«Die Trauben verlieren mit dem Regen an Süsse»
26.09.2025 Region, Baselbiet, GastronomieWespen, Kirschessigfliegen und nun der Regen machen Rebbauern zu schaffen. Das bedeutet für die Weinlese, die im Baselbiet wohl am Wochenende abgeschlossen wird, deutlich mehr Arbeit als sonst. Die Erntemenge ist ordentlich, der Zuckergehalt der Trauben erfreulich.
...Wespen, Kirschessigfliegen und nun der Regen machen Rebbauern zu schaffen. Das bedeutet für die Weinlese, die im Baselbiet wohl am Wochenende abgeschlossen wird, deutlich mehr Arbeit als sonst. Die Erntemenge ist ordentlich, der Zuckergehalt der Trauben erfreulich.
Christian Horisberger
Vor zwei Wochen hiess es zum Start der Weinlese, es werde eine ordentliche Ernte geben. Seither hat das Wetter umgeschlagen, wir haben Wespen und Kirschessigfliegen in den Reben, die Trauben faulen teilweise. Herr Buser, was davon gilt heute noch? Andreas Buser: Dass es eine ordentliche Ernte geben wird. Man darf die beiden warmen Wochenenden nicht vergessen, die wir zuletzt hatten. Die waren der Reifung zuträglich. Doch sorgt die Witterung nun für erschwerte Bedingungen beim Herbsten.
Das heisst?
Von Fäulnis befallene Beeren müssen bei der Ernte erkannt und grosszügig herausgeschnitten werden. Das bedeutet einen erheblich grösseren Aufwand, als wenn wir günstiges Erntewetter und kaum faule Beeren haben. Ich habe in meinen eigenen Reben in Oberdorf wegen der Sonderung für die Ernte doppelt so viel Zeit benötigt als üblich.
Immerhin konnten Sie herbsten. Die meisten späteren roten Sorten hängen im Oberbaselbiet noch an den Rebstöcken. Die Wetterprognosen sind aber nicht berauschend. Was führt aus diesem Dilemma?
Der Reifeprozess der Trauben ist abgeschlossen, deshalb sollten sie jetzt möglichst zügig hereingeholt werden. Denn die Nässe dringt in die Trauben ein, dies erzeugt in der Beere Spannung, was zu Mikro-Rissen in der schützenden Traubenhaut führen kann. Wie mechanische Verletzungen der Haut durch Hagel, Wespen oder Kirschessigfliegen sind diese Risse ein Einfallstor für Pilzsporen.
Was bedeutet eindringendes Regenwasser für die Traubenqualität?
Die Trauben verlieren an Süsse. Ich schätze, dass zwei Öchslegrade verloren gehen, wenn man die Trauben jetzt erntet.
Soll man bei Regen ernten?
Es gibt sicher Angenehmeres für die Erntehelfer als Regenwetter. Aber die Qualität wird jetzt nicht mehr besser und es gilt, weiteren Schaden zu verhindern. Das geht vor allem die Rebbauern in den späteren Lagen im oberen Kantonsteil an. Im unteren Kantonsteil bis und mit Pratteln ist die Ernte zu 95 Prozent bereits abgeschlossen.
Sind Regentropfen auf den Trauben kein Problem?
Nein. Die kann man von Hand abschütteln oder mit einem Gebläse wegpusten. Soweit ich weiss, steht in den Rebdörfern Wintersingen, Buus und Maisprach der Grossangriff auf die Reben kurz bevor. Wenn man sich den Wetterbericht genau anschaut, sind regenfreie Phasen am Samstag und am Sonntag gut möglich.
Wenigstens ist es kühl, was den Fäulnisprozess hemmt …
… das ist sicher besser, als wenn die Trauben beim Ernten schon 30 Grad warm sind, vor dem Pressen über mehrere Stunden in Kunststoffkisten liegen und dort zu gären beginnen. Bei den aktuellen Temperaturen passiert das bestimmt nicht.
Glück im Unglück?
Ich möchte nicht von Unglück sprechen, denn Jammern bringt keinem etwas. Die Situation könnte zweifellos günstiger sein. Beim Herbsten gilt es nun, die schlechten Trauben auszusondern, um die bestmögliche Qualität zu erreichen. Das bedeutet mehr Arbeit. Die Zuckergehalte, die Weinbauern aus dem Unterbaselbiet gemessen haben, sind erfreulich. Sie liegen über dem, den ich erwartet hatte. Und es zeigt sich einmal mehr, dass jene Weinbauern, die den Ertrag ohnehin nicht maximieren und übers Jahr gut gearbeitet haben, weniger Probleme mit der Situation haben. Wer vor zwei Wochen zudem noch einmal durch die Trauben ging und die schlechten Beeren herausgeschnitten hat, ist jetzt erst recht im Vorteil.
Mit welcher Erntemenge wird gerechnet?
Beim Blauburgunder, der mit 50 Prozent der Rebfläche wichtigsten Sorte im Baselbiet, gehen wir von einer Erntemenge von rund 250 bis 300 Tonnen aus. In einem sehr guten Jahr werden im Baselbiet bis zu 400 Tonnen Blauburgundertrauben geerntet. Die diesjährige Menge darf als anständig bezeichnet werden.
Im Raum Sissach-Gelterkinden ging Ende August ein heftiger Hagelschauer nieder. Lässt sich schon etwas Konkretes zu den Auswirkungen sagen?
Es gingen innert weniger Minuten schön herangereifte Trauben kaputt. Diese müssen tendenziell früh gelesen werden. Ob es für Rotweinreife reicht, wird sich dieser Tage zeigen. Für beschädigtes Traubengut bestünde für den Rebbauern die Möglichkeit, aus einem Blauburgunder beispielsweise einen Blanc de Noir oder einen Schaumwein zu keltern, womit die Ernte verwertet und gerettet wäre.
Wie fällt die Bilanz bei den weissen Rebsorten aus?
Diese Trauben konnten zu einem grossen Teil bereits vor der Regenphase geherbstet werden. Es ist eine mittlere bis gute Ernte mit wenig Fäulnis und einem nicht übermässigen Zuckergehalt. Wobei viele Öchsle für die meisten Weine gar nicht erwünscht sind, weil sie sonst zu viel Alkohol haben.
Apropos Weisswein. Laut der Weinstatistik 2024 ist der Weinkonsum der Schweizer weiter abnehmend, doch ist der Rückgang beim Weissen mit 6 Prozent gegenüber den 9 Prozent beim Roten weniger heftig. Ein Indiz dafür, dass der Weisse dem Roten mit einem Anteil von aktuell 63 Prozent langsam den Rang abläuft?
Dass die Weissweine etwas weniger an Boden verloren haben, ist mir bekannt. Einen Trend kann ich daraus aber nicht ableiten. Den sehe ich allenfalls zugunsten von guten Rotweinen, denen bei der Herstellung ein eher mediterraner Touch verliehen wird.
Sprechen Sie jetzt von Blauburgundern?
Ja. Die lassen sich entsprechend keltern. Es gibt auch noch andere Sorten, die für den mediterranen Ausbau geeignet sind: Merlot, Syrah oder die krankheitsrobuste Sorte Cabernet Cortis zum Beispiel. Der Klimawandel begünstigt den Anbau solcher Sorten bei uns.
Sie ziehen am Oberdörfer Dielenberg weisse Bacchus- und Riesling-Sylvaner-Trauben und keltern sie auch selber. Wie sind Sie persönlich mit dem Rebjahr soweit zufrieden?
Die Menge ist nicht berauschend, was den zum Teil mehr als 40-jährigen Stöcken zuzuschreiben ist. Der Zucker beim Riesling-Sylvaner ist mit 80 Öchsle gut. Der Bacchus ist ein «Finöggeli» mit sonnenbrandanfälliger Haut. Der hat dieses Jahr beschlossen, die Zuckerproduktion bei 73 Grad Öchsle einzustellen. Aber auch aus diesen Trauben lässt sich ein schöner und fruchtiger Wein machen.