Ein Haus geht auf Reisen
07.05.2024 Bezirk Liestal, Seltisberg, BauprojekteHausbesitzer benötigen neue Parzelle für ihr mobiles Heim, weil das Baurecht endet
Die Familie Wüthrich hat vor zwölf Jahren trotz etlicher Hürden ihren Traum realisiert – den Bau eines kleinen, mobilen Hauses auf einem wunderschön gelegenen ...
Hausbesitzer benötigen neue Parzelle für ihr mobiles Heim, weil das Baurecht endet
Die Familie Wüthrich hat vor zwölf Jahren trotz etlicher Hürden ihren Traum realisiert – den Bau eines kleinen, mobilen Hauses auf einem wunderschön gelegenen Grundstück am Dorfrand von Seltisberg. Mit Auslaufen des Baurechtsvertrags endet die Herrlichkeit und es beginnt die Suche nach einer neuen.
Andreas Hirsbrunner
Tiny Häuser sind in vieler Munde, doch durchgesetzt haben sie sich in der Schweiz im Gegensatz zu Amerika bis anhin nicht. Ihr Vorteil: Sie sind klein, nachhaltig und mobil. So gesehen sind Johanna und Christian Wüthrich aus Seltisberg, die derzeit mit einem Inserat in diversen Gemeindeblättern unter dem Titel «Haus sucht neues Grundstück» für Aufsehen sorgen, echte Pioniere. Ihr zwölf Jahre altes Haus mit einer Nettonutzfläche von 115 Quadratmetern ist zwar nicht ganz «tiny», für Schweizer Verhältnisse aber klein, nachhaltig und mobil.
Dass man sich als vierköpfige Familie auf ein derartiges Unterfangen einlässt, bedingt spezielle Voraussetzungen. Bei Wüthrichs sahen die so aus: Christian (53), von Beruf Ingenieur, ist ein Tüftler und Anhänger der Philosophie, das Materielle auf ein Minimum zu reduzieren. Johanna (ebenfalls 53) ist geprägt von ihrer siebenjährigen Wohnzeit am Hafen im Basler Stadtteil Kleinhüningen inmitten von Containern sowie von den vielen Reisen im VW-Bus mit ihren Eltern. Die Gebärdensprachdolmetscherin sagt von sich: «Ich habe wahrscheinlich Nomadenblut in mir und konnte mir schon immer vorstellen, in einem mobilen Container zu leben.»
Dazu kam die finanzielle Situation der jungen Familie, die zwar den Kauf eines bescheidenen Hauses oder eines Stücks Land erlaubte, aber nicht von beidem. Dieser Mix führte vor eineinhalb Dutzend Jahren dazu, dass der Familienvater ein Haus zu entwerfen begann, das aus mehreren Modulen besteht und demontierbar ist.
Kaum einer wollte «Legohaus» bauen
Doch die Pläne umzusetzen, erwies sich als ziemlich schwierig, wie Johanna Wüthrich erzählt. Da war das Problem, eine Bauparzelle im Baurecht über eine Zeit von etwa einem Vierteljahrhundert zu finden, wie es Wüthrichs vorschwebte. In unzähligen Spaziergängen erkundeten sie die Dörfer rund um ihren damaligen Wohnort Lupsingen. Schliesslich wurden sie in Seltisberg an idyllischer Lage fündig, allerdings mit einer Einschränkung. Dazu Johanna Wüthrich: «Der Landbesitzer gewährte uns ein Baurecht über 15 Jahre. Wir fanden niemanden, der uns sein Land für 20 bis 25 Jahre abtreten wollte, weil das allen zu lange war, da sie es für ihre Kinder oder Enkel vorgesehen hatten.»
Ein anderes Problem war, Geldgeber für das ohne Eigenleistungen 466 000 Franken teure Projekt zu finden. Keine Bank gebe Kredite für ein Haus auf einem Grundstück mit so kurzer Baurechtszeit, weshalb sie verschiedene Stiftungen angeschrieben hätten. Doch auch von dieser Seite habe es Absagen gegeben. Johanna Wüthrich: «Am Schluss blieb mir nur noch, bei einer bekannten Wohnbau-Stiftung nach deren Absage nochmals vorzusprechen und ihr klarzumachen, dass wir ohne ihr Engagement alle unsere langjährigen Pläne begraben müssen. Schliesslich erbarmte sich der Stiftungsrat unser.»
Auch nicht einfach war, eine Holzbaufirma zu finden, welche die von Christian Wüthrich entworfenen Pläne mit sieben Modulen, die zweistöckig wie Legosteine zusammengesetzt werden sollten, realisieren wollte. Alle angefragten regionalen Holzbauer hätten abgesagt. Nach langem Suchen seien sie bei einer Appenzeller Firma fündig geworden, die im Baselbiet bereits Container als Zwischenlösung für ein Altersheim gebaut hatte, blickt Johanna Wüthrich zurück. Im Herbst 2012 erfolgte dann der Einzug in das weitherum einzigartige Haus in Seltisberg, nachdem die Module per Lastwagen angekarrt worden waren.
Hausumzug ist nicht ganz billig
Und jetzt beginnt die Suche nach einer Nachfolgelösung; 2027 läuft der Baurechtsvertrag aus. Bevorzugte Destinationen für ihr Haus seien Seltisberg selbst, Gemeinden rund herum oder ein Dorf im Baselbieter Tafeljura. Dort – in Kilchberg – seien sie bereits fündig geworden, doch sei die Parzelle leider in einer W1-Zone gelegen. Zwar könnten sie ihre sieben Module auch neben- statt aufeinander stellen, doch die Anpassungen kämen zu teuer, sagt Johanna Wüthrich. Sowieso ist der Umzug eines ganzen Hauses alles andere als billig. «Alles in allem wird uns das über 100 000 Franken kosten. Das ist eine bittere Pille.»
Um in zwei Jahrzehnten nicht noch einmal einen Hausumzug bewältigen zu müssen, wollen die Wüthrichs dieses Mal die Standortparzelle ihres Hauses kaufen. Deren Minimalgrösse sei wegen der notwendigen Grenzabstände 400 Quadratmeter. Eine Begleiterscheinung des Hausumzugs ist, dass die Lärchenfassade bei der Demontage entlang der Module aufgeschnitten werden muss. Deshalb erhält das Haus am neuen Ort eine zweite Holzfassade verpasst, was die ohnehin schon gute Wärmedämmung nochmals verbessert. Auch die sich über zwei Module erstreckende Küche muss aufgetrennt werden. Johanna Wüthrich erzählt das alles mit einem Schulterzucken und meint: «Ich würde trotzdem alles wieder gleich machen. Mit dem mobilen Haus haben wir uns einen Traum erfüllt und eine Veränderung ist immer auch eine Chance.»