Begegnungen mit Luchs und Gämse – faszinierende Wildtierfotografie
13.06.2024 Region, Natur, BaselbietBruno Schaub streift seit vielen Jahren mit seiner Kamera durch den Jura und verfügt mittlerweile über eine riesige Bildersammlung
Die Tierfotografie ist die Leidenschaft von Bruno Schaub aus Courroux (JU). Die Erlebnisse des im Oberbaselbiet aufgewachsenen Chemikers reichen ...
Bruno Schaub streift seit vielen Jahren mit seiner Kamera durch den Jura und verfügt mittlerweile über eine riesige Bildersammlung
Die Tierfotografie ist die Leidenschaft von Bruno Schaub aus Courroux (JU). Die Erlebnisse des im Oberbaselbiet aufgewachsenen Chemikers reichen von der Beobachtung junger Gämsen bis zu epischen Begegnungen mit dem gar nicht so scheuen Luchs – und gemeinen Wilderern.
David Thommen
Schon als Jugendlicher habe er eine Leidenschaft für die Wildtierfotografie entwickelt, sagt der bald 75-jährige Bruno Schaub. In Läufelfingen, wo er aufwuchs, hatte er vor allem Rehe und Füchse vor der Linse. Fotografiert hat er damals «mit einer fürchterlich alten Kamera», wie er bei unserem Besuch in seiner heutigen Heimat Courroux bei Delémont im Kanton Jura lachend erzählt. Auf den Bildern war meist kaum etwas zu erkennen …
Es waren vor allem die 1959 im Gebiet Waldweide und Rehhag ausgesetzten Gämsen, die Schaubs Aufmerksamkeit erregten und seine Faszination weckten: «Als Jugendlicher bin ich häufig mit dem Velo auf den Chilchzimmersattel beim Bölchen gefahren, um die Gämsen zu beobachten.»
Während seiner Studien- und Arbeitsjahre in Lausanne, Basel und England musste er die Fotografie vorübergehend weitgehend ruhen lassen. Nach mehreren Wohnorten im Kanton Jura liess er sich 1986 mit seiner Frau Micheline in Courroux im Kanton Jura nieder und entdeckte bald darauf seine Leidenschaft aufs Neue. Der nahegelegene Mont Raimeux, der Hausberg von Delémont, und der Chasseral, mit 1606 Metern der höchste Berg im Berner Jura, wurden zu seinen bevorzugten Revieren, um Gämsen und andere Tiere zu beobachten und zu fotografieren, vor allem im Mai, wenn die Gämsen ihre Jungen zur Welt bringen. Dann herrscht dort die pure Lebensfreude, wie Schaubs Bilder zeigen.
Gämsen, Luchse, Adler …
Neben den Gämsen fasziniert ihn vor allem der Luchs. 1995 gelang es Schaub erstmals, eine der zuvor ausgewilderten Grosskatzen zu fotografieren, und seit 2005 begegne er diesen Raubtieren regelmässig, sagt er. Als besonders beeindruckend beschreibt er Situationen, in denen Luchse ihn in ihrer Nähe duldeten – manchmal deutlich länger als eine Stunde, wie Schaub sagt. Solche Begegnungen, bei denen sich die eigentlich scheuen Tiere von Schaubs Anwesenheit nicht beeindrucken liessen, seien wertvoll. Auch Angriffe von Luchsen auf junge Gämsen konnte er aus nächster Nähe beobachten, ebenso wie Attacken von Steinadlern auf Gamskitze. So faszinierend die Raubtiere auch sind – Schaubs Herz schlägt für die Gämsen, sagt er: «Ich wünsche ihnen immer, dass sie entkommen …» Oder dass die Gämsmütter mutig und stark genug sind, ihren Nachwuchs zu verteidigen. Kürzlich konnte er eine Gämse eine Stunde lang beobachten, wie sie die Angriffe zweier Adler mit ihren Hörnern abwehrte. Die stolzen Raubvögel – ein Paar ist seit einem Dutzend Jahren wieder auf dem Chasseral heimisch – hätten daraufhin aufgegeben.
Doch Schaub interessiert sich für die gesamte Jura-Fauna. Vögel wie Kolkraben, Milane, Bussarde und Falken, die ganze Palette der Singvögel, aber auch Kleinsäuger wie Eichhörnchen, Hermeline oder die Mitte der 1970er-Jahre angesiedelten Murmeltiere finden sich in seiner umfangreichen Fotosammlung – ebenso wie die Steinböcke, die am Creux du Van anzutreffen sind. Bevor Schaub 2006 auf die Digitalfotografie umstieg, füllte er unzählige Alben mit seinen Papierbildern. Heute beanspruchen diese Fotos ein ganzes Zimmer in seinem Einfamilienhaus. «Wie viele Alben sind das ungefähr?», fragt er seine Frau Micheline. «Peut-être deux cent cinquante? On ne peut même plus les compter ...», antwortet sie. Also vielleicht 250. So viele jedenfalls, dass man sie gar nicht mehr zählen könne. Und auf seinem Laptop haben sich inzwischen vielleicht 20 000 Digitalfotos angesammelt. Langsam werde der Speicherplatz knapp.
Ohne Tarnung
Oft pflegt er den Austausch mit Gleichgesinnten, die sich am Chasseral oder auch am Creux du Van mit der Kamera auf die Lauer legen; insbesondere auch mit dem Tierfotografen und -filmer Laurent Geslin, der 2021 den starken Film «Luchs» in die Kinos gebracht hat. Die Aufnahmen entstanden vorwiegend am Chasseral und am Creux du Van. Die meisten anderen Fotografen, die er dort regelmässig treffe, hätten jedoch trotz aller Geduld noch nie eine der grossen Katzen zu Gesicht bekommen. Er selbst scheine mit seinen zahlreichen und auch längeren Begegnungen in dieser Hinsicht besonders viel Glück zu haben. Und das, obwohl er sich im Gegensatz zu anderen Fotografen nie tarne: «Im Gegenteil, ich trage immer eine fast fluoreszierende Jacke.» Die Tiere seien offenbar der Meinung, wer so auffällig sei, könne nichts Böses im Schilde führen … Ausserdem spreche er immer mit den Tieren – und gebe ihnen sogar Namen. Die Gämse Susi, die kürzlich ein Junges zur Welt gebracht hat, sei besonders zutraulich und suche sofort seine Nähe, wenn er auftauche und ein Luchs in der Nähe ist. Eine andere Gämse erhielt den Namen Krokus, weil sie gerne die Krokusse auf der Weide frisst, und zwar bis fast unter seine Füsse. Schaub: «Die Tiere kennen mich, weil ich so häufig dort bin.» Dass er auch scheue Motive formatfüllend auf den Chip bannen kann, dafür sorgt sein Objektiv mit einer maximalen Brennweite von 600 Millimetern.
Obwohl viele seiner Bilder sehr gelungen sind, veröffentlicht Schaub sie nicht – auch nicht auf Facebook oder Instagram. Für ihn ist die Fotografie ein Hobby, das er nur für sich selbst pflegt. Einige seiner spektakulären Luchsbilder erschienen allerdings vor einiger Zeit in der «Volksstimme», die sein Draht in die alte Heimat ist. Verwandte und Bekannte aus Sissach hätten angeregt, er solle einige seiner Fotos einschicken.
Die Sache mit den Wilderern
Schaubs Leidenschaft für Wildtiere hat ihn auch schon in gefährliche Situationen gebracht. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ein Vorfall Mitte der 1990er-Jahre: Nachdem er aus sicherer Distanz Wilderer fotografiert hatte, die eine Gämse erlegt und ins Auto geladen hatten, übergab er die Bilder dem Wildhüter. Die illegalen Jäger wurden daraufhin verurteilt, fanden aber offenbar heraus, dass Schaub sie angezeigt hatte. Möglicherweise aus Rache – oder sonst aus nicht bekannten Gründen – ist ein Jahr nach der Verurteilung Sprengstoff in seinem Auto deponiert worden, wie er sagt: «Das war eine perfide Falle.» Der Sprengstoff war so platziert, dass er bei einem Radwechsel hätte detonieren sollen. Und zum Radwechsel war er gezwungen: Die Täter hatten einen Reifen an seinem Auto aufgeschlitzt. Nur durch Zufall sei es nicht zur Explosion gekommen. Die Bundespolizei habe sich damals in die Ermittlungen eingeschaltet – Täter konnten allerdings nicht eruiert werden. Doch das sei nun lange her.
Auch später sei es nochmals zu einer bedrohlichen Situation mit einem Wilderer gekommen. Für einige Einheimische sei er als Naturbeobachter offensichtlich ein Störfaktor gewesen, so Schaub, denn er habe sich nach einem starken Rückgang des Gämsenbestands wegen der zu vielen Abschüsse beschwert, ebenso über wild deponierten Abfall in den Wäldern der Chasseral-Region.
Im Jura gebe es auch Probleme mit freilaufenden Hunden, sagt Naturfreund Schaub. Diese jagten Gämsen oder rissen Murmeltierbauten auf. Als Schaub einmal den Besitzer aufforderte, seinen Hund an die Leine zu nehmen, sei dieser aggressiv geworden, habe ihn am Kragen gepackt, ein Messer gezückt und gedroht, ihn «abzustechen». Ansonsten aber, sagt Schaub zufrieden, herrsche in der freien Natur des Juras der grosse Frieden.
Vom Laboranten zum Chemiker mit Doktortitel
tho. Der in Läufelfingen aufgewachsene Bruno Schaub (1949) absolvierte nach der Sekundarschule in Sissach eine Laborantenlehre bei der J.R. Geigy AG in Basel. Weil er in der Schule in Französisch «richtig schlecht» war, wie er sagt, beschloss er, die Sprache von Grund auf zu lernen: Nach der Lehre erhielt er eine Stelle an der Uni Lausanne und arbeitete dort drei Jahre als Laborant. Ein Professor ermunterte ihn, ein Studium zu beginnen, wofür er die Matura nachholen musste, was er abends und samstags tat. 1977 hatte er die Matura in der Tasche und studierte Chemie an der Universität Basel. Danach wechselte er nach Lausanne, wo er promovierte («docteur ès sciences»).
Danach kehrte Schaub nach Basel zurück und arbeitete bei Ciba-Geigy in der Forschung; während 15 Monaten auch an einem Ciba-Standort in Manchester. 1994, als er längst im Jura wohnte, zog es ihn beruflich ins Baselbiet: Er nahm eine Stelle beim Pharmawirkstoffhersteller Amcis – heute Carbogen Amcis – in Bubendorf an, wo er mit einem kurzen Unterbruch bis 2020 arbeitete. In dieser Zeit reiste er häufig zu Kunden in die USA und nach Japan. Erst mit 71 Jahren ging Schaub in den Ruhestand. Einerseits habe er mit gesundheitliche Beschwerden zu kämpfen gehabt, andererseits habe ihm Corona das Reisen und damit den direkten Kundenkontakt praktisch verunmöglicht, weshalb er sich entschloss, einen Schlussstrich unter seine berufliche Laufbahn zu ziehen.
1986 bezog Bruno Schaub mit seiner Frau Micheline ein Haus in Courroux bei Delémont. Micheline hatte er 1972 während seines Militärdienstes im Jura kennen gelernt. Die Investition in die französische Sprache habe sich für ihn in jeglicher Hinsicht gelohnt, sagt er lachend.