Bucher landet vor Eigenmann – Mall ist raus
28.10.2025 Baselbiet, Politik, Baselbiet, AbstimmungenDie Regierungsratswahl geht in die nächste Runde und das Duell heisst links gegen rechts
Nach dem ersten Wahlgang steht fest: Am 30. November kommt es zum Duell zwischen Sabine Bucher (GLP) und Markus Eigenmann (FDP). SVP-Kandidatin Caroline Mall zieht sich zurück. Die ...
Die Regierungsratswahl geht in die nächste Runde und das Duell heisst links gegen rechts
Nach dem ersten Wahlgang steht fest: Am 30. November kommt es zum Duell zwischen Sabine Bucher (GLP) und Markus Eigenmann (FDP). SVP-Kandidatin Caroline Mall zieht sich zurück. Die Überraschung blieb vorgestern Sonntag aus.
Nikolaos Schär
Um 12.45 Uhr war der Fall klar: Bei der Ersatzwahl für die abtretende Regierungsrätin und Bildungsdirektorin Monica Gschwind (FDP, Hölstein) wird es am 30. November zu einem zweiten Wahlgang kommen. Vorgestern Sonntag schaffte keiner der Kandidierenden das absolute Mehr – was zu erwarten war. Denn mit Sabine Bucher (GLP, Sissach), Markus Eigenmann (FDP, Arlesheim) und Caroline Mall (SVP, Reinach) bewarben sich gleich drei Kandidierende für den Sitz von Gschwind.
Das beste Resultat erzielte Sabine Bucher mit 20 133 Stimmen. Nur etwa 1500 Stimmen hinter ihr landete Markus Eigenmann mit 18 341 Stimmen. Caroline Mall brachte es auf 13 297 Stimmen und holte somit rund 5000 Stimmen weniger als ihr bürgerlicher FDP-Kontrahent. Dieser grosse Vorsprung von Eigenmann auf Mall veranlasste den SVP-Parteipräsidenten Peter Riebli kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse dazu, die Kandidatur von Mall zurückzuziehen. Es kommt am 30. November somit zum Duell Bucher gegen Eigenmann.
«Ich habe immer klar kommuniziert, dass wir bei einem deutlichen Rückstand unsere Kandidatur zurückziehen werden», sagte Riebli am Sonntag. Der deutliche Vorsprung von Eigenmann auf seine bürgerliche Kontrahentin beendete denn auch die spekulativen Szenarien, die im Vorfeld der Wahl angestellt wurden: So spielte Riebli mit dem Gedanken, an der Kandidatur Mall festzuhalten, oder sogar mit der Idee einer «neuen», dritten Kandidatur der bürgerlichen Parteien, wenn Mall mehr oder fast gleich viele Stimmen geholt hätte wie Eigenmann. Diese Planspiele sind mit dem deutlichen Resultat jedoch Makulatur.
Riebli bescheinigte Caroline Mall einen guten Wahlkampf. Sie konnte mit einem Stimmenanteil von rund 25,5 Prozent das Wählerpotenzial der SVP von 23 Prozent voll ausschöpfen, aber wenige Wähler über die Parteigrenze hinaus mobilisieren. Die SVP blieb im Rahmen ihrer Möglichkeiten – trotzdem war Riebli ob dem Ergebnis ein wenig enttäuscht, der Angriff auf den «FDP-Sitz» stellte sich bloss als Kick ans Schienbein der Freisinnigen heraus. Die SVP habe mit ihrer Kandidatur verhindert, dass Bucher den Sieg im ersten Wahlgang geschafft hat, sagte Riebli. Blickt man auf das Wahlresultat, muss jedoch festgehalten werden, dass Eigenmann ohne die Kandidatur Mall mit ziemlicher Sicherheit schon am Sonntag den Sprung in die Regierung geschafft hätte.
Bucher räumt im Bezirk Sissach ab
Bucher gilt als Siegerin des ersten Wahlgangs – sie holte am meisten Stimmen. GLP-Parteipräsident Thomas Tribelhorn zeigte sich sichtlich gut gelaunt: «Das Wahlbündnis mit der SP und den Grünen hat funktioniert.» Bucher holte rund 39 Prozent der Stimmen. Ihr Wählerpotenzial aus Grünen, SP, GLP und EVP liegt jedoch bei rund 47 Prozent. Das heisst, Sabine Bucher konnte mit ihrem bürgerlichen Profil – wie erwartet – nicht alle linken Wählerinnen und Wähler abholen.
Zwar führten Tribelhorn und SP-Parteipräsident Nils Jocher das gute Abschneiden von Bucher in den Unterbaselbieter Gemeinden Allschwil, Birsfelden und Münchenstein, die Bucher gewann, auf die Mobilisierungskraft des Wahlbündnisses zurück. Doch die deutliche linke Mehrheit in jenen Gemeinden bei den Gesamterneuerungswahlen 2023 – Bucher machte durchschnittlich 10 Prozentpunkte weniger im Unterbaselbiet – relativiert dieses Bild. Trotzdem ist Tribelhorn mit dem Abschneiden von Bucher zufrieden und sieht die Chance, dass sie am 30. November gewählt wird, als intakt an. Einzig im Bezirk Sissach, wo Bucher wohnt, schöpfte sie ihr komplettes Potenzial aus und räumte ab (siehe Seite 4).
Die Kritik von bürgerlicher Seite, dass bei einer Wahl von Bucher die FDP und SVP mit einem Wähleranteil von rund 40 Prozent nicht mehr in der Regierung vertreten wären und eine Blockadepolitik drohen würde, entkräftete Tribelhorn mit dem bürgerlichen Profil seiner Kandidatin und richtete den Fokus sogleich auf andere Repräsentationen: «Bei einem allfälligen Rücktritt von Isaac Reber wäre bei der Wahl Eigenmanns die Regierung ohne Oberbaselbieter Vertretung. Des Weiteren würde bei der Nichtwahl von Bucher und dem Rücktritt von Gschwind mit Kathrin Schweizer nur noch eine Frau im Regierungsrat sitzen», so Tribelhorn.
GLP übt sich im Spagat
Das Kalkül der GLP: Mit dem Frauen-Argument sollen im Unterbaselbiet wie auch im Oberbaselbiet zusätzliche linke und gesellschaftsliberale Wählerinnen und Wähler mobilisiert werden. Mit dem Fokus auf Buchers Verankerung im Oberbaselbiet soll die starke ländliche Wählerbasis der SVP davon überzeugt werden, für Bucher und nicht für Eigenmann zu stimmen. Die Reform des Finanzausgleichs, die Eigenmann mittels Initiative erreichen will, könnte bei einigen SVP-Wählenden im Oberbaselbiet nicht goutiert werden.
Eigenmann, der mit 35,5 Prozent über sein aus FDP und «Mitte» bestehendes Wählerpotenzial von 29 Prozent hinaus mobilisiert hat, jedoch in vielen ländlichen Gemeinden den letzten Platz belegte, betonte denn auch, dass er nun auf die SVP-Wählerschaft zugehen wolle und die verbleibenden fünf Wochen dazu nutzen werde, um im ländlichen Raum noch bekannter zu werden. Am gestrigen Abend hatte er auf Einladung von SVP-Präsident Riebli die Gelegenheit, sich am Parteitag der SVP in Diegten vorzustellen.
Trotz des Streits der Parteileitungen von SVP und FDP, die sich im Vorfeld der Wahl nicht auf einen Kandidaten einigen konnten, sagte neben Riebli auch FDP-Präsident Melchior Buchs, dass die Verteidigung des bürgerlichen Sitzes nun oberste Priorität haben müsse. Riebli meinte, dass dafür eine volle Mobilisierung nötig sei; die SVP jedoch keine finanziellen Mittel mehr beisteuern werde. Auf die Frage, ob alle SVP-Wählenden für Eigenmann stimmen werden, reagierte Riebli zurückhaltend: «Am Schluss müssen die Wähler den Wahlzettel auch mit an die Urne nehmen.»
Gegen Eigenmann spricht, dass er die neuen bilateralen Verträge mit der EU unterstützt. Zudem hat sich die SVP – seit dem Ja zu den «Bilateralen III» ohne Ständemehr der FDP Schweiz – zum Ziel gesetzt, vom Entscheid frustrierte Mitglieder der FDP aktiv abzuwerben.
Die zeitgleich mit dem zweiten Wahlgang am 30. November stattfindenden kantonalen und eidgenössischen Abstimmungen sind ein weiterer Faktor, der die Mobilisierung der Wählerschaft beeinflussen wird. Mit der Juso-Initiative, die Erbschaften ab 50 Millionen Franken mit 50 Prozent besteuern will, kommt eine Vorlage vors Volk, welche die Gemüter erhitzen und die Stimmenden an die Urne treiben könnte. Buchs und Riebli tendieren dazu, dass die Juso-Initiative eher den bürgerlichen Kräften helfen werde. Eigenmann gab sich vorsichtiger: «Es ist schwierig zu sagen, wem die Initiative mehr helfen wird.»
Auch einigen gemässigten linken Wählerinnen und Wählern dürfte die Juso-Initiative zu extrem sein, und auch Bucher äusserte sich ablehnend zur hohen Erbschaftsteuer, betont jedoch, dass sie Sympathien für die Verwendung der Gelder habe: Diese sollen nämlich in den Klimaschutz gesteckt werden. Um linke Wählerinnen und Wähler, die Ja zur Juso-Initiative stimmen werden, zu überzeugen, auch gleich noch sie zu wählen, will Bucher versuchen, das Nachhaltigkeitsthema stärker in den Fokus zu rücken. Bis anhin seien Themen wie die Förderung der erneuerbaren Energien oder die Aufweichung des Neubauverbots von Atomkraftwerken zu wenig im Fokus gewesen, so Tribelhorn. Mit Fokus auf den Klimaschutz könnte Bucher sich klar vom FDP-Kandidaten Eigenmann absetzen und einige liberale Wählerinnen und Wähler abholen.
Grosse Gruppe der Nichtwählenden
Die am Sonntag ausgeschiedene Caroline Mall wertete die tiefe Wahlbeteiligung von 28 Prozent als «ganz schwach». Bei kantonalen Wahlen liegt diese in der Regel bei rund einem Drittel. Erstaunlich daran sind die hohen Unterschiede in den Bezirken: Während das Unterbaselbiet mit 29 Prozent nahe an den üblichen 32 Prozent liegt, war die Mobilisierung in den anderen Bezirken unterdurchschnittlich (siehe Seite 4). Im Vergleich zum Jahr 2023 schlummert noch ein Wählerpotenzial von fast 10 000 Stimmen.
Rein rechnerisch ist Eigenmann mit den zusätzlich zu erwartenden Stimmen von Mall klar im Vorteil. Doch die Europa-Frage, die Juso-Initiative und das hohe Restpotenzial könnten den Vorsprung von Eigenmann nochmals beträchtlich schmelzen lassen. Denn Eigenmann und Mall konnten ihr Wählerpotenzial voll ausschöpfen, während Bucher sowohl im Unterbaselbiet wie auch im Oberbaselbiet aufgrund der tiefen Wahlbeteiligung noch Luft nach oben hat. Die Sensation eines Wahlsiegs von Sabine Bucher am 30. November ist zwar eher unrealistisch, aber weiterhin möglich.


