Ein definitiv intelligent investierter Obolus
13.03.2025 Bezirk Sissach, Sissach, Fasnacht«Dr Glöggeliwagä» kehrt mit dem Besen durchs Dorf
32 Seiten stark ist die 87. «Usgoob» des Glöggeliwagens, der Sissacher Fasnachtszeitung. Wie gewohnt, nimmt sie Ereignisse aus Sissach und dem Umland aufs Korn. Im Mittelpunkt stehen die ...
«Dr Glöggeliwagä» kehrt mit dem Besen durchs Dorf
32 Seiten stark ist die 87. «Usgoob» des Glöggeliwagens, der Sissacher Fasnachtszeitung. Wie gewohnt, nimmt sie Ereignisse aus Sissach und dem Umland aufs Korn. Im Mittelpunkt stehen die Bemühungen, dem Jubiläum der Gemeinde angemessene Bedeutung zukommen zu lassen.
Neofütt
«Viel Vergnügen beim Stöbern im ‹Glöggeliwagä› und beim Geniessen der fünf schönsten Tage im Sissacher Jubiläumsjahr!» Dieser letzte Satz sitzt. Wie immer eröffnet die – anonyme – Redaktion des «Glöggeliwagä» auch die diesjährige Ausgabe mit einer Art zynischer Übersicht über die im Innenteil persiflierten Ereignisse in und um Sissach. Dies ist nicht der letzte Fremdwort-Versuch in dieser Rezension, versprochen.
In 86 von 87 Ausgaben handelt es sich naturgemäss um einen Rückblick auf das verflossene Jahr, doch nicht in der aktuellen Sonntagszeitung der Sissacher Narren GmbH, auch FGS genannt. Sie dreht sich zu einem wesentlichen Teil um eine Vorschau auf das – aufmerksame Leserinnen und Leser der «Volksstimme» dürften es bereits bemerkt haben – laufende Jubiläumsjahr, das nicht so recht in die Gänge kommen will.
Ausgerechnet Zunzgen hat es den Sissachern vorgemacht, wie man runde Geburtstage feiert, zum Beispiel indem man eine Trutzburg auf den Büchel baut. Und Itingen, der andere Nachbar, macht es sich noch einfacher, indem er sein Jubiläum im kommenden Jahr einfach verpennt. Doch wie doziert der «Wäägmacher» stringent: «Vielleicht ist Breesi Mundi auch nur um einiges cleverer als die Mannen und Frauen zu Sissach und sagt sich: Lieber ein Jubiläum vergessen als ein Jubiläum zum Vergessen.» Dass zwei «Histeriker» ihren Themenweg – das erklärte Schmuckstück des Jubiläums – aus nebulösen Kausalitäten vorzeitig zu Grabe tragen, krönt die verzweifelten Bemühungen um eine denkwürdige Feier.
Auch das «Ussland» kommt vor
Und bei diesem Thema kommt ein verlorener, aber keineswegs vermisster Sohn von Sissach ins Spiel, der die Kalamitäten um das vermaledeite Jubiläum in einer Zeitung, nicht in der Schaubstimme,durch den Kakao zieht. Dabei greift er zu einer Orgie meist richtig geschriebener Fremdwörter. Solches Imponiergehabe inspiriert per se die kleineren Brüder von der Fasnachtspostille. Der Zufall (oder doch die Redaktion?) will es, dass ausgerechnet seine Mutter in der aktuellen Ausgabe in die ehrenwerte «Galerie der Sissecher Chläuse und Chläusinnen» aufgenommen wird.
Mit ihrem Engagement für das Sissacher Heimatmuseum und ihren Auftritten als Trachtenträgerin (vielleicht hätte sie mal ihrem Sohn eine Tracht verabreichen sollen) sowie als «Glöggeliwagä»-Verkäuferin und, und, und ist ihre Ehrung mehr als verdient, auch wenn anderswo darüber spekuliert wird, sie könnte beim Verriss aus Filiusens Feder eingeflüstert haben.
Diese Gilde, in die vor Jahren bereits ihr Ehemann aufgenommen wurde, ist nur eine der vielen wiederkehrenden Rubriken in der letzten übrig gebliebenen Fasnachtszeitung weit und breit. Beiträge aus den umliegenden Gemeinden, die zumindest umfangmässig hinter den Sissacher Ingredienzen zurückstehen, finden sich wie immer in der Rubrik «Ussland». Örtliche Gewerbebetriebe erhalten gegen einen verkraftbaren Zustupf an die Produktionskosten einen Werbe-Zweizeiler; eine Kino-Vorschau und ein Mini-Kreuzworträtsel bilden die letzte Seite. Und schon bald könnten sich die Sticheleien, welche die «Sonne» alljährlich über sich ergehen lassen muss, ebenfalls zu einer festen Rubrik entwickeln.
Die Lektüre zu einem Genuss machen zusätzlich viele gelungene Wortspiele. Eine SVP-Landrätin wird als «weibliche Fleischwerdung Winkelrieds» bezeichnet, eine Parteikollegin, deren Name hier nicht repetiert sei, als «Junge-Tat-kräftige Frau» tituliert. Das renovierte und wiedereröffnete «Stöpli» wird als «einsturzgefährdetes Asylheim für gestrandete Stammtischnomaden» beschrieben. Natürlich kann dieses Niveau nicht über die gesamten 32 Seiten durchgezogen werden, und bisweilen wird selbst dem Sissach-Habitué bei der Lektüre gar viel Insider-Wissen abverlangt. Doch der «Föiflyyber oder meh» ist als Obolus intelligent investiert. Definitiv.