Das Kreuz-Rätsel
27.05.2025 Baselbiet, Gelterkinden, NaturAndres Klein
Eine kleine unscheinbare Pflanze ist heute nur noch an zwei Fundorten im Kanton Baselland zu finden. Ihr Name lautet Buchsblättrige Kreuzblume. Der erste Fundort liegt an einem Felsgrat in Oberdorf. Dort gibt es Hunderte von Exemplaren, die grosse ...
Andres Klein
Eine kleine unscheinbare Pflanze ist heute nur noch an zwei Fundorten im Kanton Baselland zu finden. Ihr Name lautet Buchsblättrige Kreuzblume. Der erste Fundort liegt an einem Felsgrat in Oberdorf. Dort gibt es Hunderte von Exemplaren, die grosse zusammenhängende Teppiche bilden. An einem zweiten Ort im Kanton wachsen nur gerade gegen 10 Exemplare. Eine weitere grosse Population existiert zwischen dem Scheltenpass und dem Unteren Hauenstein im Kanton Solothurn. Vermutlich sind unsere beiden Vorkommen nördliche Relikte von diesem Standort. Die grösste Verbreitung dieser Art findet sich in den Alpen.
Diese Pflanze ist ein Halbstrauch, wird höchstens 25 Zentimeter hoch und ist im unteren Teil verholzt. Die Blätter sind elliptisch, immergrün und ledrig. Sie werden 1,0 bis 1,5 Zentimeter lang und sind somit etwas grösser als die des Buchses und länglicher. Auffallend sind die Blüten, die zweioder dreifarbig sind. Diese zwei- bis dreifarbigen Blüten sitzen zu mehreren in den Blattwinkeln. Ihre Blüte kann gelb, weiss, rosa oder braun sein. Meistens sind zwei bis drei Farben kombiniert.
Die fünf Kelchblätter sind sehr ungleich gestaltet. Das oberste und grösste Blatt ist gespornt, die beiden unteren sind kleiner. Die beiden seitlichen sind grösser und blütenblattartig, gewöhnlich aufwärtsgerichtet oder etwas zurückgeschlagen. Die Pflanze besitzt drei Kronblätter, wobei das untere schiffchenartig und mit fransigem Anhängsel versehen ist. Die acht Staubblätter sind zu einer offenen Röhre verwachsen. Die fleischigen, rundlich-herzförmigen, abgeflachten Kapselfrüchte enthalten dunkelbraune Samen.
Vor allem wegen des schiffchenförmigen Kronblattes wurden Kreuzblumen lange für Schmetterlingsblütler gehalten. Dank der Genomanalysen gehören sie heute zusammen mit anderen Gattungen in eine eigene Familie, den Kreuzblütlern. Heute unterscheidet man weltweit 25 Gattungen mit über 900 Arten. Sie kommen ausser in den grossen Wüsten und den nördlichsten Gegenden der Welt in allen Klimazonen vor. Die nahe Verwandtschaft zwischen Kreuzund Schmetterlingsblütlern ist aber genetisch und von der Evolution her gegeben.
Der deutsche Name Kreuzblütler gibt einige Rätsel auf, denn weder die Blüten noch die Blattstellung hat irgendeine Ähnlichkeit mit Kreuzen. Eine deutsche Quelle meint, dass der Name vom Blühzeitpunkt herkomme. Die Wiesen-Kreuzblume blüht häufig in der zweiten Woche vor Pfingsten, die in Deutschland Kreuzwoche genannt wird. Sie wurde für Bittgänge für die neuen Saaten verwendet. Die Buchsblättrige Kreuzblume hingegen blüht von März bis Juni, manchmal aber auch bereits im Januar.
Der wissenschaftliche Name Polygala bedeutet übersetzt «viel Milch». In der Landwirtschaft glaubte man lange, dass die Kühe mehr Milch gäben, wenn sie diese Pflanzen fressen. Lange wurde auch Tee aus der Buchsblättrigen oder der Bitteren Kreuzblume den stillenden Müttern zur Verbesserung der Milchproduktion empfohlen. Bitter war der Tee auf jeden Fall!
Heute existieren viele Züchtungen der Buchsblättrigen Kreuzblume, die mit ihren bunten Farben den Blumengarten bereichern können.
Andres Klein ist Botaniker. Er lebt in Gelterkinden.