Ein Tor zur Schweiz
09.09.2025 Bezirk Waldenburg, Gesellschaft, Kultur, Baselbiet, LangenbruckIn seiner Geschichte hat sich das Passdorf mehrfach gewandelt
Wer immer über den Oberen Hauenstein reiste, nahm Anteil an der 2000-jährigen Geschichte des Passes und des Dorfes Langenbruck. In Reiseberichten wird der Obere Hauenstein auch als «Tor zur Schweiz» ...
In seiner Geschichte hat sich das Passdorf mehrfach gewandelt
Wer immer über den Oberen Hauenstein reiste, nahm Anteil an der 2000-jährigen Geschichte des Passes und des Dorfes Langenbruck. In Reiseberichten wird der Obere Hauenstein auch als «Tor zur Schweiz» bezeichnet. Heute versucht die Gemeinde, sich wieder als Tourismusort zu zeigen.
Irene Meyer
Die alten Römer, Heerscharen, Handelsleute, Pilger, Diebe und Bettler – sie alle überquerten den Pass Oberer Hauenstein. Dieser Durchgangsverkehr aus dem Norden ins Mittelland bis weiter über den Gotthard prägte über viele Jahrhunderte das Leben in Langenbruck. Landwirte, Handwerker, Gastwirte und Krämer hatten damit ihr Auskommen. Selbst das Kloster Schönthal erlebte immer wieder einen Aufschwung, nicht zuletzt durch die vielen Pilgerreisenden.
Der Passübergang wurde in früheren Zeiten «Howenstein» oder «Gehowensten» genannt. Ein althochdeutscher Begriff aus «gehouwen» (gehauen) und «Stein» – ein Teil der alten Passstrasse war in die Felsen gehauen, knapp 20 Meter lang und bis zu 6 Meter tief. Die Strecke durchs Waldenburgertal Richtung Pass führte über unbefestigte Strassen, in die sich tiefe Löcher und Fuhrgeleise eingegraben hatten. Oftmals diente lediglich das Bachbett der Oberen Frenke als Weg.
Die Strecke war steil und die Abgründe waren tief. Weshalb oftmals bis zu 15 Pferde vorgespannt werden mussten, um den Pass zu überwinden. Und war der Berg endlich bewältigt, erwartete die Reisenden ein sumpfiges, ungastliches und stark bewaldetes Gelände, das Gebiet des heutigen Langenbruck – «Villa Langebruccho», 1145 erstmals urkundlich erwähnt.
Römer, Rauraker, Alemannen und viele weitere querten den Pass. Geschichtlich relevant waren jedoch die Grafen von Froburg, denn sie wirkten als Gründer und Wohltäter des Klosters Schönthal.Alsdann wurde im Jahr 1145 das Kloster gegründet und durch Brüder des Benediktinerordens verwaltet. Das Kloster galt weitherum als Wallfahrtsort, Pilgerstätte, Herberge und zeitweise auch als Bettelstube. Zusätzlich betrieb man Landwirtschaft (inklusive Holzsäge und Mühle), eine Ziegelei und im Gebiet Dürstel Eisenerzabbau.
Die Froburger und ihr Kloster
Ab 1275 diente das Schönthal als Frauenkloster und ab 1415 als Doppelkloster. Und letztlich wurde die Anlage 1424 an einen Augustiner-Orden übergeben. Es war über lange Zeit ein Auf und Ab im Klosteralltag. Im Zuge der Reformation fand im Mai 1525 das kirchliche Leben im Kloster Schönthal ein Ende – und dies nach mehr als 380 Jahren seines Bestehens.
Die Gebäude wurden danach vor allem landwirtschaftlich genutzt. Erst im Jahr 2000 wurde die Klosteranlage wieder öffentlich zugänglich gemacht: als Ausstellungsort zeitgenössischer Kunst, samt Skulpturenpark.
Die Gewerbevielfalt im Passdorf Langenbruck war gross. So gab es beispielsweise im 17. Jahrhundert Folgendes: Schmiede, Schlosser, Nagler (Nagelschmied), Schreiner, Dreher, Küfer, Zimmermann, Tischmacher, Glaser, Hafner, Schindelmacher, Ziegler, Maurer, Wegmacher, Schuhmacher, Gerber, Färber, Weber, Hosen-Stricker, Schneider, Müller, Beck, Metzger, Gastwirte, Scherer, Schulmeister, Schärmauser sowie «Geiss Hirdt alhier und die alt Hebam».
Im Gegensatz zur heutigen Zeit mit der Globalisierung war man damals regional stark vernetzt und dadurch recht autonom. Was jedoch den Menschen zu schaffen machte, waren die weitverbreitete Armut sowie die mangelnde medizinische und soziale Versorgung einer breiten Bevölkerungsschicht. Es waren Jahrhunderte voller harter Arbeit, wenig Verdienst und grossem Elend.
Gassenbettel war über lange Zeit an der Tagesordnung. Auch wüteten immer wieder Seuchen im Land (Pest, Ruhr, Typhus und so weiter). Nicht zu vergessen sind die langwährende und grausame Hexenverfolgung (15./16. Jahrhundert) sowie die Unterdrückung der Bevölkerung durch die Kirche oder die Obrigkeit (Leibeigenschaft bis ins 18. Jahrhundert). Zudem mussten Naturkatastrophen, Hungersnöte, Kriege und Auswanderungswellen bewältigt werden.
Die Zeitenwende im Dorf
Von 1740 bis 1880 reiste man mit der Postkutsche, genauer mit zwei- bis vierplätzigen Landkutschen über den Pass. Bald schon gab es regelmässige Kurse in alle Richtungen. Ab 1845 fuhren sogar Kutschen von Basel nach Bern. In mehr als 11 Stunden war der moderne 16-Plätzer am Ziel. Mit dem Bau des Hauensteintunnels Läufelfingen – Olten (1856) änderte sich jedoch alles: Die Strasse am Oberen Hauenstein hatte ausgedient, das Gewerbe verarmte und viele junge Bauern wanderten aus.
Dank des Engagements und der Weitsicht namhafter Bürger gelang es 1856, die Uhrenindustrie und die Bandweberei im Dorf anzusiedeln. Gleichzeitig kam der Kurort Langenbruck zum Erblühen. Bereits 1860 zählte man 5600 Sommergäste im Dorf. Es wurden Solbäder, Massagen und Molkekuren angeboten sowie das «methodische Bergsteigen» propagiert – und dies zu «lieblichen Tönen der Herdenglocken und zum fröhlichen Jodeln der Sennen». 1874 wurde das Kurhaus Langenbruck eröffnet und 1896 das Lungensanatorium Erzenberg. 1911 zählte man im Dorf insgesamt 13 Kur-Etablissements.
Das Ende von Glanz und Gloria
Der Kur- und Wintersporttourismus florierte, bis 1914 der Erste Weltkrieg begann. Die Gäste reisten ab und es bezogen stattdessen gegen 2500 Soldaten Quartier im Dorf. Zwar kehrten nach dem Krieg ab 1918 die Feriengäste allmählich zurück, aber die Blütezeit des Kurortes war vorbei. Und nach dem Zweiten Weltkrieg (1939–1945) wurde es noch stiller im Dorf. Der Kurort Langenbruck war nicht mehr gefragt. Letztlich wurden 1964 das Sanatorium Erzenberg und 1981 das ehrwürdige Kurhaus abgebrochen.
Die Heimposamenterei war zu dieser Zeit bereits Geschichte, und selbst die Uhrenindustrie in Langenbruck kam in den 1980er-Jahren zu einem jähen Ende. Geblieben sind die spannende 2000-jährige Passgeschichte, einzelne Bauten im Dorfkern und das Kloster Schönthal.
An dieser Stelle endet die Geschichte jedoch keineswegs, denn wiederum investierte man in neue Ideen. Seit einigen Jahren ist der Tourismus wieder in die «heimelige» Juralandschaft um Langenbruck zurückgekehrt. Neben vielfältigen Wanderangeboten wird heute mit einem Seilpark, einer Solarbob-Bahn, einem Pumptrack, einer Kneippanlage, grosszügigen Picknickplätzen, Langlaufpisten sowie Besichtigungen der Fortifikation Hauenstein und des Klosters Schönthal den modernen Bedürfnissen entsprochen.
Nicht fehlen darf eine zeitgemässe Unterkunft im Hotel Erica und anderen Häusern. Und so werden auch künftig Tages- und Feriengäste im Dorf verweilen – ganz nach dem Vorbild des früheren Kurortes Langenbruck.