Die Kosten gehen durchs Dach
17.06.2025 Bezirk Sissach, Bauprojekte, Finanzen, SissachKantonsgericht entscheidet über die Zukunft der «Tschudy-Villa»
Morgen Mittwoch wird die Schutzwürdigkeit der Sissacher «Tschudy-Villa» vor dem höchsten Gericht verhandelt. Dabei stellt sich auch die Frage, ob der Eigentümer Laurent de Coulon ...
Kantonsgericht entscheidet über die Zukunft der «Tschudy-Villa»
Morgen Mittwoch wird die Schutzwürdigkeit der Sissacher «Tschudy-Villa» vor dem höchsten Gericht verhandelt. Dabei stellt sich auch die Frage, ob der Eigentümer Laurent de Coulon das Gebäude wiederaufbauen muss. Es geht um viel Geld.
Janis Erne
Zuvor von einer breiten Öffentlichkeit eher wenig beachtet, erhält die «Tschudy-Villa» in Sissach seit ihrem Teilabbruch im Frühling 2022 viel Aufmerksamkeit. So auch morgen Mittwoch, wenn der Streit zwischen Eigentümer Laurent de Coulon und dem Kanton in die nächste Runde geht. Das höchste Baselbieter Gericht befasst sich mit den provisorischen Rettungs- und Schutzmassnahmen sowie der Aufnahme des Gebäudes in das Inventar der kantonal geschützten Kulturdenkmäler.
Laurent de Coulon (respektive seine Firma, die «Buess, Weinbau und Weinhandel AG») hat den Fall ans Kantonsgericht weitergezogen, nachdem er vor dem Regierungsrat und der Denkmal- und Heimatschutzkommission unterlegen war. Seit gestern sind die Entscheide der Vorinstanzen öffentlich einsehbar. Die Unterlagen rekapitulieren grossmehrheitlich das bisher Geschehene. Gleichwohl werden einige neue Aspekte bekannt und gewisse Vermutungen bestätigt.
So wird ersichtlich, wie teuer der Schutz der «Tschudy-Villa» ungefähr ist. Der Aufbau des Gerüstes und des Notdachs, die Überwachung durch einen Sicherheitsdienst bis zur Fertigstellung des Notdachs sowie die Rechtsvertretung der Denkmal- und Heimatschutzkommission kosteten laut einem Regierungsprotokoll gesamthaft 127 000 Franken. Die Miete für das Gerüst und das Notdach schätzte der Regierungsrat im April 2023 auf rund 60 000 Franken pro Jahr. Der Kanton finanziert die Kosten vor, bis geklärt ist, wie es mit der Villa weitergeht und wer für die Schäden haftbar ist.
Die finanziellen Dimensionen des Falls werden durch eine weitere Zahl verdeutlicht: In einer sehr groben Schätzung beziffert der Regierungsrat den Wiederaufbau des Hauses auf 240 000 Franken. Da den Behörden der Zugang zum Inneren der Villa verwehrt blieb, schätzte der Regierungsrat das Volumen, das wiederhergestellt werden muss, auf 400 Kubikmeter und die Kosten dafür auf 600 Franken pro Kubikmeter.
Interessant sind auch die Überlegungen der Regierung hinter ihrem Entscheid, die Villa unter Denkmalschutz zu stellen. Für sie stand die Einhaltung der geltenden Gesetze im Vordergrund. Darüber hinaus stufte sie das Reputationsrisiko für den Kanton als grösser ein, falls keine Schutzmassnahmen für das Haus ergriffen worden wären: Dann «würde akzeptiert, dass durch die Teilzerstörung ein schützenswertes Objekt ohne Weiteres abgebrochen werden kann».
Ergibt ein Wiederaufbau Sinn?
Finanzielle und politische Fragen werden morgen – wenn überhaupt – nur am Rande eine Rolle spielen. Vor dem Kantonsgericht geht es um rechtliche Aspekte: etwa darum, ob das Gebäude als schützenswert gilt und ob eine Unterschutzstellung ohne Einverständnis des Eigentümers erlaubt ist.
Was die Schutzwürdigkeit betrifft, haben Regierungsrat sowie Denkmal- und Heimatschutzkommission (DHK) eine klare Haltung: Das Gebäude gehört ins Inventar der kantonal geschützten Kulturdenkmäler. 1924 vom Basler Architekten Hermann Neukomm erbaut, sei die «Tschudy-Villa» architekturund wirtschaftsgeschichtlich von grosser Bedeutung. Sie sei ein Zeugnis der damaligen Reformarchitektur und der Geschichte des Weinhandels. De Coulon hingegen weist darauf hin, dass die Villa in verschiedenen Publikationen und Konzepten von Kanton und Gemeinde nicht als schützenswert aufgeführt sei.
Zudem beruft er sich auf das Denkmal- und Heimatschutzgesetz (DHG), dem zufolge eine Unterschutzstellung nur mit dem Einverständnis des Eigentümers erfolgen dürfe. Ein entsprechender Artikel gibt ihm recht – doch laut Regierungsrat widersprechen andere Gesetzesartikel dieser Auffassung. Das DHG enthalte einen Widerspruch, sei nicht eindeutig, so die Regierung. Sie verweist zudem auf einen Entscheid des Bundesgerichts, das gestützt auf ein internationales Abkommen festgehalten hatte, dass eine Unterschutzstellung auch ohne das Einverständnis des Eigentümers möglich ist, wenn es dem Schutz des betroffenen Gebäudes dient.
Bejaht das Kantonsgericht die Schutzwürdigkeit, müsste Laurent de Coulon für den Wiederaufbau der Villa aufkommen. Der Gang ans Bundesgericht wäre möglich. Die Denkmal- und Heimatschutzkommission schreibt, dass die beschädigte «Tschudy-Villa» wiederherstellbar sei: «Die Schäden mindern zwar den originalen Bestand, sind aber letztlich reparabel.» De Coulon, der auf dem Areal eine Überbauung mit rund 70 Wohnungen plant, sieht das anders. Kürzlich sagte er zur «Volksstimme»: «Aufgrund der erheblichen baulichen Herausforderungen und der notwendigen Einhaltung heutiger baurechtlicher Standards halten wir eine originalgetreue Wiederherstellung für nicht praktikabel.»