Ein Dorf im Flipperfieber
25.11.2025 Bezirk Waldenburg, Region, Baselbiet, ReigoldswilIm Flipperverein Fünflibertal spielt man um Punkte auf der Weltrangliste
In der Halle des Flippervereins Fünflibertal klang es am Samstag wie in einer längst vergangenen Arcade-Ära: 52 Spieler spickten die Silberkugeln in den Kästen, um auf der ...
Im Flipperverein Fünflibertal spielt man um Punkte auf der Weltrangliste
In der Halle des Flippervereins Fünflibertal klang es am Samstag wie in einer längst vergangenen Arcade-Ära: 52 Spieler spickten die Silberkugeln in den Kästen, um auf der Flipper-Weltrangliste aufzusteigen.
Melanie Frei
Seit 10.45 Uhr klappert und klingelt es in der ehemaligen Uhrenfabrik an der Tittertenstrasse 18 in Reigoldswil, die heute das Clublokal des Flippervereins Fünflibertal beherbergt. Präsident Stefan Mory bewegt sich mit schnellen, fast tänzerischen Schritten zwischen den Kästen hindurch. Viele seiner Besucherinnen und Besucher sind über 50 Jahre alt und mit Flippern gross geworden. Spieler reisten für das wichtige Turnier aus der Ostschweiz, aus dem Wallis, aus der Romandie an – sogar aus Deutschland und Italien.
«Wenn hier was läuft, ist es nie leer», sagt Mory und blickt zufrieden durch die Halle. Mehr als 80 Flipperkästen stehen hier oben und im Untergeschoss des Vereinslokals, Klassiker aus den 1960er-Jahren bis zu neuen Modellen aus dem Jahr 2024. Lange kann der Reigoldswiler Garagist aber nie stehen bleiben, denn auch er ist in das Turnier eingebunden und erspielt sich Tabellenpunkte auf der Weltrangliste der International Flipper Pinball Association (Ifpa).
Aussenstehende fragen sich womöglich, warum sich gestandene Erwachsene so in diesen Wettkampf hineinsteigern. Die Antwort liegt im globalen Ranking. Die Ifpa führt das weltweite Ranking, erkennt Turniere an, die Punkte für die Schweizer Meisterschaft und internationale Qualifikationen liefern, und ermöglicht so Spielern den Weg zur Europameisterschaft oder Weltmeisterschaft.
Gespielt wurde am vergangenen Samstag im anspruchsvollen «Group Match Play»-Format. Der Computer loste für jede Runde neue Vierergruppen zu. Niemand wusste, an welchem Kasten er oder sie gleich stehen würde – oder gegen wen gespielt wird. 14 Qualifikationsrunden lang jagte die Silberkugel mit bis zu 40 Stundenkilometern über Rampen und blinkende Ziele.
Die Punkte werden klar verteilt: 7 für den Sieg, 5 für Platz zwei, 3 für Platz drei, 1 für den letzten Platz. Der Computer berechnet live die Rangliste. Nur die besten 14 schaffen es in die Finalrunden. Mit einem TGP-Wert von 180 Prozent zählt dieses Turnier international stark. Grund dafür, dass in dieser Halle eine spürbare Spannung in der Luft liegt.
Zwischen den Runden liegen Emotionen eng beieinander: Jubel, wenn die Kugel die Rampe trifft; Frust, wenn sie ohne Vorwarnung die Mitte hinuntersegelt. «Manche Kästen liegen einem einfach nicht», meint ein älterer Spieler. Jetzt lacht er, vor 2 Minuten haute er verärgert an die Seite des Flipperkastens.
Nostalgie pur
14 Spieler schaffen es ins Finale – auch Stefan Mory. Die Halle wird stiller. Die Zuschauer stehen dicht gedrängt, manche mit verschränkten Armen, andere mit beinahe sichtbar aufgestellten Nackenhaaren. Ab den Finalspielen wird im Punktesystem 4-2-1-0 gespielt, mit jeweils drei Geräten pro Runde. Nur die besten zwei kommen weiter. Bei Gleichstand entscheidet ein einzelnes Tie-Breaker-Spiel.
Für Mory endet das Abenteuer in der ersten Runde. «Ich bin rausgeflogen nach drei Geräten», erzählt er später am Telefon, etwas Enttäuschung lässt sich heraushören. «Aber das ist ein Sport, wie Dart oder Billard. Es schreit zwar niemand wie beim Dart, aber die Anspannung ist dennoch da. Und verlieren gehört dazu.»
Zwischen all der Anspannung drückt die Nostalgie durch. Spieler streicheln fast liebevoll über Gehäuse der Maschinen, schauen sich die Comicartigen Zeichnungen darauf an, die sie vielleicht noch aus ihrer Kindheit noch kennen.
Der älteste Kasten stammt aus den 1960er-Jahren. «Der neueste Flipperkasten mit dem Motiv des Looney Tunes ist von 2024», sagt Mory. Seine Sammlung wächst stetig. Ein Lieblingsgerät? Kaum möglich, sich zu entscheiden: «Bei drei Geräten kann man sagen, welchen man am meisten mag. Bei zehn sind es vielleicht zwei. Aber wenn du 80 oder mehr hast – geht das nicht mehr.»
Eine Ausnahme hat er aber: Medieval Madness, ein Kult-Flipper der späten 1990er-Jahre von Williams. «Den spielt jeder gern, vom Anfänger bis zum Profi.»
Doch das Flippern ist mehr als nur ein Wettbewerb, gerade im Flipperverein Fünflibertal. Für 20 Franken kann jeder und jede eine Tagesmitgliedschaft lösen und den ganzen Tag spielen. Der Verein organisiert auch Kindergeburtstage, Weihnachts- und Silvesterflippern sowie Firmenessen – beliebt wegen des vertrauten Familiencharakters und der nostalgischen Atmosphäre zwischen den alten Flipperkästen.
Die Vereinsleitung teilt sich Mory mit seiner Frau Réjeanne, welche die Aufgaben der Kassierin übernimmt – und an diesem Samstag die gute Seele im Hintergrund ist. «Sie unterstützt mich bei allem, auch wenn sie selber nichts mit Flippern am Hut hat», sagt Mory. Um 17 Uhr stellt sie für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein warmes Essen bereit, damit niemand hungrig in die entscheidenden Runden starten muss.
Wer es dann doch lieber etwas spannender mag, für die findet mehrmals im Jahr die Fünfliber-Challenge statt – kleine, hart umkämpfte Turniere, bei denen ebenfalls Ifpa-Punkte gesammelt werden können. Das nächste Turnier steigt am 18. Dezember.
Gewinne? Pokale? Ja, gibt es. Doch eigentlich geht es hier um etwas anderes: um Leidenschaft, um Begegnungen – und darum, dass ein kleines Vereinslokal im Fünflibertal für einen Tag mit der ganz grossen Flipperweltliga in Berührung kommt.


