Der Schleppschlauch ist nun Pflicht
11.04.2024 Bezirk Sissach, Landwirtschaft, Bezirk Sissach, Sissach, Baselbiet9000 Hektaren unterliegen in beiden Basel dem Obligatorium
Seit Anfang Jahr muss Gülle auf festgelegten Flächen zwingend mit emissionsmindernden Verfahren – beispielsweise mit der Schleppschlauch-Technik – ausgebracht werden. Das Ebenrain-Zentrum spricht von einem ...
9000 Hektaren unterliegen in beiden Basel dem Obligatorium
Seit Anfang Jahr muss Gülle auf festgelegten Flächen zwingend mit emissionsmindernden Verfahren – beispielsweise mit der Schleppschlauch-Technik – ausgebracht werden. Das Ebenrain-Zentrum spricht von einem erfolgreichen Start der neuen Regelung.
Elmar Gächter
Eigentlich wollte der Bundesrat ab 2022 mit dem Inkrafttreten der revidierten Luftreinhalteverordnung ein Schleppschlauch-Obligatorium für das Ausbringen von Gülle einführen. Es soll vor allem den schädlichen Austritt von Ammoniak in die Luft stark einschränken, da ein bedeutender Anteil der Ammoniakemissionen aus der Gülle stammt. Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen gefährdet die gasförmige Verbindung des Stickstoffs bei Freisetzung in die Luft die menschliche Gesundheit und schädigt Pflanzen und Ökosysteme.
Aufgrund von Lieferschwierigkeiten für emissionsmindernde Ausbringgeräte, so die hauptsächlichste Begründung, verschob der Bundesrat die Pflicht auf Anfang dieses Jahres. Für die Landwirte in beiden Basel bedeutet das Obligatorium, dass sie die Hofgülle auf rund 9000 Hektaren oder knapp der Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche nur noch mit Verfahren wie Schleppschlauch- oder Schleppschuhverteiler ausbringen dürfen. Laut den Fachleuten des Ebenrain-Zentrums, das für den Vollzug der Verordnung in beiden Basel zuständig ist, konnte mit dem Grossteil der betroffenen Landwirte eine einvernehmliche Regelung über die praktische Umsetzung der Massnahme gefunden werden.
Grundsätzlich gilt die neue Pflicht nur für Betriebe mit einer güllbaren Fläche von mindestens 3 Hektaren. Entscheidendes Kriterium bildet dabei die Hangneigung des Areals. Neigungen von mehr als 18 Prozent fallen aus technischen Gründen weg, ebenso Kulturen wie beispielsweise Reben oder Obstanlagen. Für rund 100 der insgesamt rund 750 direktzahlungsberechtigten Betriebe in beiden Basel entfällt die Pflicht.
«Da wir ja schon 2021 wussten, dass das Obligatorium kommt, haben wir die Flächen frühzeitig ermittelt, sodass unsere Landwirte bereits Anfang Januar 2024 konkret wussten, was auf sie zukommt», hält Pascal Simon fest, der beim Ebenrain den Bereich Produktion, Markt und Direktzahlungen leitet. Seinem Mitarbeiter Sven Gysin oblag es, das Datenmaterial aufgrund von Luftbildaufnahmen des Bundesamts für Landwirtschaft sowie aufgrund von Erhebungen vor Ort zusammenzutragen.
Teure Anschaffungen
Laut Fachleuten kann ein Schleppschlauch den Ammoniakaustritt gegenüber einem herkömmlichen Breitverteiler bis zu 35 Prozent mindern. Dies hat allerdings seinen Preis. Sven Gysin spricht von Kosten von 70 000 bis 100 000 Franken, die für die Ausbringtechnik mit Schleppschlauch und neuem Güllenfass zu Buche schlagen können. Im Gegensatz zum Ammoniakprojekt des Ebenrains vor rund zehn Jahren, als Bund und Kanton den Ankauf von insgesamt 32 Geräten mit der Pflicht auf überbetriebliche Nutzung mitfinanziert haben, gibt es beim Obligatorium keine finanzielle Unterstützung. «Dass der Landwirt von diesem Investitionszwang nicht begeistert ist, leuchtet ein. Er bringt ihm keinen Rappen mehr für sein Fleisch oder seine Milch», hält Pascal Simon fest. Wie viele Schleppschläuche bis heute in beiden Basel angeschafft und in Betrieb genommen worden sind, ist nicht bekannt. Simon schätzt die Anzahl auf rund 100 Geräte.
Die beiden Mitarbeiter des Ebenrains sprechen den Landwirten insgesamt ein grosses Lob aus. Sie hätten mit ihren frühzeitigen Gesuchen um Reduktion von pflichtigen Flächen dazu beigetragen, dass das Obligatorium sowohl administrativ als auch organisatorisch termingerecht habe umgesetzt werden können. Es sind gegen 1100 Gesuche eingegangen, von denen der Ebenrain den grössten Teil bewilligt hat. «Unser Ziel war es von Anfang an, einen Ermessensspielraum zu gewähren und praktikable Lösungen zu finden. Speziell wichtig war es für uns, die Sicherheit beim Einsatz der Schleppschlauchtechnik zu berücksichtigen», so Pascal Simon.
110 Gesuche mussten abgelehnt werden, wobei nur ganz wenige Rekurse zu verzeichnen waren. Jede Landwirtin und jeder Landwirt kann auf das landwirtschaftliche Informationssystem zugreifen, das ihm konkret anzeigt, wo beim Austrag von Gülle zwingend der Schleppschlauch eingesetzt werden muss.
Wie weit der Vorschrift gemäss Luftreinhalteverordnung in der Praxis nachgelebt wird, muss sich weisen. Dem Ebenrain sind bereits Fälle bekannt, wo die Schleppschlauchpflicht offensichtlich nicht eingehalten wurde. Den entsprechenden «Sündern» droht eine Kürzung der Direktzahlungen von 300 Franken pro Hektare. «Wir rücken nicht aus, um unsere Landwirte zu kontrollieren und wollen im Gegensatz zu anderen Kantonen nicht Polizist spielen. Ich denke, dass bei uns die soziale Kontrolle gut spielt. Der grösste Teil der landwirtschaftlichen Betriebe wird sich an die Vorgaben halten», zeigt sich Pascal Simon überzeugt.
Im Übrigen wird sich das Bundesparlament nochmals mit dem Thema befassen müssen. Der Freiburger Bauernsohn und Rechtsanwalt Nicolas Kolly (SVP) will das Obligatorium mit gleich zwei Motionen wieder über Bord werfen. Mit der einen will er die Pflicht für den Einsatz von Schleppschlauchsystemen zur Ausbringung der Gülle allgemein aufheben, mit der zweiten nur im Hügel- und Berggebiet, wo die Abgrenzung zwischen den Flächen mit mehr oder weniger Neigung von 18 Prozent sehr kompliziert sei.