Der Wald wird aus der Luft erforscht
03.07.2025 Baselbiet, Region, Natur, BaselbietMit Drohnenflügen erfasst das Amt für Geoinformation derzeit den Baumzustand
In zehn Gemeinden fliegt das Amt für Geoinformation bis Ende August Waldflächen mit der Drohne ab. Das Resultat ist eine Karte, die zeigt, welche Bäume unter Hitzestress leiden. Die «Volksstimme» hat Geomatiker Philippe Grimm begleitet.
Peter Sennhauser
Es ist 8 Uhr morgens nach einer gewitterkühlen Nacht beim Hof Hinterer Dürstel in Langenbruck. Philippe Grimm vom Amt für Geoinformation des Kantons Baselland ist seit einer halben Stunde am Drohnenfliegen.
Grimm begrüsst mich und zeigt mir, wo die Drohne, rund einen halben Kilometer entfernt, über dem Wald schwebt. Die Fernsteuerung, die um seinen Hals hängt, braucht er nur für Start und Landung und den Eingriff im Notfall: Das grosse Fluggerät verrichtet seine Arbeit weitgehend autonom und fliegt in vorausberechneten Bahnen. Deshalb kann Grimm auch mit mir plaudern und gelegentlich einen Blick auf sein Computertablet werfen, das ihm Luftfahrzeuge in der Nähe anzeigt.
Der Geomatiker hat eine Sonderbewilligung des Bundesamts für Zivilluftfahrt (Bazl): Er darf seine grosse Drohne auch über den direkten Sichtkontakt hinaus fliegen lassen. Es handelt sich um eine «Matrice 300» des Herstellers DJI, ein grosses Profigerät mit knapp 9 Kilogramm Fluggewicht und einem Gesamtwert in der Nähe eines Kleinwagens der gehobenen Klasse. Weitere rund 15 000 Franken kostet die Multispektralkamera, mit der Grimm soeben das Gelände durchfotografieren lässt – mit einer Überlappung von rund 80 Prozent, damit der Computer eine lückenlose Karte berechnen kann.
Die Auflösung? «Aus der aktuellen Höhe von 120 Metern sind es einige Zentimeter», sagt Grimm. Anders gesagt: Ein Tennisball am Boden ist problemlos als solcher erkennbar. «Das ist eigentlich viel zu detailliert. Wir würden gerne höher fliegen und damit Strom, Zeit und Datenvolumen einsparen. Aber dann kämen wir in den Luftraum der bemannten Luftfahrt.» Auch dafür hätte Philippe Grimm vom Bazl eine Sondergenehmigung erhalten können, aber der Aufwand dafür sei schlicht nicht mehr gerechtfertigt. Er, der schon lange vor der Regulierung des Drohnenbetriebs beruflich mit den Geräten unterwegs war, habe so schon sehr viel Zeit aufgewendet, um alle Bestimmungen zu erfüllen.
Vorbereitet auf den Notfall
Aus der Fernsteuerung piepst es, und Grimm reagiert: «Der Akku ist bei 30 Prozent Leistung. Ich wechsle den Akku und dann geht es weiter.» Rund 40 Minuten Flugzeit verlangt das Gebiet, welches der Kanton hier bei Langenbruck fotografieren lässt. In der Ferne ist ein Surren zu hören, und dann wird die Drohne vor dem Himmel sichtbar. Die letzten 20 Höhenmeter sinkt sie punktgenau auf den Landeteppich hinter Grimms Dienst-Pickup.
Das Gerät ist eine Schuhschachtel voller Hightech: Video- und Infrarotsensoren auf allen sechs Gehäuseseiten (im Flug weicht die Drohne jeglichen Hindernissen selbstständig aus), eine Kamera für den Piloten (FPV) und darunter die Multispektral-Kamera am Gimbal.
Auf einem Rotor-Arm sitzt ein grosser Zylinder. «Das ist der Fallschirm, den wir nachrüsten mussten, um über besiedeltem Gebiet fliegen zu dürfen», erklärt Grimm. Im Notfall kann der Schirm per Knopfdruck auf Distanz geöffnet werden, aber er wird auch bei unkontrollierter Lageänderung des Geräts ausgeworfen. Kostenpunkt: 5000 Franken. Und 1 Kilogramm zusätzliches Gewicht an der Drohne, plus Stromverbrauch für die Funksteuerung.
Im Internet live verfolgbar
Philippe Grimm wechselt die beiden kiloschweren Akkus am Gerät und startet es für den nächsten Durchgang, diesmal mit der Vollformat-Farbkamera. Sie wird mit 1300 Fotos das Multispektral-Bild des Waldgebiets mit einer detaillierten Farbfotografie ergänzen.
Während sich die Drohne auf den Weg zu ihren Fluglinien in der Ferne aufmacht, erklärt mir Grimm, wie ich sie auf meinem Smartphone verfolgen kann: Die Website glidertracker.de zeigt einen Kartenausschnitt unseres Standpunkts – und schon erscheint die Drohne am Dürstelberg drüben, inklusive Flugrichtung. Sie ist mit dem Ortungssystem «Flarm» ausgerüstet, das in Echtzeit Position, Kurs und Höhe über Meer aussendet und gleichzeitig an einen Server im Internet übermittelt. Ursprünglich für Gleitschirmpiloten entwickelt, die damit als Streckenflieger in grosser Höhe für Sport-, Segel- und Passagierflugzeuge sichtbar werden, dient es auch Drohnenpiloten wie Philippe Grimm, um tieffliegende Flugverkehrsteilnehmer auf das 9 Kilogramm schwere Fluggerät aufmerksam zu machen.
Der Lärm eines Sportflugzeugs, das von Westen herannaht, lässt Grimm aufsehen: Er eilt zum grossen Tablet-Computer auf der Geräteschublade seines Pickuptrucks und findet auf der Karte sofort den «Flarm»-Vektor der Propellermaschine, die bereits über unseren Köpfen ist und vermeintlich direkt auf die Drohne zufliegt. «Der Flieger ist aber auf 500 Meter über dem Gelände, wir auf 120 Metern, das passt.»
Bemannte Luftfahrzeuge dürfen zwar nicht tiefer als 500 Fuss (150 Meter) über Grund fliegen. «Aber erstens gibt es auch im Baselbiet Start- und Landeplätze von Gleitschirmfliegern», sagt Grimm. Und zweitens kann immer einmal ein Rega-Helikopter im Notfalleinsatz tief über das Gelände fliegen. «Die Rega hat Flarm an Bord, die Piloten sehen uns.» Und wenn nicht, dann wäre es an Grimm, die elektronische Reissleine zu ziehen und die Drohne am Fallschirm notlanden zu lassen.
Der war tatsächlich bereits in Aktion: Bei einem Flug zur Reh-Ortung geriet die Drohne beim Landeanflug ins Trudeln und der Fallschirm löste aus – leider in geringer Höhe, so dass bei der unsanften Notlandung ein Schaden entstand. Deswegen konnten die Waldflüge im vergangenen Jahr nicht stattfinden.
«Der eher langweilige Teil»
Inzwischen ist das Fluggerät am südlichen Ende des zu fotografierenden Geländes angekommen und wendet. Den Flugpfad muss Grimm nicht selber planen: Er gibt bei der Planung des Flugs lediglich die Grenzen des abzufliegenden Gebiets und die Überlappung der Fotografien ein, den Rest erledigt die Software. Viermal muss Grimm das Gerät mit noch rund einem Viertel Akkuladung zurückholen zum Hof Dürstel, die Akkus wechseln und die Drohne dann wieder losschicken. Dann hat er eine gewaltige Datenmenge, die er in den folgenden Wochen an den Rechnern im Büro auswerten und zu einer grossen Karte zusammensetzen wird. «Manche denken, das sei ein Traumjob, hier draussen mit der Drohne rumzufliegen. Tatsächlich ist das der eher langweilige Teil meines Berufs. Spannender finde ich die Auswertung des Bildmaterials», gesteht Grimm.
Trotzdem hat die Fliegerei auch ihre angenehmen Seiten: «Ich bin draussen und erlebe mehr als den Büroalltag.» Und das doch an einigen Tagen während des Sommers. Die Drohne ist dann relativ viel in Betrieb – im Auftrag für andere Abteilungen des Kantons wie das Amt für Wald, die landwirtschaftliche Flächenvermessung oder auch die Kantonsarchäologie. Auch wenn die Ausrüstung nicht gerade einen Pappenstiel gekostet hat: Was früher nur mit extrem teuren Helikopterflügen zu bewerkstelligen war, dazu kann Philippe Grimm heute den Pickup mit der Drohne anbieten.