«Ein Ausstieg ist nicht das Ziel»
12.08.2025 Baselbiet, Rümlingen, Baselbiet, PolitikMatthias Liechti (SVP) – der konziliante Regierungsratskandidat über die Uni-Trägerschaft
Der Bankmanager und nebenberufliche Kleinbauer Matthias Liechti (SVP) aus Rümlingen studierte einst für seinen Wertekompass Theologie und will nun für die SVP ...
Matthias Liechti (SVP) – der konziliante Regierungsratskandidat über die Uni-Trägerschaft
Der Bankmanager und nebenberufliche Kleinbauer Matthias Liechti (SVP) aus Rümlingen studierte einst für seinen Wertekompass Theologie und will nun für die SVP Regierungsrat werden. Bei den Schwerpunktthemen ist er auf Parteilinie, schlägt jedoch konziliante Töne an.
Nikolaos Schär
Herr Liechti, Sie haben Theologie studiert und arbeiten im Bankmanagement. Nun wollen Sie Regierungsrat werden. Wie kam dieser ungewöhnliche Lebenslauf zustande?
Matthias Liechti: Ich habe keinen geradlinigen Lebenslauf, wie man das sonst erwarten würde, dafür bringe ich einen breiten Rucksack mit. Nach der KV-Lehre ging ich für einen dreimonatigen Aufenthalt nach Kanada. In dieser Phase ist mir klar geworden, dass es mir nicht reicht, irgendwo nur einen Job zu finden. Ich wollte etwas für die Gesellschaft tun. Durch das politische Engagement meiner Eltern entschied ich mich, ebenfalls politisch aktiv zu werden. Dann war die Folgefrage: Wie bereite ich mich darauf vor? So kam ich auf die – für viele wohl ungewöhnliche – Idee, berufsbegleitend ein Theologiestudium zu machen. Ich lernte dadurch, wie Non-Profit-Organisationen funktionieren und man Mitarbeiter, die nicht angestellt sind, führt und vor allem, wie man zuhört. Man lernt, Zusammenhänge zu sehen, die vielleicht nicht gleich auf den ersten Blick sichtbar sind. Der Glaube ist für mich ein wichtiges Eichinstrument für meine Wertevorstellungen. Pfarrer wollte ich jedoch nie werden.
Sie sind Mitglied in der Freikirche «Gate 44» (ehemals Chrischona) in Böckten. Warum sind Sie bei der SVP gelandet und gingen nicht zur EVP?
Ich war nicht eingeschossen auf die SVP, obwohl meine Eltern dort aktiv waren und sich kommunal und kantonal engagierten. Ausschlaggebend war damals meine Ablehnung eines EU-Beitritts der Schweiz. Das siebte schon viele Parteien aus. Meine Übereinstimmung bei den Schwerpunkthemen führte dann zum SVP-Beitritt.
Ihre Beiträge in der «Carte blanche» wirken reflektiert und behutsam formuliert, während der SVP-Stil oft auf starke Parolen setzt. Wie bringen Sie das zusammen?
Die SVP tritt markig auf. Ich orientiere mich nicht an Stammtischparolen oder polternden Auftritten, sondern am Parteiprogramm. Das ist sachlich formuliert. In einer Volkspartei muss es Platz haben für Polterer und für die Stillen. Nicht ruhig bin ich in der Fraktionsund Kommissionsarbeit, suche Mehrheiten und wirke in bilateralen Gesprächen. Es ist nicht immer einfach, neben den plakativen Stimmen gehört zu werden, aber möglich.
Ist das der Grund, dass Sie noch keinen Vorstoss im Landrat eingereicht haben?
Ich bin erst seit 2023 im Landrat. Es gibt andere, die sofort aktiv werden, ich habe auf den Rat meiner Kollegen gehört und zuerst gelernt, wie es läuft. Vieles lässt sich hinter den Kulissen klären, per Telefon oder direkt mit Regierungsmitgliedern. Das geht oft schneller als über offizielle Vorstösse.
Vor mehr als einem Jahr gab es einen medial ausgetragenen Richtungsstreit in der SVP über den Kurs der Partei. Sie haben sich damals nicht klar positioniert. Zu welchem Flügel würden Sie sich zählen?
Weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Beide hatten valable Punkte, der Unterschied war vor allem der Stil. Es war weniger ein inhaltlicher Graben, sondern einer über die Art und Weise, wie die politische Kommunikation der SVP ausgestaltet sein soll. Als ich in den Landrat kam, lief das gerade an. Da habe ich mich lieber thematisch eingebracht, als Öl ins Feuer zu giessen.
Sie sind in der gleichen Sektion wie Peter Riebli. Wie ist Ihr Verhältnis zum SVP-Parteipräsidenten?
Ich kenne ihn als Gemeinderatskollegen. Er war Gemeindepräsident in Buckten, ich in Rümlingen; und durch die enge Zusammenarbeit hatten wir einige gemeinsame Mandate. Wir sind gleichzeitig in die SVP eingetreten, haben Wahlkämpfe bestritten. Er ist ein «schaffiger Politiker», weiss, worum es geht, kann differenzieren. Ja, wir sind nicht immer gleicher Meinung, aber wir respektieren die Argumentationslinien des anderen. Das Verhältnis ist kollegial und respektvoll.
Im Landrat sind Sie unauffällig. Stimmen Sie immer mit der Fraktion?
Nein. Es gab diverse Abstimmungen, in denen ich anders stimmte – immer begründet. Wenn etwas nicht mit meinen Werten vereinbar ist, stimme ich dagegen. Ich bin als Matthias Liechti gewählt worden, nicht als blinder Parteisoldat.
In Ihrem Abschiedsporträt als Gemeindepräsident stand, Sie seien eher ein «Dorfdiener» als ein «Dorfkönig». Beisst sich diese Beschreibung nicht mit dem Führungsanspruch als Regierungsrat?
Nein. Man kann in dienender Haltung führen – gemeinsam Lösungen erarbeiten, Verantwortung übernehmen, ohne starr durchzuregieren.
Bei der internen Ausmarchung 2023 waren Sie gegen Sandra Sollberger chancenlos. Jetzt greift die SVP einen FDP-Sitz an. Gefährdet das nicht die bürgerliche Zusammenarbeit (Büza)?
Wir wollen den Bürgerblock stärken. Es geht nicht darum, die Büza zu sprengen oder die FDP abzuwerten. Als grösste bürgerliche Partei wollen wir der Bevölkerung jedoch eine Wahlmöglichkeit bieten.
Sie sind Mitglied der Bildungs-, Kultur- und Sportkommission. Was läuft im Bildungsbereich gut, was nicht so gut?
Gut läuft, dass man miteinander spricht – von links bis rechts. Die grossen Herausforderungen sind die Stärkung der Berufsbildung, das Frühfranzösisch, die integrative/separative Beschulung, die Finanzierung der Primarschulen respektive Universität und damit auch das Budget. Die Kommission arbeitet konstruktiv. Das stimmt mich positiv für die Zeit nach Monica Gschwind: dass man auf Augenhöhe Lösungen sucht.
Die Regierung hat sich ein Sparprogramm auferlegt, das auch den Bildungsbereich treffen wird.
Gleichzeitig gibt es mehr Kinder mit psychischen Problemen.
Das Problem besteht nicht nur im Baselbiet. Gesellschaftlich betrachtet haben Kinder heute weniger Resilienz, mehr psychische Belastungen, oft wegen fehlender oder überforderter Betreuung zu Hause und dem medialen Druck. Es gibt keine einfache Lösung, aber: Wir müssen auch die leistungsstarken Kinder im Blick behalten, ihnen gute Bildung ermöglichen. Volle Integration ist nicht immer sinnvoll – manchmal stresst es Kinder mehr, wenn sie ständig sehen, dass sie nicht mithalten können.
Gibt es Bereiche im Bildungssystem, wo man nicht kürzen darf?
Im Klassenzimmer, wo das Kind direkt profitiert, sollte man nicht sparen. Bei der Verwaltung oder dem nicht obligatorischen Bildungsangebot gäbe es durchaus Optimierungspotenzial. Als Schulrätpräsident der Kreisschule Homburg sah ich, was für ausführliche Fragebögen wir ausfüllen mussten, die am Ende zum Teil gar nicht qualitativ besprochen wurden.
Die Finanzierung der Universität ist bis 2030 geregelt, doch die Kosten für das Baselbiet werden weiter steigen. Ist die gemeinsame Trägerschaft zukunftsfähig?
Die Uni Basel ist wertvoll für Region und Industrie, aber das Baselbiet zahlt aktuell rund 100 Millionen Franken mehr, als wenn sie nicht Trägerin der Uni wäre. Wir müssen offen diskutieren: Was brauchen wir wirklich? Können Studiengebühren angepasst oder noch weitere Drittmittel akquiriert werden? Lohnt es sich, das Modell der FHNW zu verfolgen, wo vier Kantone Träger sind? Ein Ausstieg aus der Partnerschaft ist nicht das Ziel, sollte aber als Option auf dem Tisch liegen, falls keine nachhaltigere Finanzierung realisiert werden kann.
Sind Sie Teil der BLKB-Initiative von Peter Riebli, welche die BLKB wieder stärker unter die politische Aufsicht nehmen will?
Ich bin nicht Mitglied des Initiativ-Komitees, habe aber im Landrat die SVP-Vorstösse zu diesem Thema unterstützt. Die Geschäftsidee von «Radicant» war und ist nicht schlecht, aber die Bewertung war aus meiner Sicht zu hoch. Und die Frage ist berechtigt, ob dieses Geschäftsmodell – welches sich notabene auch schon mehrfach geändert hat – zu einer Kantonalbank gehört.
Warum haben dann – trotz der zu hohen Bewertung – die Kontrollmechanismen nicht gegriffen?
Wenn ein Projekt so neu ist wie die «Radicant», braucht es ein grosses Fachwissen. Aus meiner Zeit als Bankenrevisor weiss ich, dass viele Kontrollen nicht zwingend zu weniger Fehlern oder Risiko führen. Rückblickend ist es einfach zu sagen, dass zu wenig kritisch hingeschaut wurde. Ob die Kontrollen aber nicht gegriffen haben, wird bekanntlich aktuell untersucht.
Braucht es für die Aufarbeitung wirklich eine Parlamentarische Untersuchungskommission?
Gegen 150 Millionen Franken Abschreibungen sind für Baselbieter Verhältnisse enorm. Man soll prüfen, ob die Sorgfaltspflicht eingehalten wurde – auch und gerade, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen.