«Das ist absolut respektlos»
18.07.2025 Bezirk Sissach, Polizei, Baselbiet, SissachNiklaus Wüthrich (47) verfolgt Velodieb und sorgt für Festnahme
In Sissach häufen sich Einbrüche und Diebstähle – besonders Velos sind zurzeit eine beliebte Beute. Niklaus Wüthrich ist einer von vielen Sissachern, die sich gegen die Täter wehren ...
Niklaus Wüthrich (47) verfolgt Velodieb und sorgt für Festnahme
In Sissach häufen sich Einbrüche und Diebstähle – besonders Velos sind zurzeit eine beliebte Beute. Niklaus Wüthrich ist einer von vielen Sissachern, die sich gegen die Täter wehren wollen. Er hat selbst einen Raub miterlebt.
Tobia Benaglio
Es ist Dienstagmorgen, 10 Uhr. Niklaus Wüthrich hilft einem Kollegen an der Schulstrasse in Sissach bei Arbeiten ums Haus, als er Augenzeuge eines Diebstahls wird: Zwei Männer knacken beim Blumenladen «Pasadena» das Schloss eines hochwertigen E-Bikes und machen sich seelenruhig davon. «Das Velo wurde von einer Mitarbeiterin vor dem Laden parkiert und abgeschlossen», sagt der 47-Jährige, «und dann kommen die, brechen es auf und nehmen es mit – am helllichten Tag, wenn rundherum Leute unterwegs sind.» Für den Sissacher ist klar: «Solche Typen haben null Respekt – weder vor dem Gesetz noch vor den Menschen. Und es zeigt auch, dass sie wohl kaum mit Konsequenzen rechnen.» Das E-Bike soll rund 6000 Franken wert sein. Mehrere Leute haben die beiden Täter beobachtet und die Polizei wurde sofort informiert. Doch wie Wüthrich mutmasst, sei diese «überlastet» – für einen einzelnen Velodiebstahl rücken die Polizisten wohl nicht jedes Mal aus.
Ein älteres Ehepaar hat die Täter fotografiert und einen von ihnen kurze Zeit später beim Bahnhof wiedererkannt. Sie informieren Wüthrich – der zögert nicht, macht sich mit der Mitarbeiterin vom Blumenladen auf den Weg und stellt den mutmasslichen Täter zur Rede. «Ich sagte ihm, er solle hierbleiben, bis die Polizei eintrifft, die wir bereits benachrichtigt haben», schildert Wüthrich. Festhalten will er den Mann jedoch nicht: «Ich wollte nichts falsch machen und war mir auch nicht zu 100 Prozent sicher, ob es wirklich der Richtige ist.»
Der Mann – gemäss Tatbestandsaufnahme der Polizei ein nordafrikanischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Frankreich – steigt schliesslich in den Zug. Wüthrich informiert den Lokführer, dieser hält den Zug an, bis die Polizei vor Ort ist. Doch bevor die Beamten den mutmasslichen Dieb greifen können, flieht dieser zu Fuss, springt beim Kino über einen Zaun – und wird dort von der Polizei geschnappt. Der zweite Täter und das gestohlene E-Bike bleiben vorerst verschwunden.
Unruhe im Dorf
Bei diesem Diebstahl handelt es sich um keinen Einzelfall. In der Facebook-Gruppe «Sissach informiert» berichten Gruppenmitglieder immer wieder von ähnlichen Fällen. Erst kürzlich wurde das Video eines Velodiebstahls gepostet: In der Nacht auf Mittwoch entwenden zwei vermummte Männer ein Velo aus einem privaten Unterstand am Stebligerweg – vor laufender Überwachungskamera.Auch bei Geschäften und Restaurants kam es im vergangenen Monat vermehrt zu Einbrüchen (die «Volksstimme» berichtete). Die Sorge in der Bevölkerung wächst – und der Unmut.
In der Facebook-Gruppe ruft eine Einwohnerin dazu auf, sich zu organisieren. Ihr Vorschlag: gemeinsam in der Nacht durch Quartiere patrouillieren, um potenzielle Straftäter abzuschrecken. Auch Niklaus Wüthrich möchte in einer solchen Gruppe mitwirken: «Eine gute Idee – aber nur in Absprache mit Gemeinde und Polizei», sagt er.
Polizei rät zur Zurückhaltung
tob. Als Reaktion auf die Häufung von Einbrüchen und Diebstählen in Sissach ruft die Sissacherin Mélanie Gindroz in der Facebook-Gruppe «Sissach informiert» auf, eine Gruppe zu bilden, die «nachts durch die Quartiere streift, um es Tätern zu erschweren eine Straftat zu begehen». Wie steht die Polizei dazu? «Wir sind grundsätzlich immer dankbar über Hinweise aus der Bevölkerung, was Diebstähle oder Einbrüche angeht», sagt Polizeisprecher Marcel Wyss auf Anfrage. Er macht aber auch auf die «Spielregeln» aufmerksam: Solange Zivilisten nur beobachten und Verdächtiges melden, sei dies kein Problem. Wenn Privatpersonen aber eingriffen, gerieten sie sehr schnell selbst «in Konflikt mit dem Gesetz». Deshalb rät er von einer Bürger-Patrouille grundsätzlich ab und empfiehlt stattdessen Folgendes:
• alle Türen, auch bei kurzer Abwesenheit, immer abschliessen
• Anwesenheit vortäuschen, beispielsweise durch Licht
• Leitern und Werkzeug unzugänglich aufbewahren
• Wertsachen in Zahlencode-Tresoren aufbewahren
• Verdächtiges sofort an 112/117 melden
• Alarmanlagen und Überwachungskameras installieren
• Velos, E-Bikes usw. sicher versorgen – nicht draussen stehen lassen