», erinnert sich Heinz Zimmermann. Irgendwann sei die Pub-Zeit aber vorbei gewesen, denn die Konkurrenz seit mit der Zeit zu gross geworden: «Ich merkte, dass ich nochmal etwas Neues machen musste.»
Showtime im Szenetreff
In der Nachbarliegenschaft Burgstrasse 14, die Zimmermann bereits 1986 gekauft hatte, befand sich damals noch ein türkisches Lädeli. Im Jahr 2003 baute er die beiden Häuser komplett um. Die Räume im Erdgeschoss wurden zusammengelegt, der Boden abgesenkt und der Gewölbekeller ausgebaut. Die Inneneinrichtung des neuen «Scenario» mit einem Flügel, Fresken eines Graffitikünstlers, Designobjekten und einer Karl Odermatt gewidmeten Smokers’ Lounge im Obergeschoss liess keine Wünsche offen. Talkshows und Buchvernissagen mit Promis wie Köbi Kuhn, Christina Surer und André Dosé brachten Lokalradio und -fernsehen nach Liestal.
Neu waren auch die «Amuse Bouches», die Zimmermann bei Bar-Weltmeister Peter Roth in der Zürcher «Kronenhalle» entdeckt hatte: «Das kannte ich gar nicht vorher und dachte, das muss ich auch machen.» So wurde das «Scenario» rasch zu einem äusserst angesagten Treffpunkt.
Die erste Geschäftsführerin, Evi Stoll, erkrankte leider bald schwer. Auf sie folgte Silvia Emmenegger, die frühere Wirtin des «Törli». 2008 kam Marcelo Barreto als Gastgeber ins «Restaurant Tapas Bar Scenario». Neben Cocktails und mexikanischer Küche gab es Konzerte, Flamenco-Shows, Schnitzelbänke und Polit-Talks. Weil er gerne einen grösseren Aussenbereich wollte, zog Barreto 2019 an den Wasserturmplatz und eröffnete dort das Lokal «La Bamba/ Kyoto Sushi House».
Pandemie-Pech
Im Mai 2020 wurde das «Scenario» als Pub-Bar wiedereröffnet. Doch die erste Coronavirus-Welle zwang das Pächterpaar Jacqueline Maisch und Roger Buholzer zum Aufgeben: «Wir hatten keine Chance, uns in Liestal zu etablieren», sagen sie in einem Video vom Januar 2021, in dem sie den Verkauf ihres Inventars ankündigten. Heute wirten die beiden im «Rebstock» in Nuglar.
Voll motiviert wagten Mel P.* und Michel H.* im Sommer 2021 den Neuanfang. Nachdem er eine schwere Erkrankung überlebt hatte, wollte Michel wieder eine Bar führen, wie er das früher schon einmal gemacht hatte. Noch aus dem Spital rief er seine Frau an und sagte: «Ich habe eine verrückte Idee – das machen wir jetzt einfach!» Mel hatte eine Ausbildung im Detailhandel und etwas Bar-Erfahrung. Sie sagt: «Ich bin eine aufgestellte Person mit Elan und die Gastronomie hat mir immer schon gefallen. Der Kontakt mit Menschen liegt mir.»
Das Ehepaar informierte sich, schaute verschiedene Lokale an und entschied sich für das «Scenario». Sie investierten eine Menge Herzblut und bauten vielversprechende Angebote auf: «Unser Karaoke wurde immer bekannter», erzählt Michel. «Mit der Zeit kamen Leute von Zürich, von Luzern, von überall.» Andere Formate wie Mottopartys liefen teilweise gut, manchmal weniger. «Da waren die Leute wohl noch nicht bereit dazu», bilanzieren die beiden.
Als die zweite Corona-Welle mit der Zertifikatspflicht kam, wurde es schwierig: «Wir hatten sehr viele ungeimpfte Gäste», sagt Mel. «Die mussten wir vor der Tür bewirten. In der kalten Jahreszeit kamen sie gar nicht mehr.» Allmählich wurden die Finanzen zum Problem: «Man muss das Lokal ja trotzdem finanzieren und die Einkäufe tätigen, auch wenn über längere Zeit kein Geld mehr hereinkommt.» Zudem war ihr Mann weiterhin in medizinischer Behandlung: «Das war sehr kräftezehrend für die ganze Familie. Und wir wussten nicht, wo Corona noch hinführen würde. Deshalb zogen wir die Reissleine.»
Fehlende Fussballer
Anfang 2022 wechselte die Familie Atar vom Stadionlokal des FC Gitterli, wo sie die Kündigung erhalten hatten, ins «Feinkost Arena Scenario Café». Ihre früheren Kundinnen und Kunden folgte ihnen aber zu wenig. Aus diesem Grund zogen sie im Jahr 2023 weiter nach Pratteln: zunächst ins Klublokal des FC, dann ins Schwimmbad-Bistro.
Nach dem «Pine»-Intermezzo ist das «Scenario» nun wieder ausgeschrieben. Wie es damit weitergeht, ist noch offen. Der Besitzer Heinz Zimmermann ist offen dafür, jemand Jungem eine Chance zu geben, möchte aber gerne ein paar Jahre Stabilität. Der fehlende grössere Aussenbereich und die Lage etwas abseits des «Stedtlis» sind mögliche Handicaps. Zu Letzterem meint jedoch Fabienne Ballmer, Präsidentin Gastro Baselland: «Es ist nicht so, dass das nicht funktionieren kann – so abgelegen ist das Lokal auch nicht.»
Es ist unumstritten, dass es einiges braucht, um mit einem Gastrobetrieb erfolgreich zu sein: einen Namen, gute Kontakte, Mut und Innovationsfreude, Investitionsbereitschaft, Durchhaltevermögen und finanzielles Geschick, vor allem aber Freude, mit Menschen in Kontakt zu treten sowie Qualität und guten Service.
Gar nicht so viel anders eigentlich als 1902, als Max Gütte-Buser, damals neuer Besitzer des Restaurants Baselbieter an der Burgstrasse 12, stolz seinen Namen auf die Fassade pinseln und ein Inserat in die «Basellandschaftliche Zeitung» setzen liess. «Es wird mein Bestreben sein, meine werten Gäste aufs Beste und zur Zufriedenheit zu bedienen», schrieb er und versprach «1a - Bier», «warme und kalte Speisen», «nur gute … Weine» sowie «rasche und gute Bedienung».
*Namen auf Wunsch der Betroffenen anonymisiert.