Die Region hat jetzt ihr Schlachthaus
27.05.2025 Baselbiet, Gesellschaft, Baselbiet, GastronomieNach gelungener Betriebsaufnahme durfte die Bevölkerung den Neubau besichtigen
Für die Metzger und Bauern in der Region war es ein Festtag: Das «Metzgerhuus» in Füllinsdorf wurde nach nur 15-monatiger Bauzeit eingeweiht. Seine Feuertaufe hat das Schlachthaus ...
Nach gelungener Betriebsaufnahme durfte die Bevölkerung den Neubau besichtigen
Für die Metzger und Bauern in der Region war es ein Festtag: Das «Metzgerhuus» in Füllinsdorf wurde nach nur 15-monatiger Bauzeit eingeweiht. Seine Feuertaufe hat das Schlachthaus bereits bestanden.
Christian Horisberger
Am Ende ging es schnell. Sehr schnell: In nur 15 Monaten wurde das Regio-Schlachthaus bei der ARA Ergolz 2 in Füllinsdorf aus dem Boden gestampft. Der Betrieb wurde bereits vor wenigen Wochen aufgenommen und scheint sich zu bewähren: «Zu 96 Prozent funktionierte alles auf Anhieb», sagte der Metzger und Betriebsleiter Peter Andrist am Samstag, dem ersten von zwei Tagen der offenen Tür im brandneuen «Metzgerhuus», mit einem Augenzwinkern. An den bisher drei Schlachttagen hätten nur einige Kleinigkeiten nachgebessert werden müssen.
Dass Andrist zum Scherzen aufgelegt war, hatte einen guten Grund. Er war es, der vor sieben Jahren gemeinsam mit dem damaligen Ebenrain-Leiter Lukas Kilcher die Idee eines Schlachthauses für die Region angerissen hatte: Der Nusshöfer Metzgermeister als Praktiker, der Amtsleiter als Urheber eines Baselbieter PRE.
PRE steht für «Projekte zur regionalen Entwicklung»: Bund und Kantone leisten namhafte Beiträge an Projekte zur Produktion, Verarbeitung und Vermarktung regional erzeugter landwirtschaftlicher Güter, mit dem Ziel, dass die Produzenten eine höhere Wertschöpfung erzielen können. Das Schlachthaus sollte mit einem Förderbeitrag von rund 2,5 Millionen und einer Gesamtinvestition von 12 Millionen Franken das gewichtigste werden (die «Volksstimme» berichtete).
«Znacht» als Zins für Darlehen
Zufrieden und dankbar zeigte sich am Eröffnungsakt vom Samstag auch der Arlesheimer Metzger Christoph Jenzer, dessen Einstieg das Vorhaben massgeblich vorangetrieben hatte. Allerdings: Als ihn Andrist das erste Mal auf das Projekt angesprochen habe, sei er noch zurückhaltend gewesen, erzählte Jenzer: «Ich hatte bereits vier Firmen und wollte eigentlich häufiger aufs Velo.» Dann zog es ihm doch den Ärmel rein – wie neun weiteren Aktionären der «Metzgerhuus Stadt & Land AG», wie mehr als 100 «Fleischfans», die als Zins für ein 5000-Franken-Darlehen anstatt Geld ein jährliches «Znacht» erhalten, oder wie die rund 1000 Personen, die sich online zu den beiden Tagen der offenen Tür am Samstag und am Sonntag angemeldet haben.
Regierungsrat Thomi Jourdan (EVP) sieht im Projekt ein Musterbeispiel für Unternehmertum: Ausgehend von einer Vision sei etwas Grossartiges für die Region erschaffen worden, sagte der Baselbieter Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektor. Er hielt auch fest, dass das Schlachten hier nicht ein industrieller Vorgang sei, sondern ein Handwerk. Es herrsche Transparenz und Ehrlichkeit: «Der Bauer bringt seine Tiere persönlich her, und wer hier einkauft, kennt die Herkunft des Fleischs.»
Am Freitag und am Samstag konnte der Betrieb besichtigt werden – von der Rampe, über welche die Tiere ins Schlachthaus gelangen, bis zum 365 Tage im Jahr geöffneten Shop mit Lebensmitteln von ausschliesslich regionalen Produzenten. Projektleiter Raffael Jenzer sagte auf der Führung unter anderem, dass der Bereich, in dem sich die Tiere von der Anlieferung bis zur Tötung aufhalten, in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Tierschutz und mit Veterinären geplant worden sei. Die Umsetzung ihrer Empfehlungen würden sich bewähren: In der bisherigen Praxis verhielten sich die Tiere sehr ruhig. An einem Schlachttag für Rinder wird im «Metzgerhuus» alle 10 bis 12 Minuten ein Tier getötet – gegenüber einem 30-Sekunden-Rhythmus in einer Grosschlachterei, führte Jenzer weiter aus.
Nach dem Betäuben, Ausbluten, dem weiteren Schlachtvorgang und der Fleischbeschau durch einen Veterinär gelangen die Tierhälften in einen Kühlraum. Rinder würden hier zur Aromaentwicklung des Fleischs eine bis zwei Wochen abgehangen, sagte Jenzer, in einem industriellen Schlachtbetrieb sei dafür gerade einmal ein Tag Zeit. In den drei Kühlräumen ist Platz für 40 Rinder oder 80 Schweine.
Bei den Kunden des «Metzgerhuus» mit seinen 18 Mitarbeitenden handelt es sich einerseits um die – noch wenigen – Metzgereien in der Region, und andererseits um Landwirte, die ihr Fleisch – ganz im Sinne des PRE – zum Teil selber vermarkten. Deren Anteil ist für Jenzer überraschend hoch: Vergangenen Mittwoch seien 24 Rinder geschlachtet worden, 8 davon würden zurück an die Bauern gehen, die sie aufgezogen haben.
Worauf Jenzer nicht explizit hingewiesen hat: Die meisten Rinder, die bisher in der Region aufgezogen wurden, mussten für die Schlachtung nach Oensingen zum nächstgelegenen grösseren Schlachtbetrieb für Rinder gefahren werden. Das «Metzgerhuus» sorgt damit für kürzere Transporte und weniger Stress für die Tiere. Auch das waren gewichtige Argumente, die dafür sprachen, das Projekt in Angriff zu nehmen.
Wie so viele Menschen an diesem Tag war auch Lukas Kilcher happy: weil die Region einen Schlachthof vorweisen kann, der über die Region hinaus strahlt, und weil er es kaum erwarten konnte, am Abend die beiden Riesenwürste auf den Grill zu werfen, die er im Regio-Laden erstanden hat.